Dass der NSU-Prozess verschoben wurde, ist heute nur eine kleine Randnotiz in türkischen Zeitungen. Gestern hatten die Blätter ausführlich berichtet, dass nun doch türkische Journalisten den Prozess im Gerichtssaal beobachten dürfen, eine überfällige Entscheidung, so die Kommentare.
Die englischsprachige Tageszeitung "Today's Zaman", die in Istanbul erscheint, meinte allerdings: "Das Münchner Gericht hat seine Glaubwürdigkeit verloren." Denn nach so vielen Pannen, nach dem würdelosen Hickhack um die Zulassung türkischer Journalisten, traut die Zeitung dem Gericht nicht mehr zu, die Mordserie und vor allem all die Pannen der Ermittler wirklich aufzuklären.
Hat also auf türkischer Seite das Vertrauen in den deutschen Staat, in deutsche Behörden gelitten?
Suat Özcelebi, Politikwissenschaftler aus Istanbul, sieht das differenziert:
"In der Türkei selbst gibt es nicht mal eine Debatte darüber, ob das Vertrauen in Deutschland gesunken ist. Ganz anders ist das unter den türkischen Bürgern, die in Deutschland leben. Dort sind viele verunsichert, gerade auch wegen der sturen Haltung des Gerichts in München."
Wie stark die Verunsicherung der türkischen Bürger in Deutschland ist, wurde nach dem Wohnhausbrand in Backnang Anfang März deutlich, bei dem eine aus der Türkei stammende Mutter und sieben ihrer Kinder ums Leben gekommen waren.
Sogleich stand der Verdacht im Raum, das Feuer sei durch einen fremdenfeindlichen Anschlag ausgelöst worden. Die Medien in der Türkei hatten diesen Verdacht ebenfalls geäußert, aber ohne vorschnelle Verurteilungen. Sie berichteten stets ausführlich über die Ermittlungen, aber auch über den mitunter beunruhigenden Alltag ihrer Landsleute in Deutschland:
"Es gibt etwas, von dem wir in der Türkei erst allmählich erfahren: Nämlich, wie es um die Angst derjenigen Türken in Deutschland steht, die nicht in Großstädten leben, sondern irgendwo auf in kleineren Städten oder Dörfern. Da wurden mir interessante Sachen erzählt: Wie zum Beispiel türkische Familien sich Wachhunde anschaffen oder wie sie nachts schwere Gegenstände vor die Haustür schieben, aus Angst vor rassistischen Angriffen. Wenn sich diese Geschichten in den türkischen Medien häufen, wird die Anteilnahme der türkischen Öffentlichkeit stark zunehmen."
Und noch mehr Menschen in der Türkei würden sich Sorgen machen um ihre Landsleute, die in Deutschland leben.
Denn die Pannen bei den Ermittlungen um die NSU-Mordserie haben in der Türkei Zweifel geweckt: Zweifel, ob die türkischen Bürger in Deutschland von der Polizei und den Behörden ausreichend geschützt werden. Viele in der Türkei fragen sich nämlich: Wie konnte es passieren, dass eine Mörderbande über zehn Jahre hinweg Bürger türkischer Herkunft tötet – und die Ermittler bekommen nichts davon mit.
Wurden die Nazi-Mörder möglicherweise von deutschen Geheimdienstmitarbeitern gedeckt? Oder ist der Verfassungsschutz in Deutschland selbst von Neonazis unterwandert? Fragen, die sich auch der Politikwissenschaftler Suat Özcelebi stellt:
"Ich habe auch so meine Zweifel, ob das alles wirklich nur Pannen und Nachlässigkeiten der Verfassungsschützer waren. Wie können die Ermittler über einen Zeitraum von zehn Jahren immer nur nachlässig sein? Das ist doch in einem Staat wie Deutschland, zumindest dem Deutschland, wie wir es kennen, gar nicht möglich, oder? Da wurde doch ein Auge zugedrückt? Anders kann man sich das gar nicht erklären!"
In der Türkei selbst stehen gerade mehrere Hundert Angehörige des Militärs, der Geheimdiensten und der Oppositionsparteien vor Gericht, weil sie angeblich einen Putsch vorbereitet hatten. Die Staatsanwaltschaft ist sicher: Sie wollten die Türkei durch Terroranschläge destabilisieren, gleichzeitig staatliche Behörden unterwandern, um die Regierung unter dem islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Erdogan zu stürzen.
Dieser sogenannte "Ergenekon-Prozess" beherrscht seit Monaten die Titelseiten in türkischen Zeitungen. So mancher Kommentator kann sich nach Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie in Deutschland durchaus vorstellen, dass auch dort Geheimdienste oder Behörden von dunklen Kräften unterwandert sind.
Die Türkei erwartet vom NSU-Prozess also nicht nur, dass die Täter und Hintermänner der Morde bestraft werden, sondern dass auch die zweifelhafte Rolle der Verfassungsschutzbehörden aufgedeckt wird.
Die englischsprachige Tageszeitung "Today's Zaman", die in Istanbul erscheint, meinte allerdings: "Das Münchner Gericht hat seine Glaubwürdigkeit verloren." Denn nach so vielen Pannen, nach dem würdelosen Hickhack um die Zulassung türkischer Journalisten, traut die Zeitung dem Gericht nicht mehr zu, die Mordserie und vor allem all die Pannen der Ermittler wirklich aufzuklären.
Hat also auf türkischer Seite das Vertrauen in den deutschen Staat, in deutsche Behörden gelitten?
Suat Özcelebi, Politikwissenschaftler aus Istanbul, sieht das differenziert:
"In der Türkei selbst gibt es nicht mal eine Debatte darüber, ob das Vertrauen in Deutschland gesunken ist. Ganz anders ist das unter den türkischen Bürgern, die in Deutschland leben. Dort sind viele verunsichert, gerade auch wegen der sturen Haltung des Gerichts in München."
Wie stark die Verunsicherung der türkischen Bürger in Deutschland ist, wurde nach dem Wohnhausbrand in Backnang Anfang März deutlich, bei dem eine aus der Türkei stammende Mutter und sieben ihrer Kinder ums Leben gekommen waren.
Sogleich stand der Verdacht im Raum, das Feuer sei durch einen fremdenfeindlichen Anschlag ausgelöst worden. Die Medien in der Türkei hatten diesen Verdacht ebenfalls geäußert, aber ohne vorschnelle Verurteilungen. Sie berichteten stets ausführlich über die Ermittlungen, aber auch über den mitunter beunruhigenden Alltag ihrer Landsleute in Deutschland:
"Es gibt etwas, von dem wir in der Türkei erst allmählich erfahren: Nämlich, wie es um die Angst derjenigen Türken in Deutschland steht, die nicht in Großstädten leben, sondern irgendwo auf in kleineren Städten oder Dörfern. Da wurden mir interessante Sachen erzählt: Wie zum Beispiel türkische Familien sich Wachhunde anschaffen oder wie sie nachts schwere Gegenstände vor die Haustür schieben, aus Angst vor rassistischen Angriffen. Wenn sich diese Geschichten in den türkischen Medien häufen, wird die Anteilnahme der türkischen Öffentlichkeit stark zunehmen."
Und noch mehr Menschen in der Türkei würden sich Sorgen machen um ihre Landsleute, die in Deutschland leben.
Denn die Pannen bei den Ermittlungen um die NSU-Mordserie haben in der Türkei Zweifel geweckt: Zweifel, ob die türkischen Bürger in Deutschland von der Polizei und den Behörden ausreichend geschützt werden. Viele in der Türkei fragen sich nämlich: Wie konnte es passieren, dass eine Mörderbande über zehn Jahre hinweg Bürger türkischer Herkunft tötet – und die Ermittler bekommen nichts davon mit.
Wurden die Nazi-Mörder möglicherweise von deutschen Geheimdienstmitarbeitern gedeckt? Oder ist der Verfassungsschutz in Deutschland selbst von Neonazis unterwandert? Fragen, die sich auch der Politikwissenschaftler Suat Özcelebi stellt:
"Ich habe auch so meine Zweifel, ob das alles wirklich nur Pannen und Nachlässigkeiten der Verfassungsschützer waren. Wie können die Ermittler über einen Zeitraum von zehn Jahren immer nur nachlässig sein? Das ist doch in einem Staat wie Deutschland, zumindest dem Deutschland, wie wir es kennen, gar nicht möglich, oder? Da wurde doch ein Auge zugedrückt? Anders kann man sich das gar nicht erklären!"
In der Türkei selbst stehen gerade mehrere Hundert Angehörige des Militärs, der Geheimdiensten und der Oppositionsparteien vor Gericht, weil sie angeblich einen Putsch vorbereitet hatten. Die Staatsanwaltschaft ist sicher: Sie wollten die Türkei durch Terroranschläge destabilisieren, gleichzeitig staatliche Behörden unterwandern, um die Regierung unter dem islamisch-konservativen Ministerpräsidenten Erdogan zu stürzen.
Dieser sogenannte "Ergenekon-Prozess" beherrscht seit Monaten die Titelseiten in türkischen Zeitungen. So mancher Kommentator kann sich nach Bekanntwerden der Neonazi-Mordserie in Deutschland durchaus vorstellen, dass auch dort Geheimdienste oder Behörden von dunklen Kräften unterwandert sind.
Die Türkei erwartet vom NSU-Prozess also nicht nur, dass die Täter und Hintermänner der Morde bestraft werden, sondern dass auch die zweifelhafte Rolle der Verfassungsschutzbehörden aufgedeckt wird.