Schmitz: Das Bild oder die Reaktion in der arabischen Welt insgesamt ist anders. Welche Funktion könnten diese ja gezielt publizierten Bilder des gefangenen Saddam Hussein in der arabischen Welt insgesamt haben?
Al-Mozany: Das ist natürlich auch unterschiedlich. Die Kuwaiter zum Beispiel feierten auf der Straße, als man diese Bilder gesehen hat, denn sie waren betroffen. Diejenigen, die von seinen Untaten nicht betroffen sind, haben eine andere Einstellung zu ihm. Die Palästinenser zum Beispiel, manche Nordafrikaner oder auch manche Ägypter glauben, Saddam Hussein symbolisiert den arabischen Helden. Sie haben einen gebrochenen Mann gesehen, sie haben einen kaputten Mann gesehen, der eigentlich unwürdig ist, diesen Titel zu tragen. Ich weiß es nicht genau, aber wahrscheinlich machen sie sich auch Gedanken darüber. Letztendlich sind sie aber von Saddam oder seiner Herrschaft nicht direkt betroffen. Es fällt ihnen leichter, darüber ein Urteil zu geben, dass sie auf der Seite Saddams stehen.
Schmitz: Könnte es aber nicht dennoch so sein, dass diese Bilder langfristig eher zu einer Mythologisierung dieser Figur, dieses Diktators führen, dass man sagt: Er geht sogar so weit, dass er sich erniedrigen lässt, der Held von einst, und deswegen ist er gerade der Held, weil er das alles über sich ergehen lässt?
Al-Mozany: Es gibt vielleicht Leute, die daran glauben, aber die Regel ist das nicht. Es gab schon arabische Nationalhelden, die sich anders verhalten haben. Man kann sich an Gamal Abdel Nasser erinnern, der auch Nationalheld bei den Arabern war. Bei den Irakern war es das Bild des ersten Staatspräsidenten nach der Abschaffung der Monarchie 1958: Abdul Karim Kassem wurde im kollektiven Gedächtnis des Volkes zur Legende erhoben. Es gab schon Leute innerhalb der arabischen Nation, die wahrhaftig Helden waren. Bei der Art, wie Saddam Hussein sich präsentiert, ist das bei ihm anders.
Schmitz: Was meinen Sie: Verliert jetzt der Terrorismus im Irak seine eigentliche Motivation dadurch, dass Saddam gefangen genommen worden ist?
Al-Mozany: Ich glaube kaum. Diese Terroranschläge sind unabhängig von Saddams Einfluss vonstatten gegangen. Die Täter sind pure Terroristen. Sie haben nichts anderes im Sinn als möglichst viele Leute umzubringen und Chaos anzurichten in der Hoffnung, dass die Amerikaner irgendwann das Land verlassen. Saddam Hussein hat dabei natürlich auch einen Teil organisiert und gesteuert, aber die meisten Anschläge und Attentate kommen von den Seiten der El Kaida einerseits, von Osama Bin Laden, aber auch von anderen arabischen Organisationen. Da sind unter anderem auch Palästinenser dabei und sogar Jemeniten, Saudis, Syrer, aber auch Iraner, und so weiter. Das ist ein Netz von Terrororganisationen, die mit Saddam Hussein allerdings nichts zu tun haben.
Schmitz: Saddam wird jetzt verhört, dann wird ihm der Prozess gemacht. Wer genau das Gericht stellen soll steht noch nicht fest. Glauben Sie, dass es wichtig sein könnte, dass es ein irakisches Gericht ist, vor dem er zur Verantwortung gezogen werden soll, oder können die Iraker das im Moment eigentlich noch gar nicht leisten?
Al-Mozany: Dieser Prozess muss im Irak stattfinden, damit die Iraker über die jüngste Vergangenheit aufgeklärt werden. Das ist auch ein entscheidender Schritt hin zur Normalisierung. Vor allem hat Saddam Hussein seine Verbrechen in dieser Gegend verübt, gegen die Iraker in erster Linie, gegen die Nachbarländer. Die Opfer sind noch da, und die Beweissicherung ist fast abgeschlossen: Die Massengräber sind noch da, und alle Zeugen sind im Irak. Von daher ist es wichtig, dass man ihm den Prozess auch dort im Irak macht.
Schmitz: Der Schriftsteller Hussein Al-Mozany über die Gefangennahme Saddam Husseins.