Dienstag, 23. April 2024

Archiv


Der Ursprung der Londoner U-Bahn

Die Londoner "Tube" transportiert jedes Jahr eine Milliarde Menschen. Ihr Ursprung ist die Metropolitan Line zwischen Paddington Station nach Farringdon Street über Kings Cross. Am 10. Januar 1863 wurde sie eröffnet.

Von Ruth Rach | 10.01.2013
    "The next station is ... "

    Sie transportiert jedes Jahr mehr als eine Milliarde Menschen über ein Streckennetz von 403 Kilometern, das entspricht 90 Mondreisen im Jahr. London Underground, die größte und älteste U-Bahn Europas. Ihre Geschichte begann mit dem viktorianischen Pionier Charles Pearson. Er träumte Mitte des 19. Jahrhunderts von Dampflokomotiven, die auf unterirdischen Trassen durch die Stadt rollen. Eine verrückte Idee, befand die Tageszeitung "The Times". Wer wolle schon in dunkle Schächte absteigen, von Ratten umwimmelt, von Abwässern angespritzt und von giftigen Dämpfen umnebelt?

    Aber das Parlament in London gab sein Placet: Die Metropole platzte aus allen Nähten. Am 10. Januar 1863 wurde die Metropolitan Line eröffnet, von privater Hand finanziert: eine Unterpflasterbahn, bis zu fünf Meter tief, nach oben abgedeckelt.

    Ihre Route ging erst einmal nur ein paar Kilometer, von Paddington Station nach Farringdon Street über Kings Cross, erzählt Annie, "The Mole", U-Bahn-Fan und Webmeisterin der Kult-Webseite 'goingunderground':

    "Die ersten U-Bahnabteile waren wie Viehwagen, ohne Dach. Wenn die Leute ausstiegen, mussten sie sich erst mal den Ruß aus den Lungen husten. Sie waren schwarz wie Schornsteinfeger."

    Dennoch hatte die Metropolitan Line schon bei ihrer Jungfernfahrt rund 30.000 Passagiere. Nicht dabei war allerdings Premierminister Lord Palmerston. Er stand kurz vor dem 80. Geburtstag und meinte, er wolle die restliche Zeit seines Lebens lieber über der Erde verbringen. Die Luft war so schlecht, dass der Rat an U-Bahn-Fahrer erging, sich einen Bart wachsen zu lassen, um die schlimmsten Rauchpartikel herauszufiltern. Aber auch die ersten überdachten U-Bahnwagen hatten es in sich, sagt Annie "The Mole".

    "Sie hießen 'Gummizellen'. Sie hatten hohe gepolsterte Sitze und keinerlei Fenster, sondern nur ganz oben unter der Decke schmale Sehschlitze, damit die Passagiere überhaupt wussten, wo sie waren. Die Haltestellen wurden in derart breitem Slang ausgerufen, dass sie nur von Cockneys verstanden wurden."

    Heute gibt es in London elf U-Bahn-Linien, alle längst elektrifiziert. Die meisten sind nach der neueren Tunnelmethode konstruiert. Sie haben einen sehr viel kleineren Durchmesser und liegen bis zu 50 Meter tief. Deshalb der Name Namen "Tube" – wörtlich übersetzt Röhre.

    Klingt klaustrophobisch, aber die Londoner U-Bahn ist ein sehr sicheres Verkehrsmittel, sagt Jo de Bank: Sie arbeitete jahrelang für Travel Watch – den Interessenverband für öffentliche Verkehrsteilnehmer in London.

    "Die Tube ist erstaunlich, wenn man bedenkt, dass manche Teile 150 Jahre alt sind, wie viele Passagiere jeden Tag transportiert werden und wie tief manche Tunnel liegen – viel tiefer als die meisten anderen U-Bahnen."
    Nach dem islamistischen Sprengstoffanschlag im Juli 2005 ging die Zahl der U-Bahn-Passagiere deutlich zurück, erzählt Jo de Bank. Allerdings nur vorübergehend. Die größte Sorge der Fahrgäste gelte nicht ihrer persönlichen Sicherheit, sondern den hohen Fahrpreisen, den Verzögerungen, der Überfüllung.

    Will Hopper, globaler Wirtschaftsexperte mit Tube-Langzeiterfahrung, wohnt an der Northern Line, jahrelang wegen ihrer vielen Pannen auch als "Misery Line" bekannt.

    "Was mich besonders amüsiert, sind die täglichen Durchsagen, dass der Betrieb ohne Störungen verläuft. Die Londoner U-Bahn ist die einzige auf der Welt, die derartige Verlautbarungen für nötig hält."

    Entgegen aller Prognosen funktionierte die Londoner U-Bahn während der Olympischen Sommerspiele 2012 wie am Schnürchen. Selbst der Bürgermeister von London, Boris Johnson, war überrascht. Vielleicht lag es auch daran, dass viele Londoner seiner Aufforderung folgten, die Tube während der Spiele lieber ganz zu meiden, um sie ja nicht zu überlasten.