Ein Autor sucht nach einem Titel für sein neues Stück und kann ihn im Wust der Informationen einer in den Wahnsinn abdriftenden globalisierten Welt so wenig finden wie im Gestrüpp seines deprimierenden Gefühlslebens. Wie der globale Finanzkapitalismus in unser Leben, unseren Körper und unsere Gefühle eingreift, hat Falk Richter und Anouk von Dijk bereits in ihrer vorangegangenen Arbeit "Trust" interessiert. Und auch jetzt, in der dritten gemeinsamen Arbeit, weist ein englischer Titel auf den Verlust kultureller Geborgenheiten: "Protect me" so lautet der Hilfeschrei der von ihrer Umwelt gebeutelten Kreatur:
"Ich bin genauso wie das was um mich herum passiert. Ich verhalte mich genau so irrational wie dieser Markt, der sich völlig unkalkulierbar und impulsiv gebärdet und dem man nicht über den Weg trauen kann wie einem psychisch schwer angeschlagenen Liebhaber, der mal depressiv herumliegt, dann hysterisch überreagiert und mit tonnenweise Geld beruhigt werden muss."
Der Markt als letzte Diva, als unberechenbares Wesen, dem wir unsere letzten Ersparnisse opfern müssen, der uns in eine ständige manisch-depressive Hysterie versetzt, der nur mit einer Flut von Psychopharmaka und einer Armada von Psychotrainern und Wellnessressorts beizukommen ist. Die Wut in sich abzutöten, und durch eine abgeklärte Gelassenheit zu ersetzen, das ist der neue zivilisatorische Aufruf an die abendländische Mittelschicht, die Richter und van Dijk hier auf den theatralischen Seziertisch gelegt haben. Falk Richter greift, etwa beim Sketch über das Wut-Beseitigungs-Training auf Tagebuchnotizen der letzten Jahre zurück, die er im Sommer des Jahres in Avignon unter dem Titel "My secred Garden" in französischer Sprache in einer kleinen Arbeit vorgestellt hatte. Es sind dieses Mal eben nicht nur abstrakte Figuren, die sich im Wirbel der globalen Lieblosigkeit verzweifelt nach Geborgenheit sehnen.
Es ist der Autor selbst, der entlang seiner bedrückenden Welterfahrung nach den familiären Wurzeln seines Leidens sucht. Kai Bartholomäus Schulze spielt diesen vierzigjährigen neurotischen Jungautor, der sich von seinem pflegebedürftigen Vater fragen lassen muss, wann er endlich etwas so erhebliches wie den hessischen Landboten schreiben werde. Und dabei wirkt der alte, verbrauchte Körper des Erhard Markgraf wie die einzige taugliche Protestmetapher in diesem Ensemble der schönen jungen Körper. Die Choreografin Anouk van Dijk treibt sie zu Elektrosounds in konvulsivische Explosionsgesten, lässt sie skeptisch die eigene Haut betasten wie eine fremd gewordene Substanz, steckt sie in einige verglasten Kästen in bedrückend chancenlose Versuche von Intimität. Gelegentlich hat diese Bildsprache etwas illustrierendes aber vor allem macht der auch hier wieder glückende Dialog von Text und Tanz deutlich, dass Richters Selbstverluste keine Kopfprobleme bleiben, sondern eine physische Dimension haben. Und Revolten, sollte es sie jemals wieder geben, werden, so wird hier spürbar, über den Körper ausgetragen.
Die Porno-Anarchistin, die Banker in den Beischlaf-Herzinfarkt treiben will, wäre eine der komisch-grotesken Protestvarianten, die Praktikantin, die den Chef mit den entwendeten Steuerunterlagen erpresst, eine andere. In einer ihrer hoch-komischen Tiraden hatte Judith Rosmair eine solche Praktikantin aufgefordert, für sie sämtliche privaten Termine zu erledigen, inklusive Friseurbesuch, Wellnesstermin und ehelichem Geschlechtsverkehr. Sie wird zu natürlich unbezahlten Höchstleistungen angetrieben bis sie, verkörpert von Luise Wolfram, in die verzweifelt herausgeschriene Selbstbehauptung "I am amazing" ausbricht.
Es sind solche schauspielerischen Soli, die in diesem "Protect me" über die Kälte der Welt und das Sterben der Herzen überzeugen. Auch wenn der Abend Kollagecharakter hat, Ansätze für viele Abende skizziert und nur durch eine fiktive Autorenfigur, die Auto-Fiktion des Falk Richter zusammengehalten wird. Bleibt nur zu fragen, wie die angestaute und nicht mehr wegtherapierbare Wut und das verzweifelte Kreiseln der verkrampften Körper wieder zu einem Motor der abendländischen Geschichte werden können.
"Ich bin genauso wie das was um mich herum passiert. Ich verhalte mich genau so irrational wie dieser Markt, der sich völlig unkalkulierbar und impulsiv gebärdet und dem man nicht über den Weg trauen kann wie einem psychisch schwer angeschlagenen Liebhaber, der mal depressiv herumliegt, dann hysterisch überreagiert und mit tonnenweise Geld beruhigt werden muss."
Der Markt als letzte Diva, als unberechenbares Wesen, dem wir unsere letzten Ersparnisse opfern müssen, der uns in eine ständige manisch-depressive Hysterie versetzt, der nur mit einer Flut von Psychopharmaka und einer Armada von Psychotrainern und Wellnessressorts beizukommen ist. Die Wut in sich abzutöten, und durch eine abgeklärte Gelassenheit zu ersetzen, das ist der neue zivilisatorische Aufruf an die abendländische Mittelschicht, die Richter und van Dijk hier auf den theatralischen Seziertisch gelegt haben. Falk Richter greift, etwa beim Sketch über das Wut-Beseitigungs-Training auf Tagebuchnotizen der letzten Jahre zurück, die er im Sommer des Jahres in Avignon unter dem Titel "My secred Garden" in französischer Sprache in einer kleinen Arbeit vorgestellt hatte. Es sind dieses Mal eben nicht nur abstrakte Figuren, die sich im Wirbel der globalen Lieblosigkeit verzweifelt nach Geborgenheit sehnen.
Es ist der Autor selbst, der entlang seiner bedrückenden Welterfahrung nach den familiären Wurzeln seines Leidens sucht. Kai Bartholomäus Schulze spielt diesen vierzigjährigen neurotischen Jungautor, der sich von seinem pflegebedürftigen Vater fragen lassen muss, wann er endlich etwas so erhebliches wie den hessischen Landboten schreiben werde. Und dabei wirkt der alte, verbrauchte Körper des Erhard Markgraf wie die einzige taugliche Protestmetapher in diesem Ensemble der schönen jungen Körper. Die Choreografin Anouk van Dijk treibt sie zu Elektrosounds in konvulsivische Explosionsgesten, lässt sie skeptisch die eigene Haut betasten wie eine fremd gewordene Substanz, steckt sie in einige verglasten Kästen in bedrückend chancenlose Versuche von Intimität. Gelegentlich hat diese Bildsprache etwas illustrierendes aber vor allem macht der auch hier wieder glückende Dialog von Text und Tanz deutlich, dass Richters Selbstverluste keine Kopfprobleme bleiben, sondern eine physische Dimension haben. Und Revolten, sollte es sie jemals wieder geben, werden, so wird hier spürbar, über den Körper ausgetragen.
Die Porno-Anarchistin, die Banker in den Beischlaf-Herzinfarkt treiben will, wäre eine der komisch-grotesken Protestvarianten, die Praktikantin, die den Chef mit den entwendeten Steuerunterlagen erpresst, eine andere. In einer ihrer hoch-komischen Tiraden hatte Judith Rosmair eine solche Praktikantin aufgefordert, für sie sämtliche privaten Termine zu erledigen, inklusive Friseurbesuch, Wellnesstermin und ehelichem Geschlechtsverkehr. Sie wird zu natürlich unbezahlten Höchstleistungen angetrieben bis sie, verkörpert von Luise Wolfram, in die verzweifelt herausgeschriene Selbstbehauptung "I am amazing" ausbricht.
Es sind solche schauspielerischen Soli, die in diesem "Protect me" über die Kälte der Welt und das Sterben der Herzen überzeugen. Auch wenn der Abend Kollagecharakter hat, Ansätze für viele Abende skizziert und nur durch eine fiktive Autorenfigur, die Auto-Fiktion des Falk Richter zusammengehalten wird. Bleibt nur zu fragen, wie die angestaute und nicht mehr wegtherapierbare Wut und das verzweifelte Kreiseln der verkrampften Körper wieder zu einem Motor der abendländischen Geschichte werden können.