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Der tüftelnde Architekt

Das futuristische Fahrgestell in einem Raum des Whitney Museum. Eiförmig, dreirädrig, dunkelblau. Es bietet, so tönt die Stimme seines berühmten Erfinders aus dem Fernseher, Platz für 11 Passagiere. Der neugierige Besucher würde am liebsten sofort eine Probefahrt machen. Ein guter Start, um sich mit dem vor 25 Jahren verstorbenen Utopisten Buckminster Fuller zu befassen.

Von Heike Wipperfürth |
    Seit der Entwicklung seines "Dymaxion-Autos" in den 30er Jahren machte sich der Architekt, Tüftler und Wissenschaftler daran, die Welt von morgen zu planen. Er hatte vor, ganze Metropolen unter Plastikhauben, in Pyramiden oder riesige Kugeln über den Wolken zu stecken. Das sind Pläne, die Kenner wie den New Yorker Architekt Reinhold Martin noch heute faszinieren:

    " Fuller lebt weiter: Als Provokateur, der die Menschen mit seiner Überspanntheit und bloßer Phantasie zum Denken auf globaler und futuristischer Ebene zwingt. Mit seinem Utopismus müssen wir uns befassen. So radikal futuristisch zu denken wie er wagt heute kaum einer mehr. "

    Wie radikal Fuller war zeigt sich in der vierten Etage des Whitney Museums, in der seine Modelle, Bilder, Fotografien, Pläne und Filme ausgestellt sind. Erstaunt bleibt das Auge haften: Auf kugelförmigen Modellen und Zeichnungen fast unbegrenzter Entwurfsfantasie. Sie sind gezeichnet von einem Mann, der sich als "Versuchskaninchen B" und unseren Heimatplaneten Erde als Raumschiff beschrieb. Dana Miller, die zusammen mit Michael Hays die Ausstellung "Buckminster Fuller: Starting with the Universe" kuratiert hat, versteht das so:

    " Fullers Denken erlangt das hohe Niveau eines utopischen Träumers und Visionärs. Natürlich ist sein Selbstwertgefühl sehr ausgeprägt, aber ich glaube, er wollte etwas für die Menschheit tun. Und für die Umwelt. Darum geht es, wenn er vom Raumschiff Erde redet. Er meint, dass wir alle Astronauten sind, die in einem zusammengehörigen System durch ein viel größeres Universum reisen. "

    Der Kuratorin Miller zufolge braucht man sich nur Fullers Weltkarten und sein World Game anzusehen, um seine Aktualität zu erkennen: Auf einem Bildschirm können Spieler neue Szenarien für eine gerechte Verteilung der Weltressourcen entwickeln - mit und gegeneinander.

    " Das sind faszinierende Vorboten der Cyberkultur und der internationalen Netzwerke und der weltweiten Verteilung von Essen, Informationen und Kommunikation. "

    Mit riesigen Netzen, die er über große Flächen spannte, hat Fuller auch ein Gegenkonzept zum traditionellen Bauen entwickelt: So entstanden geodätische Kuppeln, das sind riesige Kugeln, seine bekannteste Erfindung. Architekt Reinhold Martin:

    " Faszinierend ist: Er sieht die geodätische Kuppel nicht als ein Objekt, sondern als eine Reihe von Verknüpfungen und Verbindungen. Darum geht es ihm. Er war ein Denker, der Zusammenhänge erkannte, und zwar in der ganzen Welt. Wenn er bei der Entwicklung des Domes von technischen Problemen spricht, dann geht es um diese Verbindungen. "

    Nicht nur im Whitney Museum, sondern auch in vielen New Yorker Galerien, Universitäten und Fachverbänden wird Fuller zur Zeit gefeiert. Paola Antonelli, die Kuratorin des Museum of Modern Art:

    " Wir haben von ihm gelernt, Baustrukturen neu zu entdecken. Viele trennen die Mechanik des Bauens vom künstlerischen Aspekt der Architektur. Grosse Denker aber vereinen die beiden Aspekte - und schaffen so etwas viel Schöneres. Das sind die Querdenker, die großen Künstler. Sie schaffen es, einzelne Aktivitäten miteinander zu verbinden und zu zeigen, dass alles zusammengehört. Fuller ist einer von ihnen. "

    Die Ausstellung im Whitney Museum ist nicht nur für Fuller Spezialisten gedacht, sondern für ein breites Publikum. Es geht darum, die grandiosen Plänen des Utopisten zu studieren, der Wohncontainer mit Solarzellen, zusammenklappbare Einfamilienhäuser und fliegende Autos entwarf, als von Energiekonservierung und globaler Mobilität noch lange nicht die Rede war.