Zehn Uhr morgens, ratternd öffnet sich das schwere Metalltor, das eine enge Gasse in der Innenstadt von Istanbul absperrt. Schon zu dieser Morgenstunde wartet ein halbes Dutzend Männer vor dem Tor, die Kragen hochgeschlagen gegen den Regen und die Hände tief in den Taschen vergraben.
Ein Polizist am Eingang kontrolliert ihre Ausweise, dann müssen sie Handys, Schlüsselringe und Feuerzeuge abgeben und schließlich noch einen laut piepsenden Metalldetektor passieren. Mit einem Kopfnicken gibt der Wächter den Weg frei, und die Männer trotten los, um sich eines der Bordelle in der Gasse auszusuchen.
Giraffenweg heißt die Gasse unterhalb vom Galata-Turm, in der schon seit osmanischen Zeiten der Sperrbezirk von Istanbul untergebracht ist. Zwischen zehn Uhr morgens und zehn Uhr abends werden hier täglich fünf- bis siebentausend Männer bedient. Für Außenstehende ist der Giraffenweg dennoch kaum als Rotlichtbezirk zu erkennen, denn strenge gesetzliche Auflagen verbieten es den Frauen in den Bordellen, sich am Fenster oder auf der Straße zu zeigen.
Umso bemerkenswerter war es, als sich die Frauen jetzt an die Öffentlichkeit wagten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Vermummt mit Kopftüchern, Schals und Sonnenbrillen, versammelten sich die Prostituierten vom Giraffenweg vor dem Absperrtor, um gegen die Schließung mehrerer Bordelle durch die Behörden zu protestieren.
"Da sind vor ein paar Tagen zwei Zivilpolizisten gekommen, haben sich mit einer Frau geeinigt, und dann behauptet, die Frauen hätten sie angesprochen. Das ist nämlich gegen die Vorschriften - die Sexarbeiterinnen dürfen die Freier nicht anwerben. Unter diesem Vorwand sind nun sechs Bordelle geschlossen worden."
Prostitution ist in der Türkei zwar schon seit den 1930er-Jahren erlaubt, soweit sie in behördlich genehmigten und kontrollierten Bordellen betrieben wird. Die Auflagen sind aber streng: kein Alkohol, keine Anwerbung und allerlei andere Vorschriften. Darum gehe es bei den Bordellschließungen aber gar nicht, kritisierten die Frauen in einer vor dem Tor verlesenen Protesterklärung:
"Seit einem Jahr wird hier ein Haus nach dem anderen willkürlich geschlossen, gegen alle Regeln und Vorschriften. Das zwingt Hunderte Sexarbeiterinnen wie uns in die illegale Prostitution auf der Straße."
Rund 50 Bordelle gab es am Giraffenweg noch in den 90er-Jahren, als eine armenische Puffmutter namens Matild Matukyan regelmäßig zur Rekordsteuerzahlerin der Türkei gekürt wurde. Doch nach den jüngsten Schließungen sind hier nur noch elf Bordelle offen. Anderswo im Land sieht es ähnlich aus. In Ankara wurde im vergangenen Sommer der komplette Sperrbezirk abgerissen, um Platz für einen Stadtpark zu machen. Und in Antalya musste das Bordell schließen, als nebenan eine Moschee gebaut wurde. Zwar stellt die Regierung die legale Prostitution nicht offen infrage. Doch die reihenweise Schließung von Bordellen unter verschiedenen Vorwänden habe Methode, glaubt die Aktivistin Sevval Kilic vom Verein Frauentor, der sich für die Belange der Sexarbeiterinnen einsetzt:
"Die Behörden glauben, die Prostitution würde aufhören, wenn sie die Bordelle schließen. Das ist ein Trugschluss. Wenn die Bordelle schließen, werden die dort beschäftigten Frauen nur gezwungen, unterzutauchen und ihr Gewerbe schutzlos auf finsteren Gassen auszuüben. Und die Gewaltverbrechen gegen Frauen werden ansteigen."
Auch die öffentliche Gesundheit werde durch die Schließungen gefährdet, warnen Sexualmediziner. Denn die legalen Sexarbeiterinnen in den Bordellen unterliegen, anders als illegale Straßenmädchen, strengen hygienischen Vorschriften und regelmäßigen Gesundheitskontrollen durch die Behörden. Das Bordellsystem nutze beiden Seiten, argumentiert Sevval Kilic:
"Die Bordelle sind sowohl bei der Bevölkerung sehr beliebt, weil sie offizielle, behördlich kontrollierte Bordelle sind, als auch bei den Frauen. Von den 100.000 illegalen Prostituierten auf den Straßen dieses Landes haben 40.000 die Zulassung ins Bordell beantragt, weil sie sich eben nicht auf der Straße mit Psychopathen und Polizisten herumschlagen wollen."
Neue Zulassungen als Prostituierte würden aber schon seit Jahren nicht mehr bewilligt, kritisiert der Verein. Im Ergebnis steigt das Durchschnittsalter der rund dreieinhalbtausend legalen Prostituierten in den 52 Sperrbezirken des Landes, die Attraktivität der staatlich kontrollierten Bordelle nimmt weiter ab. Was bleibt, für Freier wie Frauen, ist der unkontrollierte Straßenstrich.
Ein Polizist am Eingang kontrolliert ihre Ausweise, dann müssen sie Handys, Schlüsselringe und Feuerzeuge abgeben und schließlich noch einen laut piepsenden Metalldetektor passieren. Mit einem Kopfnicken gibt der Wächter den Weg frei, und die Männer trotten los, um sich eines der Bordelle in der Gasse auszusuchen.
Giraffenweg heißt die Gasse unterhalb vom Galata-Turm, in der schon seit osmanischen Zeiten der Sperrbezirk von Istanbul untergebracht ist. Zwischen zehn Uhr morgens und zehn Uhr abends werden hier täglich fünf- bis siebentausend Männer bedient. Für Außenstehende ist der Giraffenweg dennoch kaum als Rotlichtbezirk zu erkennen, denn strenge gesetzliche Auflagen verbieten es den Frauen in den Bordellen, sich am Fenster oder auf der Straße zu zeigen.
Umso bemerkenswerter war es, als sich die Frauen jetzt an die Öffentlichkeit wagten, um auf ihre Anliegen aufmerksam zu machen. Vermummt mit Kopftüchern, Schals und Sonnenbrillen, versammelten sich die Prostituierten vom Giraffenweg vor dem Absperrtor, um gegen die Schließung mehrerer Bordelle durch die Behörden zu protestieren.
"Da sind vor ein paar Tagen zwei Zivilpolizisten gekommen, haben sich mit einer Frau geeinigt, und dann behauptet, die Frauen hätten sie angesprochen. Das ist nämlich gegen die Vorschriften - die Sexarbeiterinnen dürfen die Freier nicht anwerben. Unter diesem Vorwand sind nun sechs Bordelle geschlossen worden."
Prostitution ist in der Türkei zwar schon seit den 1930er-Jahren erlaubt, soweit sie in behördlich genehmigten und kontrollierten Bordellen betrieben wird. Die Auflagen sind aber streng: kein Alkohol, keine Anwerbung und allerlei andere Vorschriften. Darum gehe es bei den Bordellschließungen aber gar nicht, kritisierten die Frauen in einer vor dem Tor verlesenen Protesterklärung:
"Seit einem Jahr wird hier ein Haus nach dem anderen willkürlich geschlossen, gegen alle Regeln und Vorschriften. Das zwingt Hunderte Sexarbeiterinnen wie uns in die illegale Prostitution auf der Straße."
Rund 50 Bordelle gab es am Giraffenweg noch in den 90er-Jahren, als eine armenische Puffmutter namens Matild Matukyan regelmäßig zur Rekordsteuerzahlerin der Türkei gekürt wurde. Doch nach den jüngsten Schließungen sind hier nur noch elf Bordelle offen. Anderswo im Land sieht es ähnlich aus. In Ankara wurde im vergangenen Sommer der komplette Sperrbezirk abgerissen, um Platz für einen Stadtpark zu machen. Und in Antalya musste das Bordell schließen, als nebenan eine Moschee gebaut wurde. Zwar stellt die Regierung die legale Prostitution nicht offen infrage. Doch die reihenweise Schließung von Bordellen unter verschiedenen Vorwänden habe Methode, glaubt die Aktivistin Sevval Kilic vom Verein Frauentor, der sich für die Belange der Sexarbeiterinnen einsetzt:
"Die Behörden glauben, die Prostitution würde aufhören, wenn sie die Bordelle schließen. Das ist ein Trugschluss. Wenn die Bordelle schließen, werden die dort beschäftigten Frauen nur gezwungen, unterzutauchen und ihr Gewerbe schutzlos auf finsteren Gassen auszuüben. Und die Gewaltverbrechen gegen Frauen werden ansteigen."
Auch die öffentliche Gesundheit werde durch die Schließungen gefährdet, warnen Sexualmediziner. Denn die legalen Sexarbeiterinnen in den Bordellen unterliegen, anders als illegale Straßenmädchen, strengen hygienischen Vorschriften und regelmäßigen Gesundheitskontrollen durch die Behörden. Das Bordellsystem nutze beiden Seiten, argumentiert Sevval Kilic:
"Die Bordelle sind sowohl bei der Bevölkerung sehr beliebt, weil sie offizielle, behördlich kontrollierte Bordelle sind, als auch bei den Frauen. Von den 100.000 illegalen Prostituierten auf den Straßen dieses Landes haben 40.000 die Zulassung ins Bordell beantragt, weil sie sich eben nicht auf der Straße mit Psychopathen und Polizisten herumschlagen wollen."
Neue Zulassungen als Prostituierte würden aber schon seit Jahren nicht mehr bewilligt, kritisiert der Verein. Im Ergebnis steigt das Durchschnittsalter der rund dreieinhalbtausend legalen Prostituierten in den 52 Sperrbezirken des Landes, die Attraktivität der staatlich kontrollierten Bordelle nimmt weiter ab. Was bleibt, für Freier wie Frauen, ist der unkontrollierte Straßenstrich.