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Der Vater der Kunstgeschichte

Giorgio Vasari schuf als Maler und Architekt Fresken für Paläste und Kirchen in ganz Italien. Er stand im Dienste der Medici. Er gilt als Begründer der modernen Kunsthistoriografie und verfasste die "Vite".

Von Anette Schneider | 30.07.2011
    Es geschah 1546 in Rom: Wie so oft hatten sich im Palast des mächtigen Kardinals Allessandro Farnese zahlreiche Humanisten, Dichter und Gelehrte versammelt, um miteinander zu speisen und zu disputieren. Als Bischof Paolo Giovio erzählte, er wolle seiner großen Kunstsammlung eine Abhandlung über die einzelnen Maler hinzufügen, wandte sich der Kardinal an Giorgio Vasari:

    "Was sagt Ihr, Giorgio, wird das nicht ein schönes Werk und eine schöne Arbeit sein?"

    Der 35-jährige Maler zögerte. Wie er später in seiner Autobiografie notierte, hatte er in der Rede Giovios zahlreiche Verwechslungen von Künstlern und Werken bemerkt.
    So antwortete er:

    "Gewiss, erlauchter Herr, ... vorausgesetzt, dass ein Kunstexperte Herrn Giovio hilft, so dass jedem Ding sein Platz angewiesen und alles richtig dargestellt wird."

    Damit war die Idee zu den "Vite" geboren. Und die Versammelten waren sich einig: Verfassen sollte sie der einzige Maler unter ihnen - Giorgio Vasari.
    Vasari wurde am 30. Juli 1511 in einer wohlhabenden Familie in Arezzo geboren. Früh kam der künstlerisch begabte Junge an den Hof der Medici nach Florenz, wo er eine humanistische Ausbildung erhielt - und erste Aufträge. Schnell hatte er Erfolg, arbeitete in Bologna, Venedig, Neapel und Rimini. Bevor er sich dann ganz in den Dienst der Medici stellte, für die er unter anderem die Uffizien entwarf, entstanden die "Vite".

    "[Ich habe mich] Mit großer Anstrengung, ganzer Hingabe und großen Unannehmlichkeiten im Laufe von zehn Jahren in ganz Italien sorgfältig die Gewohnheiten, die Gräber und die Werke der Künstler herauszufinden bemüht, deren Leben ich beschrieben habe."

    Notierte er in der Einleitung der "Vite", den ...

    Lebensbeschreibungen der ausgezeichnetsten italienischen Baumeister, Maler und Bildhauer von Cimabue bis in unsere Zeit, in toskanischer Sprache von Giorgio Vasari, Maler aus Arezzo, geschrieben, mit einer hilfreichen und nützlichen Einführung in ihre Kunst.

    Als die "Vite" 1550 erschienen, war jedem gelehrten Zeitgenossen sofort das großartige Neue der Veröffentlichung bewusst: 922 Seiten umfassend, waren die zwei Bände weder Nachschlagewerk, noch eine bloße Ansammlung von Biografien. Vielmehr stellten sie anhand ausgewählter Künstler die Entwicklung der italienischen Kunst dar, vom 13. Jahrhundert bis zur Zeit ihres Erscheinens. Die "Vite" waren die erste Abhandlung über Kunstgeschichte.

    Deshalb scheint es mir, ...

    schrieb Vasari in seiner Widmung an Cosimo Medici ...
    Deshalb scheint es mir, es werde Euch die Mühe wohl gefallen, welche ich angewandt habe, die Lebensereignisse, Arbeiten, Verfahrensweisen und Verhältnisse all derer aufzuzeichnen, welche jene einst erloschenen Künste zuerst wieder erweckt, darauf allmählich vervollkommnet und bereichert, und endlich zu der Stufe der Herrlichkeit und Hoheit gebracht haben, zu welcher sie in unseren Tagen gelangt ist.

    Vasari stellte Künstler aus ganz Italien vor. Er erzählte ihre Biografien, beschrieb und bewertete einzelne Werke, gab an, wo sie zu sehen waren, blickte auf die jeweilige gesellschaftliche Situation, nannte Herrscher und Auftraggeber. Und er betonte die jeweiligen Leistungen der Künstler.

    "Filippo (Lippi) war so voll Anlagen, so reich an Erfindung in der Malerei ... dass er der erste genannt werden muss, der den modernen Malern die neue Methode zeigte, den Kleidungen Mannigfaltigkeit zu geben und die Gestalten durch antik geschürzte Gewänder gefällig zu verschönen.

    Das Werk des Humanisten Vasari war Ausdruck seiner Zeit: Der umwälzenden Epoche der Renaissance, in der erstmals nicht mehr Gott im Mittelpunkt der Betrachtung stand, sondern der Mensch. Und dessen Entwicklung:

    Beachtenswert ist überdies, dass die Künstler unseres Jahrhunderts, welches den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht hat, nicht auf dem Punkte stehen würden, welchen sie behaupten, wären jene nicht vor uns das gewesen, was sie waren.

    Für sein gewaltiges Projekt erhielt Vasari Unterstützung von zahlreichen Gelehrten und Freunden. In ganz Italien stellten sie Nachforschungen an, schickten Vasari Berichte und Überlieferungen, Skizzen und Stiche, Anekdoten und Legenden, die dieser sichtete, mit seinem Material verglich und verarbeitete ...

    Angespornt durch edlen Zorn darüber, dass so große Vortrefflichkeit so lange Zeit hindurch und auch jetzt noch im Verborgenen geblieben ist.