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Der Wald der Zukunft

Biologie. - Die Klimaverschiebung stellt große Anforderungen an Europas Waldgebiete, zumal nur noch wenige echte Urwälder überhaupt bestehen. Während manche Experten die Natur ihren eigenen Weg finden lassen wollen, setzen andere eher auf Zucht und Artenimport.

Von Volker Mrasek |
    In der Haut eines Försters möchte man nicht unbedingt stecken. Zu wissen, welche Waldbäume er heute am besten anpflanzt, verlangt einen enormen Weitblick. Man nehme als Beispiel nur die Rotbuche und ihre Entwicklung. Sie verläuft in Super-Zeitlupe ...

    "Also, je nach Standort kann man sagen, dass die Erntereife zwischen 120 und 160 Jahren erreicht wird. Wenn man sich das ausrechnet, also 2150, 2160."

    Dann aber wird der Klimawandel in Europa viel weiter fortgeschritten sein als heute. Das ist auch Andreas Bolte bewusst, Forstwissenschaftler am Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Eberswalde bei Berlin:

    "Wenn wir eine Klimaerwärmung haben, die also eher an den oberen Grenzen der Szenarien liegt, also bis unter Umständen sechs Grad Temperaturerhöhung - dann ist sowieso die Frage in weiten Bereichen, inwieweit wir also Wald noch halten können. Da geht’s dann nicht nur um die Buche, sondern viele andere Arten auch."

    Bolte gehört zu den Wissenschaftlern, die bemüht sind herauszufinden, wie unser Wald in der Zukunft aussehen muss – in einer viel wärmeren Zukunft, mit längeren Dürren, stärkerer Sommerhitze und Phasen großer Wasserknappheit. Noch herrscht in Mitteleuropa die Rotbuche von Natur aus vor. Doch immer häufiger wird ein Schreckgespenst an die Wand gemalt: dass sie zu empfindlich auf Trockenstress reagiere und daher dem Untergang geweiht sei. Dem widersprach Forstwissenschaftler Bolte jetzt aber auf dem Bielefelder Workshop. Seine Arbeitsgruppe fand heraus, dass Buchen in Polen den Hitzesommer 2003 besser verkraftet hatten als ihre Artgenossen in Nord-Ost-Deutschland. Das heißt. Es gibt regionale Ökotypen, die offenbar gut an Hitze und Trockenheit angepasst sind. Und zwar dort, wo das Klima kontinentaler und damit auch heute schon wärmer ist ...

    "Das Ganze haben wir dann wiederholt in einem Experiment im Labor mit Saatgut aus den verschiedenen Bereichen, von den verschiedenen Herkünften. Und konnten das im Grunde eigentlich dort auch noch mal nachweisen, dass also die Buchen am Verbreitungsrand – sagen wir mal – sorgsamer mit knappen Wasser-Ressourcen umgehen."

    Könnte das also das Rezept sein? Sollte man die Buchenwälder Mitteleuropas mit Sämlingen aus dem wärmeren Osten verjüngen? Das müsse nun getestet werden, forderte Bolte jetzt in Bielefeld. Der Forstexperte plädierte dafür, so etwas wie Forschungswälder anzulegen, ...

    "... dass man also diese Buchen-Fremdherkünfte vielleicht nicht nur allein anbaut, sondern auch Mischungen mit lokalen Herkünften oder auch mit anderen Baumarten gemischt. Um einfach ’mal ein Gefühl dafür zu bekommen, wie diese Buchen reagieren auf das Klima. Ich denke, gerade das ist wichtig! Angesichts sozusagen des laufenden Klimawandels und wirklich der drängenden Zeit solche Räume bereitzustellen. Wirklich auf größeren Flächen von einigen zig Hektar, in verschiedenen Regionen beispielsweise in Deutschland oder auch in Europa. Ansonsten haben wir wirklich wenig Möglichkeiten dann auch in zehn, 15, 20 Jahren tatsächlich wertvolle Empfehlungen auch zu machen."

    Manche Waldexperten gehen sogar noch weiter. Zum Beispiel Pierre Ibisch, Professor für Naturschutz an der Fachhochschule Eberswalde:

    "So muss man eigentlich jetzt auch angesichts des Klimawandels zur Erkenntnis kommen: Es ist wichtig, größere Räume von Wald-Ökosystemen auch sich selbst zu überlassen, um sie zumindest als Referenzräume zu haben und auch als Laboratorien, in denen, ja, vielleicht ja auch Lösungen entwickelt werden, von denen dann die Forstleute lernen können."

    Derzeit arbeiten Experten aus den Bundesforschungsinstituten an einem forstwirtschaftlichen Konzept zur Anpassung an den Klimawandel. Im Auftrag der Bundesregierung. Unter den beteiligten Wissenschaftlern ist auch Andreas Bolte, der die Initiative jetzt in Bielefeld ausdrücklich begrüßte:

    "Die Risiken werden auf jeden Fall steigen. Das betrifft jetzt ja nicht nur Trockenheit. Das betrifft Sturm. Das betrifft Starkregenereignisse. Jeder Waldbesitzer, der Ertrag aus seinem Wald erwirtschaften will, wird natürlich zunehmend unruhiger schlafen."