Anders als der Beitritt von Ländern wie Ungarn oder Litauen rührt der Antrag Kroatiens im Westen an empfindliche Stellen im europäischen Bewusstsein. Für einen Teil der Öffentlichkeit, vor allem den katholisch-konservativen, würde sich mit dem kroatischen Beitritt ein Europabild runden, dessen Kern die verblichene österreichisch-ungarische Doppelmonarchie bildet – ein Europa aus kleinen, frommen Nationen, deren nach Osten vorgeschobene Posten sich gegen Islam und Orthodoxie zu behaupten hatten. Mit Kroatien wäre die Welt wieder heil; nicht zufällig übrigens hat erst vor wenigen Jahren der Enkel des letzten Habsburger-Kaisers sein Baby zur Taufe demonstrativ in den Zagreber Stefansdom getragen und ihm dort den kroatischen Königsnamen Zvonimir gegeben.
In den Kriegen der neunziger Jahre traten nicht nur auf dem Balkan, auch in den politisch-ideologischen Schlachten im Westen vergessen geglaubte Fronten und Allianzen wieder in den Vordergrund. Für einen linken und liberalen, multikulturell gesinnten Teil der westlichen Öffentlichkeit ist Kroatien noch immer das Symbol für vorgestrigen Nationalismus – ein Land, das mit seinem Austritt aus dem Vielvölkerstaat Jugoslawien alte Geister wachrief. Alles das wird Westeuropa sich in den nächsten Jahren, wenn über Kroatiens Beitritt verhandelt wird, noch einmal ins Gedächtnis zurückholen – und von allen Zuordnungen und Etikettierungen, allen diesen Zu- und Abneigungen wird es Abschied nehmen müssen.
Nicht dass alle diese Assoziationen rund um Kroatien pure Phantasmagorien eines überspannten Pariser oder Berliner Feuilletons gewesen wären – durchaus nicht. Kroatiens Staatsgründer und nachmaliger Präsident Franjo Tudjman gab ihnen mit seinen enervierenden historischen Vorträgen und dem bizarren Kult um seine Person reichlich Nahrung. Nach seiner Vorstellung verlief eine kulturelle Wasserscheide quer durch Jugoslawien – alle ideologischen Flüsse und gedanklichen Bäche links davon ergossen sich in die großen Strömungen des Westens, alle rechts davon vereinigten sich mit nordöstlichen und den anatolischen Strömen irgendwo im Schwarzen Meer.
In der Tito-Villa in Zagreb, wo Tudjman unter dem Schutz einer bunt kostümierten Schildwache seinen geopolitischen Phantasien nachhing, sitzen heute sehr nüchterne, sehr europäische Leute, die von alledem nichts mehr hören wollen. Wir sprachen mit dem Chefberater des heutigen Präsidenten Stipe Mesic , Tomislav Jakic.
Das Programm von der Wasserscheide war typisch für Tudjman. Er war ein Mensch, als Historiker und Politiker, der viel mehr in die Vergangenheit sah als in die Zukunft, und er mochte solche historischen Begriffe. Ich glaube, Kroatien ist einfach ein europäisches Land, das seinen Weg in das vereinigte Europa sucht, nicht mehr.
Ein Land wie jedes andere ist Kroatien nach seinem neuen Selbstbild. Auch von den Affekten gegen die Nachbarn im Südosten, die Geringschätzung der bosnischen Muslime und dem Hass auf die Serben im eigenen Land ist in den Kreisen der heute Regierenden keine Spur mehr zu entdecken. Die "Wasserscheide" ist verschwunden – nicht nur aus dem Vokabular, sondern auch aus der Vorstellungswelt. Nicht weil es an ein uraltes Anrecht glaubte oder sich irgend einem abendländischen Kosmos zugehörig fühlte, hat Kroatien seinen Antrag eingereicht, sondern ganz unbekümmert vom Schutt der Geschichte, ganz einfach, weil es sich nach den für Beitrittskandidaten aufgestellten Kopenhagener Kriterien reif fühlt. Tomislav Jakic:
Wir sind jetzt dabei, das zu verwirklichen, wovon General de Gaulle vor Jahrzehnten sprach, nämlich ein Europa von dem Atlantik bis zum Ural, und da darf es keine weißen Flecken geben, also die, alle Länder Südosteuropas gehören zu Europa. Natürlich ist es eine Frage der individuellen Leistungen, wann welches Land diesen Schritt machen kann. Kroatien glaubt, dass wir es in ein paar Jahren machen können, und darum kandidieren wir jetzt.
Dem Westen mag eine so einfache Argumentation ohne weiteres einleuchten. Aber auch in Südosteuropa stößt das neue Kroatien mit seiner Linie auf einhellige Unterstützung, und das grenzt schon fast an ein Wunder. Betrachten wir den Weg Kroatiens mal einen Moment aus serbischer oder bosnischer Perspektive: Da löst ein Land sich erst aus dem jugoslawischen Staatsverband. Dann schafft es dieses Land, sich in Rekordzeit zu einem EU-kompatiblen Nationalstaat zu verwandeln – und zwar indem es bis zu 300.000 dort lebende Serben aus seinen Grenzen vertreibt. Bosnien und Serbien dagegen schlagen sich noch immer mit den jugoslawischen Hinterlassenschaften herum und müssen komplizierte Verfassungen erfinden, um irgendwie die Balance zwischen den in ihren Grenzen lebenden Völkerschaften zu halten.
Und nun, gerade einmal drei Jahre nach dem Tod Franjo Tudjmans und der Wahl einer neuen Regierung erntet dieses Land die Früchte dieser Politik und darf in den Club der Reichen aufsteigen! Aber nicht einmal ein versteckter Neid ist bei den Nachbarn zu spüren. Kroatiens arg dezimierte serbische Minderheit kämpft um die Rückkehrrechte der Vertriebenen noch immer einen zähen Kampf. Aber in der Frage des EU-Beitritts gibt es keinen Dissens. Ihr prominentester Vertreter, der Zagreber Linguistik-Professor Milorad Pupovac argumentiert:
Die Minderheiten soll auch ein Teil der kroatischen Europäisierung sein. Nicht eine Barriere, nicht eine neue politische Barriere für kroatische Euopäisierung sein, sondern ein neues Motiv für kroatische Politik und auch für Minderheitsinteressen in Kroatien. Das bedeutet, dass für alle Minderheiten in Kroatien, auch für die serbische Minderheit, der kroatische Anspruch für Europäische Union und eventuelles Mitglied in der europäischen Familie ist auch ein existenzielles und bürgerliches Interesse.
Die kroatischen Serben hätten sogar die Chance, ihre Interessen als Pfand einzusetzen, denn ihre bis heute nicht vollständig verwirklichten Rückkehrrechte galten bisher für Brüssel als ein Beitrittshindernis Kroatiens. Pupovac hat noch eine ganze Palette von Forderungen, aber als Bedingung für seine Unterstützung des kroatischen Beitrittsantrags will er sie ausdrücklich nicht verstanden wissen:
Das ist nicht eine Vorbedingung, das ist etwas was alle in Kroatien und in Europäische Union müssen zu erreichen. Das ist etwas nicht möglich in den 24 Stunden erreichen, das ist etwas was alle zusammen, ganze Nation, und auch die europäischen Institutionen zusammenzuarbeiten.
Die ganze Nation – ein nationales Projekt also soll der EU-Beitritt sein, aber national eben im modernen, staatsbürgerlichen Sinne, nicht im ethnischen, ein nationales Projekt, das – anders als im vergangenen Jahrzehnt die kroatische Unabhängigkeit – ausdrücklich auch die serbische Minderheit einschließt. Einen grundsätzlicheren Wandel kann man sich kaum vorstellen.
Ein Beitrittskandidat wie jeder andere ist Kroatien heute schon, wenn man wirtschaftliche Kriterien zu Grunde legt. Reihte man es unter die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer des Jahres 2004, so stünde das Land nach dem Pro-Kopf-Einkommen an vierter Stelle hinter Slowenien, Tschechien und Ungarn, also im oberen Mittelfeld. Thomas Gindele, Vertreter der deutschen Wirtschaft in Zagreb und als solcher ein kritischer Beobachter der kroatischen Verhältnisse, zieht eine im Großen und Ganzen erfreuliche Bilanz:
Nach 1999 ist Kroatien wieder auf den Wachstumspfad zurückgekehrt und kann mittlerweile in der gesamten Region auch als Wachstums-Highlight dargestellt werden. Das hat sich auch unverzüglich auf die deutsch-kroatischen Wirtschaftsbeziehungen ausgewirkt, wir haben im vergangenen Jahr einen Zuwachs der Exporte von über 15 Prozent, wir haben auch eine deutliche Steigerung im Bereich der Investitionen zur Kenntnis nehmen können, also insofern sind wir zuversichtlich, dass sich Kroatien, die Wirtschaft hier stabilisiert und vor allem auch wieder der Mittelstand zur alten Stärke zurückkehrt und wieder wettbewerbsfähig wird, sich auch stärker in die europäisch gesamtwirtschaftliche Entwicklung integriert. Hauptproblem bleibt das nach wie vor hohe Handelsbilanzdefizit Kroatiens, was natürlich daran liegt, dass ein Grossteil der alten Märkte weggebrochen sind und die kroatische Industrie noch nicht umfangreich wettbewerbsfähig ist, um mit ihren Produkten erfolgreich auch auf den west- und mitteleuropäischen Märkten sich etablieren zu können.
Tatsächlich produziert Kroatien kaum etwas, das in der EU marktfähig wäre – aber es hat eben eine lange und wunderschöne Küste, die jeden Sommer genug Devisen ins Land zieht, um Kroatien seine umfangreichen Importe zu ermöglichen. Die Arbeitslosigkeit ist mit 22 Prozent noch immer extrem hoch, auch der Lebensstandard der Kroaten hat sich unter dreijähriger demokratischer Regierung kaum verbessert. Aber immerhin kommen jetzt Investoren ins Land und es gibt Hoffnung auf nachhaltige Gesundung.
Eine funktionierende Marktwirtschaft ist aber nur eines von drei gleichermaßen wichtigen Kriterien für jedes Land, das der EU beitreten will. Ein anderes ist die Anpassung seiner Gesetze und Verordnungen an den Acquis communautaire, den umfangreichen Schatz an Richtlinien und harmonisierten Gesetzen, die alle übersetzt, vom Parlament beschlossen und umgesetzt werden müssen.
Die Umsetzung ist dabei das schwierigste Kapitel. Kroatien steht nach nüchternem Urteil deutlich besser da als die ostbalkanischen Länder Bulgarien und Rumänien. Marijana Mladineo , Vizeministerin für die EU-Integration, gibt die Schwächen offen zu und illustriert gerade damit, wie weit Kroatien sich geöffnet hat:
Da gib es den Sektor des Rechtswesens, der ja sehr empfindlich und jetzt in der Umwandlung begriffen ist. Da muss sehr viel mehr getan werden, damit das Rechtswesen für die neue Zeit gerüstet ist. Ein wichtiges Gebiet sind die Grundstückskataster, da haben wir geradezu ein Vakuum, eine Hypothek der jüngeren Geschichte, ich denke eigentlich der letzten fünfzig Jahre, wo praktisch überhaupt nichts passiert ist. Wir müssen das Verwaltungssystem in den Stand versetzen, dass das erst mal repariert wird und dass es dann später auch als Dienst für den Bürger funktioniert.
Wirtschaft, Verwaltung – in diesen beiden wichtigen Bereichen ist Kroatien zwar kein Musterschüler, aber doch ein würdiger Kandidat für den EU-Beitritt und braucht sich hinter den anderen nicht zu verstecken. In Brüssel wie in Zagreb herrscht freilich Einigkeit darüber, dass beide Komplexe nicht entschweidene sind beim kroatischen Beitrittsbegehren. Ausschlaggebend ist der dritte Sektor, der bisher – außer im Falle der Slowakei – noch bei keinem Beitrittsland Probleme gemacht hat: das Funktionieren der Demokratie.
Bis vor drei Jahren wurde Kroatien zwar formal nach einer demokratischen Verfassung, indirekt aber nach undurchsichtigen Partei- und Klientelstrukturen regiert. Ob bei der Privatisierung oder wenn es darum ging, Veteranen mit einträglichen Posten zu belehnen oder Kriegsverbrecher dem Zugriff der internationalen Justiz zu entziehen – die übermächtige Partei des Präsidenten regelte alles nach unerforschlichem Ratschluss. Weite Teile der Verwaltung, vor allem aber die kroatische Justiz haben sich in den zehn Tudjman-Jahren kompromittiert.
Im Januar 2000, wenige Wochen nach dem Tod des Präsidenten, kam es zu einem erdrutschartigen Wahlsieg der Opposition. Der Machtwechsel verlief unverhofft glatt. Die neue Koalition aus zunächst sechs und heute vier Parteien wackelte wiederholt kräftig, hielt aber bis heute durch. Ende dieses Jahres läuft ihre Legislaturperiode aus. Mit den Merkwürdigkeiten des Tudjman-Regimes hat die neue Regierung abgeschlossen.
Das kroatische Parteiensystem hat sich noch nicht gefestigt – sensationelle Aufstiege und Abstürze sind auch in Zukunft wahrscheinlich. Stärkste Regierungspartei ist die sozialdemokratische SDP unter Premierminister Ivica Racan , die Nachfolgepartei des Bundes der Kommunisten Kroatiens. Sie war ein Jahrzehnt lang von der Macht entfernt – eine wichtige Voraussetzung, dass aus einer machtgewohnten Nomenklatura eine moderne Richtungspartei wurde.
Stark im Aufwind in der Wählergunst ist die liberal orientierte Volkspartei von Vesna Pusic. Ebenso stark im Abwind befindet sich die chronisch gespaltene sozialliberale Partei des Drazen Budisa . Auch eine dezidiert konservative Kraft macht in der Viererkoalition mit: die Bauernpartei unter dem Parlamentspräsidenten Zlatko Tomcic . Zwei weitere Parteien stützen den Regierungskurs inhaltlich: Die Regionalpartei der Halbinsel Istrien, die vom stark europaorientierten Tourismus-Management dominiert wird, und die radikaldemokratischen Liberalen unter ihrem neuen Vorsitzenden, dem amerikanischen Historiker Ivo Banac , der aus Kroatien stammt.
Eine bunte, oft turbulente Gemeinschaft – gegen keine dieser Parteien hat irgendwer in Europa etwas einzuwenden. Anders verhält es sich mit der Opposition. Kroatien hat noch immer eine starke Rechte, die auch über erhebliche Mobilisierungskraft verfügt, mit Intellektuellen aufwarten kann, mit Rückhalt in Teilen des katholischen Klerus rechnen darf, über eine viel gelesene Tageszeitung verfügt und vor allem in den elektronischen Medien eine starke Bastion hat.
In ihren Grundüberzeugungen, ihren Affekten und Reflexen ist die kroatische Rechte einigermaßen homogen; nach Meinungsumfragen verfügt sie über ein Potenzial von 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung. Ihr großes Thema ist der so genannte Vaterländische Krieg, den Kroatien in den frühen neunziger Jahren gegen Belgrad geführt hat. Ihre Idole sind die Kriegshelden jener Jahre, von denen viele beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag unter Anklage stehen. Gegenüber dem Projekt des EU-Beitritts ist die Rechte skeptisch; sie fürchtet, in Brüssel und den westlichen Hauptstädten werde ein neues Jugoslawien vorbereitet, ein "Balkanien", das Kroatiens Abtrennung rückgängig machen werde.
In dem Schriftsteller Ivan Aralica , der in Split erscheinenden Tageszeitung Slóbodna Dalmácija, der Kulturzeitschrift Hrvatsko slovo und in etlichen Redaktionen des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens verfügt sie über starke Meinungsbildner. Falsch wäre es allerdings, diese Rechte umstandslos mit der Anfang 2000 abgewählten Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft zu identifizieren, die die Opposition im Parlament anführt. Die HDZ, oder, wie die kroatische Abkürzung sich ausspricht, Cha- Dee-See, hat nach dem Tod ihres übermächtigen Gründers Tudjman vielmehr einen Weg in die politische Mitte angetreten. Ihrem Vorsitzenden Ivo Sanader ist es gelungen, den Anführer des rechten Flügels unter dem Herzegowiner Ivic Pasalic aus der Partei zu drängen.
Gekrönt wurde die Entwicklung mit der Aufnahme der HDZ in die Europäische Volkspartei, dem Zusammenschluss konservativer und christdemokratischer Parteien in Europa. An der Demokratisierung der HDZ ist die deutsche CDU mit Rat und Tat beteiligt. Auch im Umfeld des Staatspräsidenten werden die Fortschritte der HDZ auf diesem Weg ausdrücklich anerkannt. Tomislav Jakic:
Die HDZ ist dabei, sich jetzt auch als eine ich würde sagen konservative europäische Partei zu profilieren, und es wäre gut für Kroatien und für die HDZ, wenn sie dieses Projekt verwirklichen könnte.
Die harte Kern der Rechten sammelt sich vor allem um den ältesten Sohn des verstorbenen Präsidenten, Miroslav Tudjman, der einen "Kroatischen Block" gegründet hat und das Erbe seines Vaters hochhält, gemeinsam mit zwei weiteren, kleineren Rechtsparteien. Auf Zuspruch darf der Tudjman-Sohn immer dann rechnen, wenn aus Den Haag wieder eine Anklage kommt: Wenn Generäle ins Visier der Ermittler geraten, reicht die Abwehrfront vom Kroatischen Block über die HDZ bis weit ins Wählerpotenzial der Sozialdemokraten.
Die Zusammenarbeit mit Den Haag ist in der Tat das Merkmal, das das moderne Kroatien vom alten trennt. Ivo Sanader, der modern denkende Vorsitzende der HDZ, bekennt sich zwar ausdrücklich zur Zusammenarbeit mit dem Tribunal; er tritt deutlich und klar für den EU-Beitritt ein und weiß, dass der Weg nach Brüssel unbedingt über Den Haag führt. Aber einen Freifahrschein mag er den Anklägern dort nicht ausstellen.
Es sind zwei Seiten da: die Republik Kroatien und das Haager Tribunal. Das Haager Tribunal ist natürlich ein Institut der Vereinten Nationen und agiert aufgrund der Resolution, die der Weltsicherheitsrat gebracht hat. Deshalb ist die Zusammenarbeit ein Muss. Das schließt aber nicht aus, dass wenn es Probleme gibt, man in den Dialog treten kann um die aus der Welt zu schaffen. Das heißt also: ganz klares Ja zur Zusammenarbeit.
Bloß so, als Einladung zu Verhandlungen, will die Anklagebehörde in Den Haag die Zusammenarbeit nicht verstanden wissen; sie erwartet, dass die betroffenen Länder Angeklagte unverzüglich und bedingungslos überstellen. So kommt es, dass eben doch der Krieg, der Umgang mit der jüngsten Vergangenheit, über Kroatiens Beitrittsantrag entscheidet. Ein neues "nationales Projekt" soll die Aufnahme des Landes in die EU nach dem Willen ihrer Regierung sein. Die Voraussetzung, dass es gelingt, ist die ausdrückliche Abrechnung mit dem alten, gegen die serbischen Nachbarn und die serbischen Mitbürger gerichteten "nationalen Projekt" – eine Verknüpfung, die ein gutes Stück historischer Weisheit enthält. Hier die nationalistische Rechte, dort das Projekt Europa – das wird ein Kampf, der sich lohnt.
In den Kriegen der neunziger Jahre traten nicht nur auf dem Balkan, auch in den politisch-ideologischen Schlachten im Westen vergessen geglaubte Fronten und Allianzen wieder in den Vordergrund. Für einen linken und liberalen, multikulturell gesinnten Teil der westlichen Öffentlichkeit ist Kroatien noch immer das Symbol für vorgestrigen Nationalismus – ein Land, das mit seinem Austritt aus dem Vielvölkerstaat Jugoslawien alte Geister wachrief. Alles das wird Westeuropa sich in den nächsten Jahren, wenn über Kroatiens Beitritt verhandelt wird, noch einmal ins Gedächtnis zurückholen – und von allen Zuordnungen und Etikettierungen, allen diesen Zu- und Abneigungen wird es Abschied nehmen müssen.
Nicht dass alle diese Assoziationen rund um Kroatien pure Phantasmagorien eines überspannten Pariser oder Berliner Feuilletons gewesen wären – durchaus nicht. Kroatiens Staatsgründer und nachmaliger Präsident Franjo Tudjman gab ihnen mit seinen enervierenden historischen Vorträgen und dem bizarren Kult um seine Person reichlich Nahrung. Nach seiner Vorstellung verlief eine kulturelle Wasserscheide quer durch Jugoslawien – alle ideologischen Flüsse und gedanklichen Bäche links davon ergossen sich in die großen Strömungen des Westens, alle rechts davon vereinigten sich mit nordöstlichen und den anatolischen Strömen irgendwo im Schwarzen Meer.
In der Tito-Villa in Zagreb, wo Tudjman unter dem Schutz einer bunt kostümierten Schildwache seinen geopolitischen Phantasien nachhing, sitzen heute sehr nüchterne, sehr europäische Leute, die von alledem nichts mehr hören wollen. Wir sprachen mit dem Chefberater des heutigen Präsidenten Stipe Mesic , Tomislav Jakic.
Das Programm von der Wasserscheide war typisch für Tudjman. Er war ein Mensch, als Historiker und Politiker, der viel mehr in die Vergangenheit sah als in die Zukunft, und er mochte solche historischen Begriffe. Ich glaube, Kroatien ist einfach ein europäisches Land, das seinen Weg in das vereinigte Europa sucht, nicht mehr.
Ein Land wie jedes andere ist Kroatien nach seinem neuen Selbstbild. Auch von den Affekten gegen die Nachbarn im Südosten, die Geringschätzung der bosnischen Muslime und dem Hass auf die Serben im eigenen Land ist in den Kreisen der heute Regierenden keine Spur mehr zu entdecken. Die "Wasserscheide" ist verschwunden – nicht nur aus dem Vokabular, sondern auch aus der Vorstellungswelt. Nicht weil es an ein uraltes Anrecht glaubte oder sich irgend einem abendländischen Kosmos zugehörig fühlte, hat Kroatien seinen Antrag eingereicht, sondern ganz unbekümmert vom Schutt der Geschichte, ganz einfach, weil es sich nach den für Beitrittskandidaten aufgestellten Kopenhagener Kriterien reif fühlt. Tomislav Jakic:
Wir sind jetzt dabei, das zu verwirklichen, wovon General de Gaulle vor Jahrzehnten sprach, nämlich ein Europa von dem Atlantik bis zum Ural, und da darf es keine weißen Flecken geben, also die, alle Länder Südosteuropas gehören zu Europa. Natürlich ist es eine Frage der individuellen Leistungen, wann welches Land diesen Schritt machen kann. Kroatien glaubt, dass wir es in ein paar Jahren machen können, und darum kandidieren wir jetzt.
Dem Westen mag eine so einfache Argumentation ohne weiteres einleuchten. Aber auch in Südosteuropa stößt das neue Kroatien mit seiner Linie auf einhellige Unterstützung, und das grenzt schon fast an ein Wunder. Betrachten wir den Weg Kroatiens mal einen Moment aus serbischer oder bosnischer Perspektive: Da löst ein Land sich erst aus dem jugoslawischen Staatsverband. Dann schafft es dieses Land, sich in Rekordzeit zu einem EU-kompatiblen Nationalstaat zu verwandeln – und zwar indem es bis zu 300.000 dort lebende Serben aus seinen Grenzen vertreibt. Bosnien und Serbien dagegen schlagen sich noch immer mit den jugoslawischen Hinterlassenschaften herum und müssen komplizierte Verfassungen erfinden, um irgendwie die Balance zwischen den in ihren Grenzen lebenden Völkerschaften zu halten.
Und nun, gerade einmal drei Jahre nach dem Tod Franjo Tudjmans und der Wahl einer neuen Regierung erntet dieses Land die Früchte dieser Politik und darf in den Club der Reichen aufsteigen! Aber nicht einmal ein versteckter Neid ist bei den Nachbarn zu spüren. Kroatiens arg dezimierte serbische Minderheit kämpft um die Rückkehrrechte der Vertriebenen noch immer einen zähen Kampf. Aber in der Frage des EU-Beitritts gibt es keinen Dissens. Ihr prominentester Vertreter, der Zagreber Linguistik-Professor Milorad Pupovac argumentiert:
Die Minderheiten soll auch ein Teil der kroatischen Europäisierung sein. Nicht eine Barriere, nicht eine neue politische Barriere für kroatische Euopäisierung sein, sondern ein neues Motiv für kroatische Politik und auch für Minderheitsinteressen in Kroatien. Das bedeutet, dass für alle Minderheiten in Kroatien, auch für die serbische Minderheit, der kroatische Anspruch für Europäische Union und eventuelles Mitglied in der europäischen Familie ist auch ein existenzielles und bürgerliches Interesse.
Die kroatischen Serben hätten sogar die Chance, ihre Interessen als Pfand einzusetzen, denn ihre bis heute nicht vollständig verwirklichten Rückkehrrechte galten bisher für Brüssel als ein Beitrittshindernis Kroatiens. Pupovac hat noch eine ganze Palette von Forderungen, aber als Bedingung für seine Unterstützung des kroatischen Beitrittsantrags will er sie ausdrücklich nicht verstanden wissen:
Das ist nicht eine Vorbedingung, das ist etwas was alle in Kroatien und in Europäische Union müssen zu erreichen. Das ist etwas nicht möglich in den 24 Stunden erreichen, das ist etwas was alle zusammen, ganze Nation, und auch die europäischen Institutionen zusammenzuarbeiten.
Die ganze Nation – ein nationales Projekt also soll der EU-Beitritt sein, aber national eben im modernen, staatsbürgerlichen Sinne, nicht im ethnischen, ein nationales Projekt, das – anders als im vergangenen Jahrzehnt die kroatische Unabhängigkeit – ausdrücklich auch die serbische Minderheit einschließt. Einen grundsätzlicheren Wandel kann man sich kaum vorstellen.
Ein Beitrittskandidat wie jeder andere ist Kroatien heute schon, wenn man wirtschaftliche Kriterien zu Grunde legt. Reihte man es unter die mittel- und osteuropäischen Beitrittsländer des Jahres 2004, so stünde das Land nach dem Pro-Kopf-Einkommen an vierter Stelle hinter Slowenien, Tschechien und Ungarn, also im oberen Mittelfeld. Thomas Gindele, Vertreter der deutschen Wirtschaft in Zagreb und als solcher ein kritischer Beobachter der kroatischen Verhältnisse, zieht eine im Großen und Ganzen erfreuliche Bilanz:
Nach 1999 ist Kroatien wieder auf den Wachstumspfad zurückgekehrt und kann mittlerweile in der gesamten Region auch als Wachstums-Highlight dargestellt werden. Das hat sich auch unverzüglich auf die deutsch-kroatischen Wirtschaftsbeziehungen ausgewirkt, wir haben im vergangenen Jahr einen Zuwachs der Exporte von über 15 Prozent, wir haben auch eine deutliche Steigerung im Bereich der Investitionen zur Kenntnis nehmen können, also insofern sind wir zuversichtlich, dass sich Kroatien, die Wirtschaft hier stabilisiert und vor allem auch wieder der Mittelstand zur alten Stärke zurückkehrt und wieder wettbewerbsfähig wird, sich auch stärker in die europäisch gesamtwirtschaftliche Entwicklung integriert. Hauptproblem bleibt das nach wie vor hohe Handelsbilanzdefizit Kroatiens, was natürlich daran liegt, dass ein Grossteil der alten Märkte weggebrochen sind und die kroatische Industrie noch nicht umfangreich wettbewerbsfähig ist, um mit ihren Produkten erfolgreich auch auf den west- und mitteleuropäischen Märkten sich etablieren zu können.
Tatsächlich produziert Kroatien kaum etwas, das in der EU marktfähig wäre – aber es hat eben eine lange und wunderschöne Küste, die jeden Sommer genug Devisen ins Land zieht, um Kroatien seine umfangreichen Importe zu ermöglichen. Die Arbeitslosigkeit ist mit 22 Prozent noch immer extrem hoch, auch der Lebensstandard der Kroaten hat sich unter dreijähriger demokratischer Regierung kaum verbessert. Aber immerhin kommen jetzt Investoren ins Land und es gibt Hoffnung auf nachhaltige Gesundung.
Eine funktionierende Marktwirtschaft ist aber nur eines von drei gleichermaßen wichtigen Kriterien für jedes Land, das der EU beitreten will. Ein anderes ist die Anpassung seiner Gesetze und Verordnungen an den Acquis communautaire, den umfangreichen Schatz an Richtlinien und harmonisierten Gesetzen, die alle übersetzt, vom Parlament beschlossen und umgesetzt werden müssen.
Die Umsetzung ist dabei das schwierigste Kapitel. Kroatien steht nach nüchternem Urteil deutlich besser da als die ostbalkanischen Länder Bulgarien und Rumänien. Marijana Mladineo , Vizeministerin für die EU-Integration, gibt die Schwächen offen zu und illustriert gerade damit, wie weit Kroatien sich geöffnet hat:
Da gib es den Sektor des Rechtswesens, der ja sehr empfindlich und jetzt in der Umwandlung begriffen ist. Da muss sehr viel mehr getan werden, damit das Rechtswesen für die neue Zeit gerüstet ist. Ein wichtiges Gebiet sind die Grundstückskataster, da haben wir geradezu ein Vakuum, eine Hypothek der jüngeren Geschichte, ich denke eigentlich der letzten fünfzig Jahre, wo praktisch überhaupt nichts passiert ist. Wir müssen das Verwaltungssystem in den Stand versetzen, dass das erst mal repariert wird und dass es dann später auch als Dienst für den Bürger funktioniert.
Wirtschaft, Verwaltung – in diesen beiden wichtigen Bereichen ist Kroatien zwar kein Musterschüler, aber doch ein würdiger Kandidat für den EU-Beitritt und braucht sich hinter den anderen nicht zu verstecken. In Brüssel wie in Zagreb herrscht freilich Einigkeit darüber, dass beide Komplexe nicht entschweidene sind beim kroatischen Beitrittsbegehren. Ausschlaggebend ist der dritte Sektor, der bisher – außer im Falle der Slowakei – noch bei keinem Beitrittsland Probleme gemacht hat: das Funktionieren der Demokratie.
Bis vor drei Jahren wurde Kroatien zwar formal nach einer demokratischen Verfassung, indirekt aber nach undurchsichtigen Partei- und Klientelstrukturen regiert. Ob bei der Privatisierung oder wenn es darum ging, Veteranen mit einträglichen Posten zu belehnen oder Kriegsverbrecher dem Zugriff der internationalen Justiz zu entziehen – die übermächtige Partei des Präsidenten regelte alles nach unerforschlichem Ratschluss. Weite Teile der Verwaltung, vor allem aber die kroatische Justiz haben sich in den zehn Tudjman-Jahren kompromittiert.
Im Januar 2000, wenige Wochen nach dem Tod des Präsidenten, kam es zu einem erdrutschartigen Wahlsieg der Opposition. Der Machtwechsel verlief unverhofft glatt. Die neue Koalition aus zunächst sechs und heute vier Parteien wackelte wiederholt kräftig, hielt aber bis heute durch. Ende dieses Jahres läuft ihre Legislaturperiode aus. Mit den Merkwürdigkeiten des Tudjman-Regimes hat die neue Regierung abgeschlossen.
Das kroatische Parteiensystem hat sich noch nicht gefestigt – sensationelle Aufstiege und Abstürze sind auch in Zukunft wahrscheinlich. Stärkste Regierungspartei ist die sozialdemokratische SDP unter Premierminister Ivica Racan , die Nachfolgepartei des Bundes der Kommunisten Kroatiens. Sie war ein Jahrzehnt lang von der Macht entfernt – eine wichtige Voraussetzung, dass aus einer machtgewohnten Nomenklatura eine moderne Richtungspartei wurde.
Stark im Aufwind in der Wählergunst ist die liberal orientierte Volkspartei von Vesna Pusic. Ebenso stark im Abwind befindet sich die chronisch gespaltene sozialliberale Partei des Drazen Budisa . Auch eine dezidiert konservative Kraft macht in der Viererkoalition mit: die Bauernpartei unter dem Parlamentspräsidenten Zlatko Tomcic . Zwei weitere Parteien stützen den Regierungskurs inhaltlich: Die Regionalpartei der Halbinsel Istrien, die vom stark europaorientierten Tourismus-Management dominiert wird, und die radikaldemokratischen Liberalen unter ihrem neuen Vorsitzenden, dem amerikanischen Historiker Ivo Banac , der aus Kroatien stammt.
Eine bunte, oft turbulente Gemeinschaft – gegen keine dieser Parteien hat irgendwer in Europa etwas einzuwenden. Anders verhält es sich mit der Opposition. Kroatien hat noch immer eine starke Rechte, die auch über erhebliche Mobilisierungskraft verfügt, mit Intellektuellen aufwarten kann, mit Rückhalt in Teilen des katholischen Klerus rechnen darf, über eine viel gelesene Tageszeitung verfügt und vor allem in den elektronischen Medien eine starke Bastion hat.
In ihren Grundüberzeugungen, ihren Affekten und Reflexen ist die kroatische Rechte einigermaßen homogen; nach Meinungsumfragen verfügt sie über ein Potenzial von 20 bis 25 Prozent der Bevölkerung. Ihr großes Thema ist der so genannte Vaterländische Krieg, den Kroatien in den frühen neunziger Jahren gegen Belgrad geführt hat. Ihre Idole sind die Kriegshelden jener Jahre, von denen viele beim Kriegsverbrechertribunal in Den Haag unter Anklage stehen. Gegenüber dem Projekt des EU-Beitritts ist die Rechte skeptisch; sie fürchtet, in Brüssel und den westlichen Hauptstädten werde ein neues Jugoslawien vorbereitet, ein "Balkanien", das Kroatiens Abtrennung rückgängig machen werde.
In dem Schriftsteller Ivan Aralica , der in Split erscheinenden Tageszeitung Slóbodna Dalmácija, der Kulturzeitschrift Hrvatsko slovo und in etlichen Redaktionen des öffentlichen Rundfunks und Fernsehens verfügt sie über starke Meinungsbildner. Falsch wäre es allerdings, diese Rechte umstandslos mit der Anfang 2000 abgewählten Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft zu identifizieren, die die Opposition im Parlament anführt. Die HDZ, oder, wie die kroatische Abkürzung sich ausspricht, Cha- Dee-See, hat nach dem Tod ihres übermächtigen Gründers Tudjman vielmehr einen Weg in die politische Mitte angetreten. Ihrem Vorsitzenden Ivo Sanader ist es gelungen, den Anführer des rechten Flügels unter dem Herzegowiner Ivic Pasalic aus der Partei zu drängen.
Gekrönt wurde die Entwicklung mit der Aufnahme der HDZ in die Europäische Volkspartei, dem Zusammenschluss konservativer und christdemokratischer Parteien in Europa. An der Demokratisierung der HDZ ist die deutsche CDU mit Rat und Tat beteiligt. Auch im Umfeld des Staatspräsidenten werden die Fortschritte der HDZ auf diesem Weg ausdrücklich anerkannt. Tomislav Jakic:
Die HDZ ist dabei, sich jetzt auch als eine ich würde sagen konservative europäische Partei zu profilieren, und es wäre gut für Kroatien und für die HDZ, wenn sie dieses Projekt verwirklichen könnte.
Die harte Kern der Rechten sammelt sich vor allem um den ältesten Sohn des verstorbenen Präsidenten, Miroslav Tudjman, der einen "Kroatischen Block" gegründet hat und das Erbe seines Vaters hochhält, gemeinsam mit zwei weiteren, kleineren Rechtsparteien. Auf Zuspruch darf der Tudjman-Sohn immer dann rechnen, wenn aus Den Haag wieder eine Anklage kommt: Wenn Generäle ins Visier der Ermittler geraten, reicht die Abwehrfront vom Kroatischen Block über die HDZ bis weit ins Wählerpotenzial der Sozialdemokraten.
Die Zusammenarbeit mit Den Haag ist in der Tat das Merkmal, das das moderne Kroatien vom alten trennt. Ivo Sanader, der modern denkende Vorsitzende der HDZ, bekennt sich zwar ausdrücklich zur Zusammenarbeit mit dem Tribunal; er tritt deutlich und klar für den EU-Beitritt ein und weiß, dass der Weg nach Brüssel unbedingt über Den Haag führt. Aber einen Freifahrschein mag er den Anklägern dort nicht ausstellen.
Es sind zwei Seiten da: die Republik Kroatien und das Haager Tribunal. Das Haager Tribunal ist natürlich ein Institut der Vereinten Nationen und agiert aufgrund der Resolution, die der Weltsicherheitsrat gebracht hat. Deshalb ist die Zusammenarbeit ein Muss. Das schließt aber nicht aus, dass wenn es Probleme gibt, man in den Dialog treten kann um die aus der Welt zu schaffen. Das heißt also: ganz klares Ja zur Zusammenarbeit.
Bloß so, als Einladung zu Verhandlungen, will die Anklagebehörde in Den Haag die Zusammenarbeit nicht verstanden wissen; sie erwartet, dass die betroffenen Länder Angeklagte unverzüglich und bedingungslos überstellen. So kommt es, dass eben doch der Krieg, der Umgang mit der jüngsten Vergangenheit, über Kroatiens Beitrittsantrag entscheidet. Ein neues "nationales Projekt" soll die Aufnahme des Landes in die EU nach dem Willen ihrer Regierung sein. Die Voraussetzung, dass es gelingt, ist die ausdrückliche Abrechnung mit dem alten, gegen die serbischen Nachbarn und die serbischen Mitbürger gerichteten "nationalen Projekt" – eine Verknüpfung, die ein gutes Stück historischer Weisheit enthält. Hier die nationalistische Rechte, dort das Projekt Europa – das wird ein Kampf, der sich lohnt.