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Der Wandel in der Heine-Rezeption

Der Retter des deutschen Witzes, der Respektlosigkeits-Champion und Lieblings-Liebes-Lyriker Heinrich Heine ist heute vor 150 Jahren in Paris gestorben, und alle Welt tut so, als habe sie ihren jüdischen Mitbürger immer schon verehrt und ans Herz gedrückt. Dabei hat sich die Heine-Rezeption stets gewandelt.

Von Michael Köhler | 17.02.2006
    "Nächster Halt: Heinrich Heine Allee / Altstadt. Ausstieg links. Zahlgrenze."

    Heinrich-Heine-Allee, Heinrich-Heine-Universität und jetzt noch ein Heine-Literaturzentrum in der Altstadt. Spät hat die Geburtsstadt des größten Lyrikers nach Goethe ihren Sohn entdeckt. Erst 1988 konnte sie sich endlich durchringen, die Uni nach ihm zu benennen.

    "Wenn sie sehen wie sich bei Benennungen und bei Denkmälern die Fraktionen aufgeteilt haben, daran sieht man wie weit es Heine mit seinem Bewusstsein von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit gebracht hat. "

    Joseph Kruse ist der scheidende langjährige Direktor des Heine-Instituts, das 1970 aus dem Heine-Archiv der Stadt und Landesbibliothek hervorging.

    Mehr als andere Dichter ist Heine in Dienst genommen worden.
    Über weite Strecken wurde er in den Sechziger und Siebziger Jahren als jungdeutscher Autor gelesen, der sich für alle Fragen der Emanzipation eingesetzt hatte

    "Es ist zweifellos so, dass durch die Studentenbewegung im Westen und vorausgehend durch die Rezeption Heines in der DDR es ein ganz anderes Bewusstsein gab, für eine politisch getönte Literaturbetrachtung. "

    Seit 1956 wurde an der Weimarer Säkularausgabe im Osten gearbeitet. Im Westen erschien 1968 die Münchner Briegleb-Ausgabe und die historisch-kritische Ausgabe, die Düsseldorfer Ausgabe, begann 1973 zu erscheinen. Heine wurde aber schon zu Beginn des Jahrhunderts in der Weimarer Republik geschätzt

    "Man kann bei der Rezeption Heines sicher von einer aufstrebenden Linie sprechen. Andererseits seine Herkunft als Jude und sein Schreiben von Paris aus über die Deutschen haben ihn dann natürlich in den nationalistischen Zeiten den größten Garaus machen wollen. "

    Es stimmt übrigens nicht, dass in deutschen Gedichtbüchern während der Nazizeit Heines Loreley-Gedicht "ich weiß nicht, was soll es bedeuten" zwar abgedruckt wurde, und darunter war die Zeile vermerkt: "Dichter unbekannt". Vielmehr hat man das Gedicht als jüdische Verskunst denunziert.

    Nach dem Krieg hat sich die Führung der DDR gern auf Heine bezogen. Der Erste Sekretär des Zentralkomitees der SED, Walter Ulbricht, zitiert Heine eigenwillig in den 1950er Jahren:

    "Der Traum des jungen Dichters des einstigen "Jungen Deutschland", Heinrich Heine, soll von dem jungen Deutschland unserer Tage zur Wirklichkeit gemacht werden: Ein neues Lied, ein besseres Lied, oh Freunde will ich euch dichten: Wir wollen hier auf Erden schon das Himmelreich errichten."

    Heine selber hat zärtliche Erinnerungen an sein Deutschland, ja seine Heimat am Rhein und die Geburtsstadt Düsseldorf, und an das stark geistlich geprägte Lyceum in der Karlstadt, das er besuchte.

    Mitte der Siebziger zog der Rezitator Lutz Görner übers Land und las Heine, aber auch der ausgebürgerte Liedermacher Wolf Biermann erinnerte an den jüdischen Exilanten Heine.


    "Und als ich an die Rheinbrück kam,
    Wohl an die Hafenschanze,
    Da sah ich fließen den Vater Rhein
    Im Stillen Mondenglanze"

    " Sei mir gegrüßt, mein Vater Rhein,
    Wie ist es dir ergangen?
    Ich habe oft an dich gedacht
    Mit Sehnsucht und Verlangen"

    Heine ist nicht nur der politische Autor, der deutsch-französische Feuilletonist. Er ist auch Sensualist, Romantiker und Gottsucher.

    Er ist der große Emanzipator, der Befreier und Streiter für irdische Rechte. Dazu zählt die Frauenfrage, die Gottesfrage und die Suppenfrage.


    "Die Wellenbewegung der heine'schen Anteilnahme ist gleichzeitig ein Spiegelbild für die demokratisierte deutsche Verfassung, also Verfassung in jedem Sinne."

    Heute erscheint uns selbstverständlich, dass der Zeichner und Karikaturist Robert Gernhardt nicht nur 2005 den Heine-Preis der Stadt Düsseldorf, sondern auch seine Heine-Vorlesung, hielt.

    Heines sinnliche Gedichte und sein Spott haben auch Gernhardts Körpergedichte beeinflusst.

    "Mein Körper ist ein schutzlos Ding, ein Glück, dass er mich hat. Ich hüll´ ihn in Tuch und Garn, mach ihn täglich satt. Mein Körper hat es gut bei mir, ich geb´ ihm Brot und Wein, er kriegt von beidem nie genug, nachher muss er spein.
    Mein Körper ist so unsozial, er tut mir manchmal weh, ich bring ihn trotzdem über´n Berg und fahr ihn an die See.
    Mein Körper….tadadadada….
    Ich rede, er bleibt stumm, ich leb´ ein Leben lang für ihn,
    er bringt mich langsam um. "