"Mein Name ist Joseph Martin Fischer, genannt auch Joschka Fischer - das hängt mit der Herkunft meiner Familie zusammen."
Es sprach Gottvater. Von seiner Partei bekommt er diesen Spitznamen, weil sie ihn zwar lieben aber auch hassen. Denn Misstrauen gegenüber dem prominenten und machtbewussten Selbstdarsteller ist trotz aller Anerkennung geblieben. Er hat sie mit einfacher Salamitaktik zum Teil vorsichtig, später auch mit brachialer Rhetorik, zur Aufgabe fundamentaler Positionen gebracht. Einziges Ziel: grüne Regierungstauglichkeit.
Schritt für Schritt durchsetzen lautet die Maxime. Beharrlich verfolgt Fischer die stetigen Veränderungen der politischen Inhalte. Beispiel: die Frage "Krieg und Frieden". Nach Daniel Cohn-Bendit verabschiedet sich Joschka Fischer vom radikalen Pazifismus der Bündnisgrünen. Verbliebene Fundamentalisten bekämpfen ihn zwar massiv auf dem Bremer Parteitag, die Bosnien-Abstimmung verliert er noch haushoch. Gut zwei Jahre später in Magdeburg fehlt nur noch eine Stimme, und das nur, weil seine Aufpasser vom realpolitischen Flügel sich zu sicher sind und schon vor der Abstimmung ihrem Chef zum Italiener folgen.
"Also, nicht nur das Mikro erobern. Wir wollen diskutieren. Da musst du mir schon die Gelegenheit geben zu antworten."
"Du hast auch lange geredet, Joschka."
"Ja, aber es ist ja meine Veranstaltung und nicht deine, das wirst du ja wohl einsehen."
"Ja, aber Demokratie."
Der politische Popstar einer ganzen Generation - "ich war einer der letzte Rock 'n' Roller der deutschen Politik", sagt er selbst über sich - entwickelt früh einen ausgeprägten Willen zur Macht. Fischer spielt gerne den starken Mann durch eigene Profilierung, im Zweifel auch auf Kosten seiner Partei - die ihm trotzdem folgt, weil nur er die Erfolge garantiert.
Schon in Zeiten des Frankfurter Straßenkampfes ist er Chef der sogenannten Putzgruppe und verfolgt dabei die Strategie: Entweder ich sage, wo es langgeht oder es läuft gar nichts. Später, 1999 Bielefeld, Kosovo-Parteitag - da heißt es dann: Entweder ihr beschließt, was ich will oder…
"Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt eine einseitige Einstellung, unbefristete Einstellung der Bombenangriffe für das grundfalsche Signal. Milošević würde dadurch gestärkt und nicht geschwächt. Ich werde das nicht umsetzen, wenn ihr das beschließt. Damit das klar ist."
Seine Alleinherrschaft sichert sich Fischer geschickt. Gestützt auf einen kleinen "Inner Circle" aus frühen Frankfurter Zeiten schart er eine erweiterte Gefolgschaft um sich. Wer den Patriarchen bewundert und sich ihm unterordnet, der ist dabei, wird gefördert und geschützt. Fritz Kuhn bekam deshalb schon den Spitznamen Fischers Fritz. Auch der heutige Parteichef Cem Özdemir gehört zu dem erlauchten Kreis, seine Kollegin Claudia Roth nicht.
Dabei versteht Fischer Führung immer ohne persönliche Verantwortung: Erst 2000 übernimmt er ein offizielles Parteiamt. Er setzt trotzdem seine Leute brachial durch oder sägt sie auch ab, sollten sie bei ihm in Ungnade gefallen sein. Werner Schulz darf 1998 nicht Fraktionsvorsitzender werden, weil Fischer seinen treuen Vasallen Rezzo Schlauch an der Spitze braucht. Andererseits müssen Parteichefin Gunda Röstel oder Gesundheitsministerin Andrea Fischer gehen, nachdem sie nicht seine Ansprüche erfüllen. Hubert Kleinert oder Bärbel Höhn bekommen kein Bein mehr auf den Boden, nachdem sie es wagten, ihn öffentlich zu kritisieren.
"In der Demokratie sind solche Auseinandersetzungen notwendig. In der Demokratie werden sie fair und unfair geführt. Das gehört auch dazu. Darüber habe ich nicht zu jammern, zu wehklagen. Ich war hart im Austeilen und bin es, und entsprechend hart muss ich auch im Einstecken sein und behaupte auch, das bin ich."
Selbst als Außenminister beteiligt sich der Patriarch noch intensiv an Kandidatenaufstellungen - über das Handy lässt er sich aus jeder Bundesvorstandssitzung berichten und nimmt anders herum auf diesem Weg - wenn nötig - direkten Einfluss auf die Entscheidungen in der Parteizentrale.
Gerne lässt er auch auf Parteitagen seine Getreuen für sich kämpfen. Auftritte werden gezielt dosiert. Nur wenn es ihm unbedingt notwendig erscheint, greift er in Debatten ein. Praktizierte Distanz und Nähe, zelebriert, inszeniert - immer auf das angestrebte Ergebnis fixiert.
Delegiertenversammlungen, Parteifeste - alle öffentlichen Termine benutzt Fischer als seine Bühne, meist zu spät kommend, gerne auch mit Gefolge. Gestik, Mimik, Körperhaltung - mal abfällig, gelangweilt, resigniert, mal arrogant oder einfach nur desinteressiert - so werden Stimmungen verbreitet, Zeichen gesetzt alleine durch An- oder Abwesenheit. Mal ist er plötzlich einfach da, nimmt Platz, liest Zeitung oder hört auch nur zu - mal zieht er mit Hofstaat in die Halle ein und sucht geradezu den Kontakt. Am liebsten mit den Journalisten, denen er die Weltlage, seine Sicht der Dinge erklärt. Mal leidenschaftlich und freundlich, manchmal auch zynisch, überheblich, herablassend, rüpelhaft oder abkanzelnd.
"Ich finde es absurd, was ihr macht, schlicht absurd. Ich begreife es nicht, warum man nicht akzeptieren kann, wenn jemand nicht will, warum man es nicht einfach lässt. Ja, aber wegen euch hat er stattgefunden, nicht wegen mir."
"Wieso?"
"Ja, weil ihr so Idioten seid."
"Sind Sie glücklich, Herr Fischer?"
"Was habe ich getan, um soviel Dämlichkeit auf einmal zu erleben."
So produziert das politische Naturtalent bewusst Bilder, wie den schwitzenden Marathonläufer oder den schimpfenden Bräutigam, immer bedacht auf Symbolik und Wirkung. Damit hält man sich und die Partei in den Schlagzeilen.
Fischer wird zum heimlichen Parteichef in direktem Zusammenspiel mit den Medien. Lebenskrisen und deren Bewältigung werden ganz bewusst in der Öffentlichkeit zelebriert, Meldungen gezielt platziert. Für Kritiker - übrigens auch für Freunde - in der Partei gibt es über viele Jahre hinweg immer wieder die politischen Ansagen in Zeitungsinterviews und Nachrichtenmagazinen. Danach heißt es nur noch: Gottvater hat gesprochen. Mithilfe einflussreicher Blätter jagt er sogar einen Bundesvorstand aus dem Amt. Nur einmal verliert er die politische Kontrolle. Der Außenminister muss vor dem VISA-Untersuchungsausschuss aussagen.
"Die Verantwortung liegt bei mir. Schreiben Sie rein: Fischer ist schuld."
"Keine weiteren Fragen mehr? Kaum sind zwölfeinhalb Stunden herum, Herr Zeuge, und schon ist die Vernehmung beendet."
"Herr Vorsitzender, es ging ja überraschend schnell und Sie werden mir für…"
Die interne Aufteilung nach Freund und Feind - nur kleinste Zirkel dekretieren Erkenntnisse, sie werden nicht in großen Parteirunden erarbeitet - und die Einteilung der Journalisten nach Auflage und Meinungsführerschaft fördern und sichern sein undemokratisches und wenig transparentes Machtsystem.
Von der informellen Machtausübung ohne Parteikontrolle profitiert der Patriarch - wie die Grünen von ihm profitieren. Fischer, der ausdauernde Kämpfer gewinnt eine Dominanz, die sich erst richtig zeigt, als er weg ist: Keine Nachfolger in Sicht und ein strategisches Zentrum mit ähnlichem Machtwillen fehlt.
Es sprach Gottvater. Von seiner Partei bekommt er diesen Spitznamen, weil sie ihn zwar lieben aber auch hassen. Denn Misstrauen gegenüber dem prominenten und machtbewussten Selbstdarsteller ist trotz aller Anerkennung geblieben. Er hat sie mit einfacher Salamitaktik zum Teil vorsichtig, später auch mit brachialer Rhetorik, zur Aufgabe fundamentaler Positionen gebracht. Einziges Ziel: grüne Regierungstauglichkeit.
Schritt für Schritt durchsetzen lautet die Maxime. Beharrlich verfolgt Fischer die stetigen Veränderungen der politischen Inhalte. Beispiel: die Frage "Krieg und Frieden". Nach Daniel Cohn-Bendit verabschiedet sich Joschka Fischer vom radikalen Pazifismus der Bündnisgrünen. Verbliebene Fundamentalisten bekämpfen ihn zwar massiv auf dem Bremer Parteitag, die Bosnien-Abstimmung verliert er noch haushoch. Gut zwei Jahre später in Magdeburg fehlt nur noch eine Stimme, und das nur, weil seine Aufpasser vom realpolitischen Flügel sich zu sicher sind und schon vor der Abstimmung ihrem Chef zum Italiener folgen.
"Also, nicht nur das Mikro erobern. Wir wollen diskutieren. Da musst du mir schon die Gelegenheit geben zu antworten."
"Du hast auch lange geredet, Joschka."
"Ja, aber es ist ja meine Veranstaltung und nicht deine, das wirst du ja wohl einsehen."
"Ja, aber Demokratie."
Der politische Popstar einer ganzen Generation - "ich war einer der letzte Rock 'n' Roller der deutschen Politik", sagt er selbst über sich - entwickelt früh einen ausgeprägten Willen zur Macht. Fischer spielt gerne den starken Mann durch eigene Profilierung, im Zweifel auch auf Kosten seiner Partei - die ihm trotzdem folgt, weil nur er die Erfolge garantiert.
Schon in Zeiten des Frankfurter Straßenkampfes ist er Chef der sogenannten Putzgruppe und verfolgt dabei die Strategie: Entweder ich sage, wo es langgeht oder es läuft gar nichts. Später, 1999 Bielefeld, Kosovo-Parteitag - da heißt es dann: Entweder ihr beschließt, was ich will oder…
"Ich halte zum jetzigen Zeitpunkt eine einseitige Einstellung, unbefristete Einstellung der Bombenangriffe für das grundfalsche Signal. Milošević würde dadurch gestärkt und nicht geschwächt. Ich werde das nicht umsetzen, wenn ihr das beschließt. Damit das klar ist."
Seine Alleinherrschaft sichert sich Fischer geschickt. Gestützt auf einen kleinen "Inner Circle" aus frühen Frankfurter Zeiten schart er eine erweiterte Gefolgschaft um sich. Wer den Patriarchen bewundert und sich ihm unterordnet, der ist dabei, wird gefördert und geschützt. Fritz Kuhn bekam deshalb schon den Spitznamen Fischers Fritz. Auch der heutige Parteichef Cem Özdemir gehört zu dem erlauchten Kreis, seine Kollegin Claudia Roth nicht.
Dabei versteht Fischer Führung immer ohne persönliche Verantwortung: Erst 2000 übernimmt er ein offizielles Parteiamt. Er setzt trotzdem seine Leute brachial durch oder sägt sie auch ab, sollten sie bei ihm in Ungnade gefallen sein. Werner Schulz darf 1998 nicht Fraktionsvorsitzender werden, weil Fischer seinen treuen Vasallen Rezzo Schlauch an der Spitze braucht. Andererseits müssen Parteichefin Gunda Röstel oder Gesundheitsministerin Andrea Fischer gehen, nachdem sie nicht seine Ansprüche erfüllen. Hubert Kleinert oder Bärbel Höhn bekommen kein Bein mehr auf den Boden, nachdem sie es wagten, ihn öffentlich zu kritisieren.
"In der Demokratie sind solche Auseinandersetzungen notwendig. In der Demokratie werden sie fair und unfair geführt. Das gehört auch dazu. Darüber habe ich nicht zu jammern, zu wehklagen. Ich war hart im Austeilen und bin es, und entsprechend hart muss ich auch im Einstecken sein und behaupte auch, das bin ich."
Selbst als Außenminister beteiligt sich der Patriarch noch intensiv an Kandidatenaufstellungen - über das Handy lässt er sich aus jeder Bundesvorstandssitzung berichten und nimmt anders herum auf diesem Weg - wenn nötig - direkten Einfluss auf die Entscheidungen in der Parteizentrale.
Gerne lässt er auch auf Parteitagen seine Getreuen für sich kämpfen. Auftritte werden gezielt dosiert. Nur wenn es ihm unbedingt notwendig erscheint, greift er in Debatten ein. Praktizierte Distanz und Nähe, zelebriert, inszeniert - immer auf das angestrebte Ergebnis fixiert.
Delegiertenversammlungen, Parteifeste - alle öffentlichen Termine benutzt Fischer als seine Bühne, meist zu spät kommend, gerne auch mit Gefolge. Gestik, Mimik, Körperhaltung - mal abfällig, gelangweilt, resigniert, mal arrogant oder einfach nur desinteressiert - so werden Stimmungen verbreitet, Zeichen gesetzt alleine durch An- oder Abwesenheit. Mal ist er plötzlich einfach da, nimmt Platz, liest Zeitung oder hört auch nur zu - mal zieht er mit Hofstaat in die Halle ein und sucht geradezu den Kontakt. Am liebsten mit den Journalisten, denen er die Weltlage, seine Sicht der Dinge erklärt. Mal leidenschaftlich und freundlich, manchmal auch zynisch, überheblich, herablassend, rüpelhaft oder abkanzelnd.
"Ich finde es absurd, was ihr macht, schlicht absurd. Ich begreife es nicht, warum man nicht akzeptieren kann, wenn jemand nicht will, warum man es nicht einfach lässt. Ja, aber wegen euch hat er stattgefunden, nicht wegen mir."
"Wieso?"
"Ja, weil ihr so Idioten seid."
"Sind Sie glücklich, Herr Fischer?"
"Was habe ich getan, um soviel Dämlichkeit auf einmal zu erleben."
So produziert das politische Naturtalent bewusst Bilder, wie den schwitzenden Marathonläufer oder den schimpfenden Bräutigam, immer bedacht auf Symbolik und Wirkung. Damit hält man sich und die Partei in den Schlagzeilen.
Fischer wird zum heimlichen Parteichef in direktem Zusammenspiel mit den Medien. Lebenskrisen und deren Bewältigung werden ganz bewusst in der Öffentlichkeit zelebriert, Meldungen gezielt platziert. Für Kritiker - übrigens auch für Freunde - in der Partei gibt es über viele Jahre hinweg immer wieder die politischen Ansagen in Zeitungsinterviews und Nachrichtenmagazinen. Danach heißt es nur noch: Gottvater hat gesprochen. Mithilfe einflussreicher Blätter jagt er sogar einen Bundesvorstand aus dem Amt. Nur einmal verliert er die politische Kontrolle. Der Außenminister muss vor dem VISA-Untersuchungsausschuss aussagen.
"Die Verantwortung liegt bei mir. Schreiben Sie rein: Fischer ist schuld."
"Keine weiteren Fragen mehr? Kaum sind zwölfeinhalb Stunden herum, Herr Zeuge, und schon ist die Vernehmung beendet."
"Herr Vorsitzender, es ging ja überraschend schnell und Sie werden mir für…"
Die interne Aufteilung nach Freund und Feind - nur kleinste Zirkel dekretieren Erkenntnisse, sie werden nicht in großen Parteirunden erarbeitet - und die Einteilung der Journalisten nach Auflage und Meinungsführerschaft fördern und sichern sein undemokratisches und wenig transparentes Machtsystem.
Von der informellen Machtausübung ohne Parteikontrolle profitiert der Patriarch - wie die Grünen von ihm profitieren. Fischer, der ausdauernde Kämpfer gewinnt eine Dominanz, die sich erst richtig zeigt, als er weg ist: Keine Nachfolger in Sicht und ein strategisches Zentrum mit ähnlichem Machtwillen fehlt.