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Der Ursprung des deutschen Weinexports

Am 8. September 2008 feiert die Firma Valckenberg, das älteste familiengeführte Weinexporthaus Deutschlands, ein seltenes Jubiläum: Vor 200 Jahren kaufte Firmengründer Peter Josef Valckenberg in Worms den Weinberg "In den Liebfraumilchgärten". Bis heute eine Spitzenlage. Der historische Weinberg ist aber auch der Namensgeber für "Liebfraumilch" und damit den süßen und billigen Exportwein, der im Ausland den Ruf des deutschen Weines über viele Jahre ruiniert hat. So lebt auch das Weinhandelshaus Valckenberg bis heute den Spagat: Einerseits exportiert es weiterhin den Liebfraumilch-Wein, gleichzeitig hat sich Valckenberg aber auch dem Spitzenwein verschrieben.

Von Theo Geers |
    "Jetzt sind wir hier in meinem Privatkellerchen, ganz unten sozusagen, da sind die Spätlesen, Steinberger, Marcobrunner - so habe ich das sortiert."

    Die private Weinschatzkammer von Wilhelm Steifensand ist gut sortiert. Der Weinliebhaber führt in 7. Generation das Weinhandelshaus P.J. Valckenberg in Worms. Und auch dort führt Wilhelm Steifensand durch ein Weinlager, das gut sortiert ist.

    "Wir haben auch deutsche Weine im Angebot, hier sehen sie Robert Weil aus dem Rheingau, Bassermann-Jordan aus der Pfalz, und so reiht sich hier eine Palette nach der anderen."

    Der Weinhandel war und ist das wichtigste Standbein des 222 Jahre alten Traditionsunternehmens. Noch mehr Herzblut hängt jedoch an dem Weinberg, von dem Firmengründer Peter Joseph Valckenberg vor genau 200 Jahren die erste Parzelle ersteigerte und den die Familie über all die Jahre zu 90 Prozent in ihren Besitz brachte: dem Liebfrauenstift-Kirchenstück rund um die Wormser Liebfrauenkirche. Heute bedrängen hässliche Häuser und Lagerhallen gleich von drei Seiten die grüne Oase nördlich der Wormser Altstadt, im Osten schneidet die viel befahrene B 9 den von einer Mauer geschützten Weinberg sogar vom Rhein ab. Und doch ist diese Lage etwas Besonderes:

    "Dieser Weinberg ist der Ursprung des deutschen Weinexports."

    Das kann eben nur Wilhelm Steifensand sagen. Seit 2001 macht er mit wachsendem Erfolg das Wormser Liebfrauenstift-Kirchenstück wieder zu dem, was es eigentlich schon immer war: Eine Spitzenlage in Rheinhessen, die zudem deutsche Weingeschichte geschrieben hat. Im Positiven wie im Negativen.

    "Der guote win, den besten, den man kunde vinden umben Rin..."

    ...hieß es schon im Nibelungenlied über den Wein aus Worms. Wein, der später im Mittelalter die Pilger verzückte, weil er ...

    "...so süß schmecke wie die Milch unserer lieben Frau..."

    ...was wiederum der Ursprung des Namens "Liebfraumilch" ist. Das aber ist seit Jahrzehnten eine Weinmarke, bei der jeder Weinkenner heute nur noch zusammenzuckt. Schließlich gilt diese ...

    "...süße Plörre ... "

    ... schlechthin als ...

    "...Synonym für billige Massenware und schlechten Geschmack."

    Das aber war nicht immer so. Als Valckenberg vor zweihundert Jahren begann, seinen Wein in alle Welt zu exportieren und damit den Grundstock für das heutige Handelshaus legte, da stimmte die Story: Karl Baedeker hatte gerade seine ersten Reiseführer gedruckt und die Kunde von der Rheinromantik, der Loreley, dem Wein und natürlich auch die Geschichte von der Liebfraumilch vor allem in England verbreitet. Die Liebfraumilch aus Worms wurde zum Kultwein, der Wein war begehrt und teurer als die großen Gewächse aus Bordeaux, erzählt Wilhelm Steifensand:

    "Auf diesen Zug sind schon Mitte des 19. Jahrhunderts andere drauf gesprungen, also Weinhändler, die Weine im südlichen Rheinhessen aufgekauft haben, und die haben diese Weine als Liebfraumilch verkauft, obwohl die Original Liebfraumilch nur aus Worms kam."

    Darum scherten sich die Nachahmer aber wenig. 1909 brachen dann erneut die Dämme: Liebfraumilch wurde zum Typenwein deklariert, den viele unter diesem Namen verkaufen durften und der vor allem eins sein musste: süß. Mit dem Valckenberg'schen Weinberg in Worms hatte das ganze schon lange nichts mehr zu tun. Auf seinen Tiefpunkt steuerte das Geschäft mit der Liebfraumilch aber erst nach dem zweiten Weltkrieg zu, als das Motto an die Winzer lautete:

    "Reißt Eure Rübenäcker raus, produziert so viel Wein wie es nur geht, egal wie er schmeckt, wir werden ihn los, die Nachfrage ist enorm."

    Als Brot- und Buttergeschäft verkauft das Handelshaus immer noch jährlich rund 800 000 Flaschen Liebfraumilch unter der Hausmarke "Madonna" nach Japan, wobei der süße Wein für den Export bei Winzern im Wormser Hinterland aufgekauft und dann verschnitten wird. Und Wilhelm Steifensand steht zu seiner Liebfraumilch, trotz des schlechten Rufs unter Weinliebhabern:

    "Das ist der Steigbügelhalter für Millionen von Menschen in der Welt, die nie Wein getrunken haben und irgendwo mal anfangen wollten. Was ich Funktionären vorwerfe, ist: Keiner hat gesagt, "Ja, Liebfraumilch ist ja ganz nett, aber wir haben ja auch Erzeugerabfüllungen und tolle Lagen und phantastische Qualitäten.""

    Auf dem Weg dahin ist inzwischen auch wieder die Original-Liebfraumilch, also das "Wormser Liebfrauenstift-Kirchenstück", das Valckenberg inzwischen zu 90 Prozent besitzt. 85.000 Flaschen setzt Valckenberg von diesem eigenen Wein jährlich ab. Und er passt ins Firmenkonzept. Denn Valckenberg definiert sich nicht mehr als Exporteur der verrufenen Liebfraumilch. Vor allem seitdem der deutsche Riesling im Ausland heiß begehrt ist, besinnt sich Wilhelm Steifensand 222 Jahre nach Firmengründung auf die Wurzeln und die Kernkompetenz von Valckenberg in Worms: den Export von deutschem Spitzenweinen.

    "Ich möchte die Quelle werden für deutsche Spitzenweine im Ausland. Das ist auch bisher 75 Prozent unseres Geschäftes, unser Umsatz findet zu 75 Prozent im Ausland statt. Dort möchte ich im Marketing deutscher Spitzenweingüter führend werden, ich gehöre schon zu den führenden, aber ich will das ausbauen, und ich möchte für die nächsten 10 Jahre, bevor ich in Ruhestand gehe, China für Valckenberg und für deutsche Weine gewinnen."