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Der vergessene Krieg

5,4 Millionen Tote seit 1996 - das ist die vorläufige Bilanz des Kongokrieges. Doch obwohl es seit 2003 offiziell ein Friedensabkommen gibt, geht der Krieg im Osten des Landes weiter, brutaler als zuvor.

Von Bettina Rühl |
    Traumatherapie in einem Krankenhaus in Bukavu, einer Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Greisinnen, Mädchen und erwachsene Frauen stehen nebeneinander und ahmen Tierstimmen nach. Sie alle wurden mit unglaublicher Brutalität vergewaltigt, haben mit viel Glück überlebt und sich dann in dieses Krankenhaus schleppen können - trotz der schweren Verletzungen und trotz der kaum passierbaren Straßen und Wege. Das Krankenhaus ist eines von wenigen im Land, in dem Hilfesuchende, vor allem aber diese vergewaltigten Frauen Aufnahme finden. Hier wird ihnen mit Respekt begegnet, sie leben sie in einem ruhigen, geschützten Raum, bewegen sich wie selbstverständlich auf dem weitläufigen Gelände und in den verschiedenen Gebäudeteilen. Dass sie überhaupt wieder ihre Stimme erheben und sich auf die lautstarke Spielerei einlassen, ist bereits ein therapeutischer Erfolg.
    Viele der Frauen werden schon seit Jahren in diesem Krankenhaus behandelt: In mehreren Operationen versuchen die Chirurgen, im Unterleib der Frauen überhaupt noch etwas wiederherzustellen. Denis Mukwege Mukengere, Gynäkologe und medizinischer Direktor des Krankenhauses, hat seit Ende der 90er-Jahre Tausende von Frauen operiert.

    "Ich glaube, dass diese Formen sexueller Gewalt hier Teil einer Kriegsstrategie sind – und nicht nur eine Kriegswaffe. Denn die Täter verfolgen ganz offensichtlich ein Ziel. Meistens fallen mehrere Männer über eine Frau her. Wenn sie mit den – oft öffentlichen – Vergewaltigungen fertig sind, schließen sie das Ganze damit ab, dass sie Bajonette, Stöcke, Glasscherben oder andere Gegenstände einführen. Oder sie verbrennen die Frauen im Intimbereich mit heißem Plastik. Oder sie schießen der Frau in die Vagina."
    Anfangs hat der Arzt die schwersten Verletzungen durch Fotos dokumentiert, um eines Tages Beweise für mögliche Prozesse zu haben. Doch er musste schon nach kurzer Zeit damit aufhören: Er konnte den Anblick der Verletzungen – auf Fotos gebannt - nicht länger ertragen. Anders ist das nur, wenn er operiert. Dann ist er Chirurg und muss sich bei seiner Arbeit so stark konzentrieren, dass er nüchtern wird und distanziert.

    "Ich erkläre mir das mittlerweile so: Die Täter wollen nicht nur diejenigen auslöschen, die heute leben, sie wollen auch die Fähigkeit eines Volkes zerstören, sich fortzupflanzen und damit weiterzuleben. Deshalb ist das viel schlimmer, als die Männer zu töten. Denn so, wie sie vorgehen, lassen sie die Menschen auf sehr intelligente Weise verschwinden: Es gibt keine Leichenberge, keine Beweise. Deshalb ist das wirklich eine satanische Methode, denn welche Frau wird schon die Röcke heben und zeigen, was ihr angetan wurde? Stattdessen sterben die Frauen langsam und still vor sich hin, entweder an Aids oder an anderen Geschlechtskrankheiten. Diejenigen aber, die überleben, haben keine Geschlechtsorgane mehr."
    5,4 Millionen Tote – das ist einer Untersuchung zufolge die vorläufige Bilanz des Kongokrieges, der 1996 begann. Die Untersuchung stammt von einer US-amerikanischen humanitären Organisation, dem "International Rescue Comitee". 5,4 Millionen Tote bislang, und die Zahl der Toten steigt weiter – obwohl es seit 2003 offiziell ein Friedensabkommen gibt. Doch im Osten des Landes geht der Krieg weiter, brutaler als zuvor.

    Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sterben dort jeden Tag 1200 Menschen einzig an den Folgen des Krieges: sie verhungern, sterben an vermeidbaren Krankheiten oder den Folgen sexueller Gewalt. Wie die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" berichtet, sind die meisten Täter Soldaten der kongolesischen Armee. Die Übrigen gehören zu den zahlreichen Milizen, die im Kongo gegeneinander, gegen die Armee – und gegen die Bevölkerung kämpfen.

    "Die Sicherheitslage im Osten ist heute vermutlich noch schlimmer als während des offiziellen Krieges, der von 98 bis 2002 gedauert hat."
    Denis Tull von der "Stiftung Wissenschaft und Politik" in Berlin forscht zum Kongo.

    "Es gibt absolut keine Instanz mehr, die die Bevölkerung schützt. Es gibt keine Vorhersehbarkeit mehr in diesen Gebieten. Die kongolesische Armee, ungeachtet mal ihrer geringen militärischen Fähigkeiten, ist einfach ein Sammelsurium an Gruppen, die heutzutage wie Wegelagerer daher kommen, die von der Regierung nicht unterstützt werden, es gibt keine logistische Unterstützung, es gibt keine medizinische Versorgung – diese Truppen leben auf dem Rücken der Bevölkerung - und zwischen all diesen Fronten befindet sich dann noch die Friedensmission der Vereinten Nationen, die aufgrund ihrer relativ geringen Truppenstärke, aber auch mangels Helikoptern nicht dazu in der Lage ist, einen zentralen Pfeiler ihres Mandats wahrzunehmen, nämlich den Schutz der Zivilbevölkerung zu leisten."
    Als erste hochrangige Politikerin fand US-Außenministerin Hillary Clinton dafür offene Worte: Bei ihrem Kongobesuch verlangte sie kürzlich von Präsident Joseph Kabila, er dürfe die Massenvergewaltigungen im Osten des Landes nicht länger hinnehmen: Die Täter müssten verfolgt und vor Gericht gestellt werden. Doch selbst diese – an sich richtige Forderung – geht an den Realitäten im Kongo vorbei.

    "Es gibt die Fassade eines Rechtswesens, es gibt natürlich Gesetzesbücher, Gerichte etc. – alles was dazugehört, ist auch im Kongo vorhanden. De facto ist die Situation eine andere: Es gibt keine funktionierende Rechtsstaatlichkeit, die Menschen, die sich noch an die staatlichen Gerichte wenden, befinden sich in einem regelrechten Wettlauf oder in einer Art von Auktion, das heißt also im Falle von zivilrechtlichen Streitigkeiten werden die Richter von beiden Seiten massiv bestochen, in der Hoffnung, dass dann das Urteil zu ihren Gunsten ausfällt – das ist die Realität im Kongo. Das bedeutet nicht, dass es nicht hier und da noch integre Richter gibt, aber das Gesamtbild ist eben sehr desolat."
    Hinzu kommt der Unwille des Staates, Mitglieder der eigenen Armee zu belangen – trotz aller gegenteiligen Verlautbarungen. Außerdem gibt es logistische Schwierigkeiten: Ermittler haben für ihre Arbeit weder Fahrzeuge noch Sprit, mit ziemlicher Sicherheit keinen Computer, im Einzelfall nicht einmal einen Tisch, einen Stuhl oder auch nur einen Kugelschreiber und Papier. Die meisten Straßen sind unpassierbar, und mangels Zeuginnenschutz wagt kaum eine Frau, gegen Milizionäre oder Soldaten vor Gericht zu gehen. Wohl auch deshalb verüben alle bewaffneten Gruppen im Osten des Landes auch weiterhin Kriegsverbrechen.

    Durch eine Militäroffensive hat sich die Lage in den vergangenen Monaten sogar noch deutlich verschärft: Im Januar haben Regierungstruppen gemeinsam mit Einheiten des benachbarten Ruandas eine Großoffensive gestartet. Das Ziel: Die Miliz "Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas", kurz FDLR, zu zerschlagen. Viele der FDLR-Milizionäre gehören zu denen, die sich des Völkermordes an den ruandischen Tutsi im Jahr 1994 schuldig gemacht haben. Damals wurden binnen weniger Wochen rund 800.000 Menschen ermordet: Tutsi und gemäßigte Hutu. Anschließend flohen die Täter über die Grenze in den Kongo und halten sich dort bis heute verschanzt. Sie überfallen Dörfer, plündern, brandschatzen, vergewaltigen und morden grausam. Außerdem versuchen die radikalen Hutu, das benachbarte Ruanda vom Kongo aus zurückzuerobern. Dem wollen die kongolesische und ruandische Regierung durch ihre jüngste Militäraktion ein Ende machen. Offiziell ist die Aktion ein Erfolg.

    "Das ist Politik. In der Politik entwickeln sich die Dinge anders als vor Ort. Wer in die Dörfer fährt, sieht, dass die Menschen noch immer vertrieben werden."
    Jackson Basikany leitet eine kongolesische Hilfsorganisation, die im Osten des Landes arbeitet. In einem Dorf verteilen seine Mitarbeiter gerade, was die Überlebenden der jüngsten Gewaltwelle am Nötigsten brauchen: Reis und Bohnen, Wasserkanister, Tassen und Teller, Feldhacken, Wolldecken, Kleidung und andere Haushaltsgegen-stände. Bezahlt wurden die Hilfspakte von der deutschen Diakonie Katastrophenhilfe. Ein paar tausend Menschen stehen in der Schlange und warten. Es ist schon später Nachmittag, die meisten sind seit dem frühen Morgen hier.

    "Vor zwei Tagen wurden nur 16 Kilometer von hier Dörfer abgebrannt und geplündert. Nur 16 Kilometer entfernt! Vor drei Tagen wurden mehr als 100 Häuser in Kanyabayonga in Brand gesetzt, die Bewohner vertrieben und ihr Besitz geplündert. Aus Sicht der Politiker entwickelt sich vielleicht alles prächtig. Wir sehen das anders. Wir sind vor Ort, wir helfen den Vertriebenen und leben mit ihnen. Wir wissen: Die Lage ist katastrophal. Wir sind ja noch nicht einmal hier in Sicherheit! Aber obwohl es gefährlich ist, müssen wir an der Seite der Vertriebenen bleiben und ihnen helfen."
    Die Mitarbeiter anderer Hilfsorganisationen berichten dasselbe: Seit Beginn der jüngsten Militäraktion hat sich die Lage weiter verschärft. Die Milizionäre ziehen sich für eine kurze Zeit einfach tiefer in die Wälder zurück und warten, bis die ruandischen und kongolesischen Militärs wieder weg sind. Anschließend nehmen sie ihre alten Stellungen wieder ein und fallen umso wütender über die Bevölkerung her.

    "Die Flucht ist für uns alle fast schon zur Routine geworden – ich selbst bin schon sieben Mal vertrieben worden! Entweder gab es Konflikte zwischen den kongolesischen Mayi-Mayi-Milizen und der FDLR oder zwischen der FDLR und der kongolesischen Armee. Zweimal bin ich in mein Heimatdorf Kibirizi zurückgekehrt, aber dann habe ich beschlossen, nicht mehr nach Hause zu gehen: Mein Haus wurde in Brand gesteckt, mein ganzer Besitz geplündert– es gibt für mich keinen Grund mehr, dorthin zu gehen. Und die Hütten meiner Nachbarn sind auch kaputt."
    Auch Joseph Maratob steht mit seiner Frau und seinen vier Kindern in der Schlange, um wieder einmal auf ein Hilfspaket zu warten. Die meisten Vertriebenen haben dieselben Erfahrungen gemacht wie er: Sie wurden von jedem Ort, der ihnen vermeintliche Sicherheit gab, erneut vertrieben. Allein in der Provinz Nord - Kivu sind derzeit Zehntausende Vertriebene unterwegs, viele von ihnen seit Jahren.

    Vom Staat bekommen sie keinerlei Hilfe: So wenig, wie die regulären Truppen mit dem zu tun haben, was im allgemeinen Verständnis als Regierungsarmee bezeichnet wird – so wenig ist die Demokratische Republik Kongo ein Staat im westlichen Sinne. Denis Tull:

    "Manche bezeichnen das als Schattenstaat, das heißt also: ein System, in dem die bürokratischen Strukturen nicht tonangebend sind, sondern Netzwerke privater Beziehungen die größte Rolle spielen, die die Inhaber staatlicher Ämter mit Interessengruppen, mit Klientelgruppen verbinden, und wenn dieses System zu weit getrieben wird, wenn zu viele Ressourcen von diesen Eliten verschlungen werden, ohne wieder in die Gesellschaft zurückzufließen, dann stellen diese Gruppen in der Gesellschaft ihre Loyalität ein."
    Die innere Auflösung des kongolesischen Staates begann bereits unter dem langjährigen Diktator Mobutu Sese Seko. Nur fünf Jahre nach der Unabhängigkeit der einst belgischen Kolonie putschte sich der Militär mithilfe der USA und Belgiens 1965 an die Macht. Mobutu war der uneheliche Sohn eines Kochs und von zweierlei krankhaft besessen: der Sucht nach Reichtum – und der Angst vor einem Putsch. Mobutu machte keinen Unterschied zwischen privaten und staatlichen Einnahmen. Er verpulverte unvorstellbare Summen: für seinen privaten Luxus, und um potenzielle Gegner zu kaufen. Das "Teile und Herrsche" war seine einzige Staatsräson; das Ziel seiner Herrschaft der ungehemmte Zugriff auf den Reichtum des Landes. So war der Kongo – den Mobutu in "Zaire" umbenannte - bald chronisch pleite, Gehälter wurden nicht mehr gezahlt, Kranke nicht mehr versorgt, Kinder konnten nicht mehr in die Schule gehen. In einer Rede, die sogar live im Fernsehen übertragen wurde, gab Mobutu der Bevölkerung folgenden Rat. Zitat:

    Nur zu, stehlt, was ihr braucht – so lange ihr nicht zu viel nehmt.
    Die politische und wirtschaftliche Elite, das Militär und jeder, der konnte, beherzigte diesen Rat. Anfang der 1990er-Jahre war vom Staat nur noch eine prunkvolle Fassade geblieben, das Gebäude dahinter längst kollabiert. Die Folgen hat die britische Journalistin Michela Wrong in ihrem Buch über Mobutus Aufstieg und Kongos Fall beispielhaft beschrieben – sie waren dramatisch, manchmal geradezu grotesk. Da heißt es über den Zustand der kongolesischen Armee schon Anfang der 90er-Jahre:

    Für das Verständnis dessen, was nun folgte, sind die gebremsten politischen Ambitionen der Generäle weniger bedeutsam als ihre kommerziellen Interessen. Besondere Chuzpe zeigten sie beim Verkauf der Waffenbestände des Landes. Gleichgültig, ob sie Mobutus Regime freundlich oder feindlich gesinnt waren, wurden Munition und Gewehre an die Guerillabewegungen verkauft, die ihre Stützpunkte an Zaires kaum geschützten Grenzen errichtet hatten. Obwohl es klare Anzeichen für eine drohende Rebellion gab, verkauften sie unbekümmert Waffen direkt an die AFDL, die sie schließlich aus der Gegend jagen sollte.
    Dieser Waffenhandel war einer von mehreren Gründen dafür, dass sich wenig später die Nachbarstaaten an dem Krieg in Zaire, das nach Mobutu wieder Kongo genannt wurde, beteiligten: Weil vom Ausverkauf der regierungseigenen Waffendepots auch die Rebellen im jeweils eigenen Land profitierten, griffen die Nachbarn Ruanda, Uganda und Angola in den letzten Tagen des Mobutu-Regimes ein. Ruanda wollte außerdem die Täter des Genozids von 1994 entwaffnen. 1996 marschierte eine von Ruanda hochgerüstete Rebellenarmee von der östlichen Landesgrenze durch den Regenwald quer über den Kontinent nach Kinshasa, Kongos Hauptstadt, und stürzte Mobutu 1997. 30 Jahre war er an der Macht gewesen – Staat und Armee waren längst so marode, dass es kaum eine Gegenwehr gab.

    "Seit sehr langer Zeit gibt es hier anstelle des Staates nur noch ein Vakuum. Trotzdem hat die ganze Welt jahrelang geglaubt, sie hätte es immer noch mit einem Staat zu tun."
    Alois Tegera ist Direktor des POLE-Instituts, eines renommierten Think-Tanks in der ostkongolesischen Stadt Goma.

    "Tatsächlich aber wird die Abwesenheit des Staates zu einem sehr ernsten Problem. Denn ein Staat hat die Aufgabe, die bestehenden Probleme zu lösen. Welches Problem aber haben wir? Seit den 60er-Jahren hat die Politik einige gesellschaftliche Gruppen auf Kosten anderer bevorzugt. Die Regierung hat damit die verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen gegeneinander aufgewiegelt, statt sich um den Ausgleich der unterschiedlichen Interessen zu bemühen. Dadurch hat der Staat seine Existenzberechtigung verloren. Die unweigerliche Folge ist das absolute Chaos – und genau das haben wir hier im Kongo."
    Die Internationale Gemeinschaft versucht seit Jahren, dieses Chaos zu beenden und den kongolesischen Zentralstaat zu stärken. Auch deutsche Einheiten waren im Rahmen einer EU-Mission 2006 an diesem Versuch beteiligt: Es ging um die militärische Absicherung der ersten freien Wahlen nach dem Sturz Mobutus. 500 deutsche Soldaten und knapp 300 Zivilisten wurden im Rahmen dieser Mission in den Kongo entsandt. Doch der aufwendige Einsatz sei völlig nutzlos gewesen, so Denis Tull von der "Stiftung Wissenschaft und Politik" in Berlin:

    "Wir haben im ganzen Land eine Situation, in der die Regierung für sich reklamiert, politisch legitimiert zu sein und damit einen politischen und wirtschaftlichen Monopolanspruch formuliert hat, überall die Opposition unterdrückt, Journalisten in Gefängnisse sperrt, die Justiz mit den Füßen tritt, sofern sie überhaupt noch vorhanden ist ... Und insofern sehe ich hier nicht, dass die sogenannte "Demokratisierung" zu einer Festigung des Friedensprozesses beigetragen hat. Dann gibt es das Problem, dass man glaubt, dass die relevanten politischen Gruppierungen vor Ort das Interesse der internationalen Gemeinschaft teilen, den Kongo zu stabilisieren, Reformen durchzuführen und das ist mit Sicherheit nicht der Fall."
    Wenn aber die Regierung und entscheidende politische Gruppierungen gar kein Interesse an der Stabilisierung ihres Landes haben, und wenn der Kongo als Staat im eigentlichen Sinne gar nicht existiert, dann ist die internationale Politik jahrelang von den falschen Vorraussetzungen ausgegangen, und tut das bis heute. Alle Interventionsversuche vonseiten der Internationalen Gemeinschaft waren und sind daher zum Scheitern verurteilt.

    Dass weder die Elite, noch die bewaffneten Gruppen im Kongo ein Interesse an der Stabilisierung ihres Landes haben, liegt nicht zuletzt an den reichen Bodenschätzen im Kongo: Neben Gold sind auf dem Weltmarkt derzeit vor allem Zinnerz und Coltan gefragt – beides wird für die Produktion von Handys und Laptops gebraucht. Doch es gibt auch Kupfer, Diamanten, Erdöl und etliche andere Schätze. Durch deren Verkauf finanzieren alle bewaffneten Gruppen ihren Krieg. Sie waren zwar nicht der Grund dafür, dass 1996 der Krieg im Kongo begann. Im Kern war das die Erosion des Staates unter Mobutu. Doch, einmal entfesselt, entwickelte der Krieg seine eigene Gesetzmäßigkeit: Er finanziert sich selbst, weil Militär und Milizen den Reichtum des Landes hemmungslos plündern. Jeden Tag. Und immer wieder neu.