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Der Wandlander aus Kalifornien

Robotik. - Dass ein Flugzeug auf einer senkrechten Wand landen kann, hat man bislang allenfalls in Science-Fiction-Filmen gesehen. Doch Ingenieure der kalifornischen Stanford-Universität haben die Vision nun zur Realität werden lassen.

Von Frank Grotelüschen | 26.05.2010
    Das Video zeigt die Wand einer Garage. Plötzlich kommt von rechts ein Modellflugzeug ins Bild und fliegt genau auf die Wand zu. Eigentlich rechnet man fest damit, dass das Ding mit Karacho gegen den Beton kracht. Stattdessen richtet sich der Flieger ein paar Meter vor der Garage auf, bremst ab, landet an der Wand und bleibt zur Verblüffung des Betrachters drankleben wie eine Fliege. Das wundersame Ding kommt aus den Labors der kalifornischen Stanford-Universität, entwickelt von einem jungen Ingenieur namens Alexis Lussier Desbiens:

    "Es ist ein Modellflugzeug mit einer Spannweite von knapp einem Meter. Angetrieben wird es durch einen Elektromotor. Wir haben den Flieger mit zwei dünnen, elastischen Beinen versehen, und an jedem dieser Beine stecken drei mechanische Krallen. Mit diesen Krallen kann sich der Flieger sehr gut an kleinen Löchern oder Vorsprüngen in einer Wand festhalten."

    Wie eine Katze kann der Flugroboter seine Krallen ausfahren, um sich in der Wand zu verhaken. Zuvor aber muss er es schaffen, mit den Beinen voran an der Wand zu landen. Um das hinzubekommen, haben ihn die Forscher mit einem speziellen Sensor ausgestattet.

    "Es ist ein Ultraschallsensor. Unser Roboter orientiert sich also wie eine Fledermaus: Er sendet kurze Ultraschallsignale aus, fängt die Echos auf und berechnet daraus den Abstand zur Wand. Ein kleiner Prozessor an Bord des Fliegers sorgt dann dafür, dass sich das Flugzeug etwa fünf Meter vor der Wand senkrecht aufrichtet. Der Luftwiderstand bremst das Flugzeug ab, sodass es an der Wand landen und seine Krallen ausfahren kann."

    Nachdem er dann eine Weile lang an der Wand verharrt hat, kann der Flieger wieder von selber starten.

    "Da die Krallen nicht allzu fest in der Wand stecken, lassen sie sich einfach wieder herausziehen. Um die Krallen einzufahren, haben wir uns einen besonderen Mechanismus überlegt. Er basiert auf einem Draht aus einer speziellen Metalllegierung. Dieses Metall zieht sich zusammen, sobald man einen elektrischen Strom hindurchschickt. Dadurch fahren die Krallen ein, und der Flieger kann sich von der Wand lösen. Gleichzeitig startet sein Motor, sodass er abheben und weiterfliegen kann."

    Allerdings sind nur Wände mit rauer oder poröser Oberfläche geeignet. Nur sie bieten ausreichend viele Ankerpunkte für die Krallen. An glatten Wänden oder an Fenstern dagegen rutscht der Flugroboter schlicht ab. Für solche Oberflächen arbeiten die Forscher an einem anderen Patent - Füße mit Saugnäpfen, die sich an eine Fensterscheibe heften können wie ein Gecko. Auch den Sensor für den Landeanflug müssen die Tüftler aus Stanford noch verfeinern. Er nämlich verschätzt sich noch zu oft mit den Entfernungen - das Flugzeug bremst zu früh ab und plumpst vor der Wand zu Boden. Dennoch: Alexis Lussier Desbiens hat schon so manche Idee, was sich mit seinem Krallenroboter eines Tages anstellen ließe.

    "Natürlich interessiert sich das Militär für solche Sachen. Denkbar wären winzige Drohnen, die sich unauffällig an Wänden positionieren und mit Kameras verdächtige Areale überwachen könnten. Auch für die Forschung könnte unser Flieger interessant sein, etwa um unzugängliche Felswände zu untersuchen. Und auch zur Routineinspektion von Hochhäusern würden solche Flugroboter taugen. Sie könnten auf einer Fassade landen und nach gefährlichen Rissen suchen."


    Details zum Perching UAV sind im Wiki der Projektgruppe zu finden.