Und so kennen wir von Fontana die durch einen Schnitt vaginal aufklaffenden monochromen Leinwände, die den Blick auf das Bild hinter dem Bild freigeben, die es dreidimensional zur Skulptur weiten. Wir kennen nicht die herkömmlichen Zeichnungen eines vom weiblichen Körper Besessenen, eines Erotomanen, die nun in Villingen-Schwenningen zusammen mit abstrakten Arbeiten zu sehen sind und die These belegen sollen, dass es da unterirdische Verbindungen gebe: die Dynamik, die Suche nach Bewegung, das Sprengen des Raumes.
Zunächst: würde man nur die Frauenakte sehen, niemand käme auf die Idee, dass hier ein abstrakter Künstler, in seiner Freizeit sozusagen, einen zweiten Wohnsitz bezogen hatte. Die Figuren sind zum Teil hart und kabarettistisch überspitzt, wie bei Dix und Grosz, zum Teil sind sie impressionistisch zart wie beim frühen Beuys.
Dann aber scheinen sie im Bildhintergrund oder in der Farbe zu verschwinden, sie werden übermalt und gedehnt, mit wenigen expressiven Strichen wird da ein Rückenakt hingetuscht, als hätte Jackson Pollock als Rubens-Nachfolger noch mal eine Frau gemalt oder vielmehr: hingeworfen, und immer wieder tauchen Skizzen zu "Concetti spaziali", zu Raumentwürfen auf, zu Schnittbildern und perforierten Leinwänden.
Und so sieht man, dass die Papierarbeiten auch Vorstudien sind für eine andere Welt, die nun über Villingen-Schwenningen kommt. Wendelin Renn, der Leiter der Städtischen Galerie, hat Fontanas "Ambiente spaziale bianco" aus der Documenta IV von 1968 nachbauen lassen, einen labyrinthischen Raum aus weißen Flächen, der durch grelles Oberlicht in einen Zustand der Auflösung, der abstrakten Entgrenzung versetzt wird. Und Renn sieht Fontana als den großen Neuerer:
Es war Fontana, der der erste Künstler überhaupt war, der Neonlicht-Installationen gemacht hat, wie er auch der erste Künstler war, der Environments gemacht hat, Raum-Kunst. Nachher gibt es Kienholz und andere, die groß herausgebracht wurden und vom Markt auch reflektiert worden sind. Aber Fontana war der erste: er hat zunächst zwei Schaufenster-Dekorationen in Buenos Aires gestaltet und drei Jahre später, 1949 dann, das Ambiente Nero in der Galerie in Mailand gezeigt. Ein schwarzer Raum, in dem eine Skulptur von der Decke hängt, die mit reflektierender Farbe bemalt und mit Schwarzlicht angestrahlt wurde.
Fontana konnte beides: malen und denken. Er hatte bei seinem Vater eine solide Ausbildung als Bildhauer bekommen, er hatte an der Mailänder Akademie virtuos Zeichnen gelernt, aber er hatte auch als Geometer gearbeitet und auf Diplomingenieur studiert. Er hatte dann mit Einsteins Relativitätstheorie kapiert, dass der Raum sich ins Unendliche fortzeugte.
Und so scheinen Fontanas aufgerissenen Leinwände nur das Ende eines gewundenen Weges zu sein, der lange Zeit, in Südamerika, recht konventionell verlief. Erst in den vierziger Jahren obsiegte der Intellektuelle in ihm. Nebenbei gab es den Handwerker, den Frauenliebhaber. Fontanas Spreizungen und Dehnungen des weiblichen Körpers verraten ein hohes zeichnerisches Können, das Schwarz, das – in einem Tuschebild aus den wilden 60iger Jahren – den geöffneten Schoß des Aktes überlagert, zeigt dramaturgisches Können. Die Körperdrehungen, die Perspektiven sind perfekt. Ja, er war ein Zeichner. Aber der abstrakte Künstler in ihm, der Leinwandschlitzer, der war ein ganz anderes Kaliber: er war revolutionär.
Zunächst: würde man nur die Frauenakte sehen, niemand käme auf die Idee, dass hier ein abstrakter Künstler, in seiner Freizeit sozusagen, einen zweiten Wohnsitz bezogen hatte. Die Figuren sind zum Teil hart und kabarettistisch überspitzt, wie bei Dix und Grosz, zum Teil sind sie impressionistisch zart wie beim frühen Beuys.
Dann aber scheinen sie im Bildhintergrund oder in der Farbe zu verschwinden, sie werden übermalt und gedehnt, mit wenigen expressiven Strichen wird da ein Rückenakt hingetuscht, als hätte Jackson Pollock als Rubens-Nachfolger noch mal eine Frau gemalt oder vielmehr: hingeworfen, und immer wieder tauchen Skizzen zu "Concetti spaziali", zu Raumentwürfen auf, zu Schnittbildern und perforierten Leinwänden.
Und so sieht man, dass die Papierarbeiten auch Vorstudien sind für eine andere Welt, die nun über Villingen-Schwenningen kommt. Wendelin Renn, der Leiter der Städtischen Galerie, hat Fontanas "Ambiente spaziale bianco" aus der Documenta IV von 1968 nachbauen lassen, einen labyrinthischen Raum aus weißen Flächen, der durch grelles Oberlicht in einen Zustand der Auflösung, der abstrakten Entgrenzung versetzt wird. Und Renn sieht Fontana als den großen Neuerer:
Es war Fontana, der der erste Künstler überhaupt war, der Neonlicht-Installationen gemacht hat, wie er auch der erste Künstler war, der Environments gemacht hat, Raum-Kunst. Nachher gibt es Kienholz und andere, die groß herausgebracht wurden und vom Markt auch reflektiert worden sind. Aber Fontana war der erste: er hat zunächst zwei Schaufenster-Dekorationen in Buenos Aires gestaltet und drei Jahre später, 1949 dann, das Ambiente Nero in der Galerie in Mailand gezeigt. Ein schwarzer Raum, in dem eine Skulptur von der Decke hängt, die mit reflektierender Farbe bemalt und mit Schwarzlicht angestrahlt wurde.
Fontana konnte beides: malen und denken. Er hatte bei seinem Vater eine solide Ausbildung als Bildhauer bekommen, er hatte an der Mailänder Akademie virtuos Zeichnen gelernt, aber er hatte auch als Geometer gearbeitet und auf Diplomingenieur studiert. Er hatte dann mit Einsteins Relativitätstheorie kapiert, dass der Raum sich ins Unendliche fortzeugte.
Und so scheinen Fontanas aufgerissenen Leinwände nur das Ende eines gewundenen Weges zu sein, der lange Zeit, in Südamerika, recht konventionell verlief. Erst in den vierziger Jahren obsiegte der Intellektuelle in ihm. Nebenbei gab es den Handwerker, den Frauenliebhaber. Fontanas Spreizungen und Dehnungen des weiblichen Körpers verraten ein hohes zeichnerisches Können, das Schwarz, das – in einem Tuschebild aus den wilden 60iger Jahren – den geöffneten Schoß des Aktes überlagert, zeigt dramaturgisches Können. Die Körperdrehungen, die Perspektiven sind perfekt. Ja, er war ein Zeichner. Aber der abstrakte Künstler in ihm, der Leinwandschlitzer, der war ein ganz anderes Kaliber: er war revolutionär.