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"Der Weg nach Lateinamerika führt über Havanna!"

In den vergangenen Jahrzehnten haben die USA die Embargoschraube gegen Kuba immer stärker angezogen. Zehn US-Präsidenten - Republikaner und Demokraten - erwiesen ihrem Land damit einen Bärendienst. Sie halfen Castro nur bei der Stabilisierung seiner Macht. Barack Obama erklärte die bisherige Kuba-Politik für gescheitert - und verkündete einen Richtungswechsel.

Von Volker Skierka | 14.05.2009
    "Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass es ein Irrtum ist zu glauben, wir könnten unsere Politik ändern, indem wir Kuba vollkommen ignorieren."

    Mit diesen Worten begegnete der neue US-Präsident Barack Obama jenen, die ihn dafür kritisierten, als er zum Auftakt seiner neuen Lateinamerika-Politik dem Regime in Kuba Gesprächsbereitschaft bekundete und eine Lockerung der jahrzehntelangen Sanktionen einleitete. Manchmal, wenn die Geschichte sich zu wiederholen scheint, erhält ein neuer Akteur die Chance, Fehler seiner Vorgänger wieder gut zu machen. So, wie jetzt der 44. US-Präsident diese Chance ergriffen hat, die verfehlte Kuba- und Lateinamerikapolitk seiner Vorgänger zu korrigieren. Deren Wurzeln reichen indes bis ins 19. Jahrhundert zurück. Der vor über 100 Jahren der jungen Republik Kuba abgepresste US-Marinestützpunkt Guantánamo im Osten der Insel, ist heute noch sichtbarer Ausdruck einer verunglückten Hegemonialpolitik - Doch schon einmal, vor einem halben Jahrhundert, war ein demokratischer Hoffnungsträger - John F. Kennedy - mit dem Vorsatz angetreten, alles anders zu machen..

    "Ich habe Herrn Nixon kritisiert, weil er in seiner Pressekonferenz in Havanna die Kompetenz und Stabilität der Batista-Diktatur pries. Diese Diktatur hat in sieben Jahren mehr als 20.000 Kubaner umgebracht. Trotzdem unterstützten wir Batista weiterhin. Wir standen dort niemals auf Seiten der Freiheit, niemals machten wir dort unseren Einfluss geltend, als wir es noch konnten, mit der Folge, dass Kuba heute für die Freiheit verloren ist."
    Im Oktober 1960 gab Kennedy in einem Fernsehduell mit Vizepräsident Richard Nixon, seinem republikanischen Mitbewerber um die Präsidentschaft, der Regierung Eisenhower die Mitschuld am Sieg der von Fidel Castro angeführten Revolution auf Kuba und der Vertreibung Fulgencio Batistas am 1. Januar 1959. Kennedy beschuldigte die amtierende Regierung Eisenhower ihren Einfluss auf Kuba einzig dazu genutzt zu haben, die Profitinteressen amerikanischer Unternehmen, welche praktisch das Land beherrschten, auszuweiten. Mit Sorge blickte Kennedy daher in die Zukunft des amerikanischen Hinterhofes:

    "Castro ist erst der Anfang unserer Schwierigkeiten in Lateinamerika. Wir müssen verhindern, dass sein Einfluss auf andere Länder zunimmt: Mexiko, Panama, Brasilien, Bolivien, Kolumbien. Wir müssen den Wunsch dieser Völker nach einem besseren Leben zu unserer Sache machen, wenn wir Lateinamerika Castros Einfluss entziehen wollen. Der ist schon stark genug, um andere Länder Lateinamerikas daran zu hindern, unsere Wirtschaftsblockade gegen Kuba zu unterstützen. Sein Einfluss steigt, weil diese Regierung Lateinamerika ignoriert hat."
    Mit einer Landreform hatten die kubanischen Revolutionäre die US-Konzerne enteignet. Die Regierung Eisenhower brach daraufhin die diplomatischen Beziehungen ab und verhängte erste Wirtschaftssanktionen. Im Januar 1961 kam dann der Hoffnungsträger Kennedy an die Macht. Doch entgegen aller Erwartungen setzte er die Politik der Stärke seines Vorgängers fort. Drei Monate nach seinem Amtsantritt ließ er im April 1961 von der CIA einen Showdown mit dem karibischen Caudillo in der Schweinebucht inszenieren.
    Die Landungsoperation von 1200 Exilkubanern scheiterte jedoch, rund elfhundert Söldner marschierten in Gefangenschaft. Mit der Folge, dass Amerikas junger Präsident weltweit blamiert war, während Castros Heldenmythos sich ins Legendäre steigerte. Nun machte er wahr, was sich längst abgezeichnet hatte. Triumphierend rief er auf Kuba den Sozialismus aus und festigte sein autoritäres, von der Sowjetunion alimentiertes Regime.

    "Viva la clase obrera, viva los campesinos, viva la patria!"
    Die Demütigung der Supermacht in der Schweinebucht verleitete diese zu einer Kriegsführung mit Mitteln, die damals nicht unüblich waren, wie der ehemalige CIA-Agent Philipp Agee verriet:

    "In den Sechziger Jahren gehörte es zur offiziellen Politik der amerikanischen Regierung, Fidel Castro umzubringen. Später verselbständigten sich diese Attentäter, die ihre Ausbildung, Fähigkeiten, ja ihre Existenz der CIA verdankten."
    Rund 640 Attentatspläne gegen Castro zählte dessen Geheimdienst im Laufe der Jahrzehnte. Parallel trieben die USA die politische und wirtschaftliche Isolation der 90 Meilen vor Florida liegenden Karibikinsel voran. Befreundete und abhängige Länder wurden gezwungen, die Beziehungen zu Kuba abzubrechen. Im Januar 1962 kam es zum Ausschluss der kubanischen Regierung - nicht jedoch Kubas als Land - aus der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS). Die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit kam allerdings erst zustande, nachdem ein US-Diplomat den Außenminister der berüchtigten Duvalier-Diktatur auf Haiti bei einem Abendessen mit fünf Millionen Dollar für einen neuen Flughafen bestochen hatte. Große Länder wie Argentinien, Brasilien und Mexiko spielten jedoch nicht mit. In den folgenden Jahren zogen die USA die Embargoschraube gegen Kuba immer stärker an, zuletzt 1996 durch das unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton vom Kongress verabschiedete Helms-Burton-Gesetz, welches die schärfsten je verhängten Wirtschaftssanktionen gegen ein Land festschreibt.
    Doch damit erwiesen sich die USA einen Bärendienst. Die Sanktionen halfen Castro bei der Stabilisierung seiner Macht, indem sie ihm auf Jahrzehnte sein propagandistisches Feinbild lieferten. So der US-Diplomat und ehemalige Leiter der US-Interessenvertretung in Havanna, Wayne Smith:

    "Castro spielt mit uns David gegen Goliath. Herrlich. Und wir geben ihm die Gelegenheit dazu - Monat für Monat für Monat."
    Zehn US-Präsidenten spielten dieses Spiel mit - nur, um immer wieder in einer politischen Sackgasse zu landen, ehe der elfte, Barack Obama durch seine Außenministerin Hillary Clinton einen Richtungswechsel verkünden ließ:

    "Wir suchen nach produktiveren Wegen im Umgang mit Kuba. Denn Präsident Obama und ich sind der Meinung, dass die bisherige Kuba-Politik gescheitert ist."
    Ausgerechnet ein Republikaner, der einflussreiche Senator Richard Luger, hatte Barack Obama die Argumente für seinen Politikwechsel gegenüber Kuba geliefert. Als Mitglied des Auswärtigen Ausschusses legte er im Februar - kurz nach Obamas Amtsantritt - eine schonungslose Analyse vor, in der er amtlich machte, was ohnehin jeder wusste: Dass das Ziel des Embargos, dem kubanischen Volk die Demokratie zu bringen, auf ganzer Linie gescheitert ist. Vor allem, so Luger, belaste die bisherige Kuba-Politik wegen der symbolischen Bedeutung Kubas für die südliche Hemisphäre die traditionellen Beziehungen der USA zu ganz Lateinamerika und verletze dadurch die nationalen Interessen der USA.
    Wie vor einem halben Jahrhundert unter Eisenhower hatte nämlich die neuerliche Vernachlässigung der Region durch die letzte Regierung Bush zu einem Erstarken der politischen Linken in Lateinamerika geführt. Von Venezuelas populistischen Präsidenten Hugo Chávez zum politischen Ziehvater erkoren, erlebte Fidel Castro zum Ende seiner Tage ein überraschendes Comeback als revolutionäre Ikone und Symbolfigur des Widerstandes gegen die USA. Lange bevor lateinamerikanische Staats- und Regierungschefs sowie die Präsidenten Russlands und Chinas sich nicht nur auf Kuba, sondern - bei ihrer Suche nach neuen Rohstoffmärkten - auf dem gesamten südlichen Kontinent die Klinke in die Hand gaben und die USA zunehmend in eine Zuschauerrolle drängten, war Obama und seinen Beratern klar: Der einzige Weg zurück ins Herz Lateinamerikas führt über Havanna!

    Also verfügte Obama im Vorfeld des fünften Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der 35 Mitgliedsländer der OAS im April auf Trinidad und Tobago fürs erste eine - freilich sehr zaghafte - Lockerung der unter seinem Vorgänger Bush verschärften Sanktionen. Das Signal wurde, wie Obama berichtete, in Lateinamerika verstanden:

    "Alle Regierungen fanden es ermutigend, dass die USA erste Schritte unternommen haben. Viele wünschten sich, wir würden weitergehen. Aber sie erkannten an, dass wir nicht mehr an einer Politik festhalten, die man vor meiner Zeit formuliert hatte."

    Obamas Schritt kam nicht unerwartet. Er hatte während des Präsidentschaftswahlkampfes sogar ein Treffen mit Raúl Castro nicht ausgeschlossen. Als erste Maßnahme hob Obama nun die nur alle drei Jahre gestatteten, auf zwei Wochen Aufenthalt begrenzten Reisebeschränkungen für die 1,5 Millionen in den USA lebenden Exilkubaner auf. Und er erlaubte künftig Geldüberweisungen an Angehörige in unbeschränkter Höhe. Schritte, die wenig spektakulär sind, aber den Menschen viel bringen. All das gab es schon einmal - unter Obama's demokratischem Vorgänger Jimmy Carter vor 30 Jahren. Doch scheint es Obama heute mehr auf die Geste als auf den Umfang der Lockerungen anzukommen.

    "Wir wollten unseren guten Willen zeigen und deutlich machen, dass die Vereinigten Staaten die Beziehungen neu gestalten wollen."

    Kritiker bemängelten indessen die Zögerlichkeit seines Voranschreitens. Im In- und Ausland hatten viele sogar das Ende des Embargos erwartet. Da dieses jedoch gesetzlich verankert ist, kann darüber nur der Kongress entscheiden. Dafür fände sich jedoch keine Mehrheit, solange es auf Kuba keine demokratischen Reformen gibt. Paragraph 205a Absatz 7 des Gesetzes verbietet sogar Verhandlungen mit der kubanischen Regierung, solange dieser Mitglieder der Familie Castro angehören. Obamas Spielraum ist mithin äußerst begrenzt:

    "Eine Beziehung, die 50 Jahre lang eingefroren war, taut nicht über Nacht auf. Nachdem wir aber den ersten Schritt gemacht haben, sind wir gespannt, ob auch Kuba bereit ist umzudenken. Wir erwarten keinen Wandel über Nacht - das wäre unrealistisch. Aber wir erwarten ein Signal, dass man nicht nur an einer Liberalisierung im Rahmen einer Verbesserung der amerikanisch-kubanischen Beziehungen interessiert ist, sondern auch daran, die Energie und Kreativität und das Potential des kubanischen Volkes freizusetzen."
    Dieses Signal kam postwendend noch am selben Tag - dem Vorabend des 48. Jahrestages der CIA-Invasion in der Schweinebucht am 16. April. Raúl Castro, der nach der schweren Erkrankung Fidel Castros im Sommer 2006 zu dessen Nachfolger gewählte Staatchef, reagierte so verblüffend schnell, als wollte er seinem Bruder Fidel flink zuvorkommen, ehe dieser wieder, von seinem Krankenlager aus, publizistische Störsignale in die Welt hinaus senden konnte. Die Worte, die der 77-jährige Nachfolger des Máximo Líder auf dem Gipfeltreffen der von Venezuela angeführten "Alternative für die Völker unseres Amerika" fand, waren verblüffend entgegenkommend:

    "Wir haben der US-Regierung vertraulich und öffentlich zu verstehen gegeben, dass wir bereit sind, über alles zu sprechen: Menschenrechte, Pressefreiheit, politische Gefangene - über alles, alles, alles, was sie diskutieren wollen. Aber auf Augenhöhe - ohne die geringste Einschränkung unserer Souveränität und der Selbstbestimmungsrechte des kubanischen Volkes ."
    Damit war das politische Ping-Pong-Spiel zwischen Kuba und den USA eröffnet. Obama spielte den Ball umgehend zurück, assistiert von seiner Außenministerin:

    "Die Tatsache, dass Raúl Castro gesagt hat, seine Regierung sei bereit mit der unseren zu sprechen, nicht nur über die Aufhebung des Embargos, sondern über Fragen der Menschenrechte, politische Gefangene, ist ein Zeichen von Fortschritt."

    Clinton: "Wir begrüßen seine Äußerungen, das Eröffnungsangebot, das sie darstellen. Wir werden nun gründlich überlegen, wie wir zu reagieren gedenken."
    Nun schaltete sich auch Fidel Castro ein. Er konzedierte zwar, man lebe in neuen Zeiten und Veränderungen seien unvermeidlich. Dann aber trat der alte Revolutionsführer erst einmal auf die Bremse. Zitat Fidel Castro:

    "Ohne Zweifel hat der Präsident Raúls Erklärung falsch ausgelegt."
    Fidel Castro konzentrierte sich auf die Frage, wann Obama denn das Embargo beenden wolle und gab Washington indirekt und etwas nebulös zu verstehen, dass für Kuba dieser Punkt eine zentrale Vorbedingung für weitere bilaterale Fortschritte sei.

    "Als Obama zur Antwort gab, dass seit 2004 bis jetzt endlose tausend Jahre vergangen seien, war das oberflächlich. Müssen wir so viele Jahre warten, damit er seine Blockade aufhebt? Er hat sie nicht erfunden, aber er hat sie sich zu eigen gemacht, genau wie zehn vorherige Präsidenten der Vereinigten Staaten. Unter diesen Umständen kann ihm ein sicheres Scheitern vorausgesagt werden."
    Vielleicht hofft Fidel Castro ja im Stillen, dass sein autoritäres System auf Kuba auch diesen Präsidenten überlebt. Gleichwohl geht der alte Patriarch auffallend vorsichtig mit Obama um, ist dieser doch der erste Präsident der seinem Regime gefährlich werden könnte. Nicht nur, weil Obama auch auf Kuba populär und beliebt ist, sondern weil er es versteht, Gegnern mit Argumenten zu begegnen und sie mit Liebenswürdigkeit zu umarmen und zu entwaffnen. In Wahrheit wissen auch die Castros, dass eine rasche Aufhebung des Embargos - so wünschenswert das wäre - in niemandes Interesse sein kein. Nicht nur, weil dann das lang gehegte Feindbild zusammenbrechen würde, sondern vor allem aus ökonomischen Gründen.
    Eine Aufhebung des Embargos käme der unkontrollierten Öffnung einer Schleuse gleich. Über Kuba würden sich über Nacht so viele Waren, so viel Geld und so viele Menschen ergießen, dass das Land darunter im Chaos zusammenbräche: die Infrastruktur, die Wirtschaft, das komplizierte Währungssystem, das von einer Inflation hinweggeschwemmt würde. Dies kann aber niemand wünschen. Abgesehen davon, stünden einer Aufhebung des Embargos rund 200 inhaftierte Dissidenten auf Kuba im Wege. Raul Castro hat erkannt, dass jetzt eine Gelegenheit wäre, sich dieses belastenden Themas zu entledigen. Wohl deshalb hat er noch auf dem ALBA-Gipfel angeboten, eine große Zahl der Häftlinge gegen fünf seit zehn Jahren in den USA in Isolationshaft sitzende Agenten auszutauschen. Havanna hatte die sogenannte "Miami Five" als Informanten in Kreise exilkubanischer Terroristen eingeschleust. Sie wurden aber trotz wertvoller Dienste auch für das FBI festgenommen und als "Spione" zu hohen Haftstrafen verurteilt. Raul Castro:
    "Wenn Sie diese politischen Gefangenen freibekommen wollen, von denen einige geständige Terroristen sind, Guatemalteken und Salvadorianer, dann sollen sie einfach unsere fünf Leute freilassen. Und wir schicken ihnen diese sogenannten Dissidenten und Patrioten mit samt ihrer Familien rüber."

    Das wäre ein guter Anfang. Unterdessen regten sechs demokratische US-Senatoren nach einem Kuba-Besuch an, künftig allen US-Bürgern, nicht nur Exilkubanern, zu erlauben, die Karibikinsel zu besuchen. - Die amerikanische Seite scheint sich damit abgefunden zu haben, dass Fortschritt mit und auf Kuba vorerst nur unter Mitwirkung jener erzielt werden kann, die seit einem halben Jahrhundert in Havanna an den Hebeln der Macht sitzen. Kubas Opposition, das hat auch Senator Luger erkannt, hat nichts zu bieten. Bisweilen scheint es, als ob Fidel Castro dabei die Rolle des bösen Buben übernommen hat und der fünf Jahre jüngere Raúl eher die des guten spielt. Den Amerikanern erschien der ewige Zweite, von dem es einst hieß, er sei die "Faust der Revolution", während Fidel "das Herz" verkörpere, in jüngerer Zeit tatsächlich eher als der umgänglichere, pragmatischere und weniger ideologische von beiden.
    Raúl Castro war es auch, der um die Jahrtausendwende in Havanna sogar geheime Zusammenkünfte pensionierter amerikanischer Viersternegeneräle mit gleichrangigen kubanischen Militärs initiierte. Aus US-Quellen verlautete, es sei um den Aufbau eines Vertrauensverhältnisses und Szenarien für den Tag X gegangen. Dazu passt, was General Leslie McCoy, ein ehemaliger Kommandeur des von den Castros seit ihrem Machtantritt zurückgeforderten US-Marinestützpunktes Guantánamo im Osten Kubas, vor einiger Zeit Erstaunliches erzählte: Dass er nämlich nicht nur regelmäßig zu vertraulichen Unterredungen mit seinem für den angrenzenden Militärabschnitt zuständigen kubanischen Generalskollegen zusammengetroffen sei, sondern dass man in dem abgelegenen Winkel sogar zivile amerikanisch-kubanische Übungen veranstalte:

    "Die Gespräche finden seit Mitte, Ende der Neunziger Jahre statt. Wir treffen uns monatlich. Unabhängig vom aktuellen Klima zwischen Washington und Havanna verlaufen diese Begegnungen sehr zivilisiert. Wir sprechen über die Rückführung von Flüchtlingen, über Militärmanöver, die wir in der Basis veranstalten, über Kommunikationsfragen. Wir kommunizieren miteinander per E-Mail, es gibt aber auch eine direkte Telefonverbindung für den Fall, dass etwas passiert und wir uns kurzschließen müssen. Einmal im Jahr veranstalten wir eine gemeinsame Brandschutzübung entlang des Grenzzauns, bei der wir unseren Hubschrauber benutzen, um deren Feuer zu löschen und umgekehrt. Sodann halten wir gemeinsam mit unserem jeweiligen medizinischen Personal eine Katastrophenübung ab. Wir sprechen auch über Baseball. Das Verhältnis ist sehr herzlich."
    Was lange am Zaun von Guantánamo so gut funktionierte, soll nun bald auch auf offizieller Bühne in den Hauptstädten beginnen. Washington hat bereits mit Planungen für informelle Treffen mit Vertretern der kubanischen Regierung begonnen. Es wird ein langer Weg sein, mit vielen kleinen Schritte, die gegangen werden müssen. Washington wird dabei eher auf Tempo setzen, Havanna hingegen eher auf die Bremse treten. Und: Für Raúl Castro dürften schwierige Zeiten beginnen. Am treffendsten beschrieb die populäre Bloggerin Yoani Sánchez aus Havanna die Zwickmühle, in der ihr Staatsoberhaupt jetzt schon steckt:

    "Trotzdem haben viele von uns das Gefühl, dass Raúl Castro nicht zu lange warten kann, um seinen nächsten Zug zu machen. Er kann versuchen, den Konflikt in die Länge zu ziehen, oder er kann durch eine Geste deutlich machen, dass er den weiteren Dialog will. Er ist gefangen in einer Situation, die man unter Schachspielern 'Zugzwang" nennt, bei dem ein Gegner verliert, weil er gezwungen ist, einen verhängnisvollen Zug zu machen, wenn er sich am liebsten überhaupt nicht mehr bewegen möchte."