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Der Wert der Natur

Was kostet die Umwelt? Dieser Frage widmet sich das Projekt "Naturkapital Deutschland", das von Wissenschaftlern des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung geleitet wird. Das Ziel: den gesellschaftlichen Wert von Ökosystemen verdeutlichen.

Von Dieter Nürnberger |
    Ziel des Vorhabens ist eine wissenschaftlich fundierte Beschreibung der vielfältigen Leistungen von Ökosystemen und Naturflächen in Deutschland. So soll beispielsweise für Wälder, für Auen und Moore, oder auch etwa für städtische Grün- oder Forstanlagen ein gesellschaftlicher Wert verdeutlicht werden. Und mit diesen Erkenntnissen sollen dann die Entscheidungsträger in Politik und Wirtschaft konfrontiert werden. Das ist die Grundidee von Naturkapital Deutschland, sagt Bernd Hansjürgens vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung, der Projektleiter.

    "Die Anwälte der Natur haben Argumente, die allerdings weniger gehört werden. Denn im politischen Prozess entscheiden oft ökonomische Argumente – berücksichtigt werden Sach- und Humankapital, aber eben nicht das Naturkapital. Und wenn in diesem Sinne Leute die Hand heben und sagen. da sind auch noch Werte, die auf die Waagschale gehören, bevor entschieden wird – dann ist es das, was wir wollen."

    In Berlin findet heute im Bundesumweltministerium die Auftaktveranstaltung zu Naturkapital Deutschland statt. Es geht auch darum, einen volkswirtschaftlichen Nutzen von Natur aufzuzeigen. Denn die Vorsorge zur Sicherung unserer Lebens- und Wirtschaftsgrundlagen sei deutlich preiswerter als der Versuch, schon Verlorengegangenes zu ersetzen, so Bernd Hansjürgens.

    Ein konkretes Beispiel: Seit Jahren wird über Pro- und Kontra der Elbvertiefung diskutiert. Ginge es nach dem Leitbild von Naturkapital Deutschland, dann sehe die Diskussion darüber anders aus als gewohnt.

    "Der entscheidende Punkt ist, dass wir uns klarmachen, was gewinnen wir und was verlieren wir. Mit einer Vertiefung gewinnen wir natürlich Möglichkeiten im wirtschaftlichen Bereich – Transportmöglichkeiten und Ähnliches mehr. Wir verlieren aber die Einzigartigkeit der Elbe, wir verlieren den Zugang des Flusses als Erholungsraum, die biologische Vielfalt und vieles andere mehr. Das alles in den Entscheidungen besser sichtbar zu machen, das ist das Hauptanliegen."

    Auf der Tagung werden auch Beispiele für positive ökologische und ökonomische Effekte einer nachhaltigen Naturnutzung präsentiert. So gilt der Stadtwald in Lübeck schon seit einigen Jahren als gutes Beispiel dafür, dass sich Ökologie und Ökonomie gut miteinander vereinbaren lassen. Knut Sturm vom Bereich Wald der Stadt Lübeck.

    "Wir haben bereits vor über 20 Jahren ein Waldbewirtschaftungskonzept vorgelegt. Da gibt es eine generelle – über alle Fraktionen hinweg – Übereinstimmung, dass man in Lübeck den Wald mehr oder weniger in Ruhe lässt. Passiert dies trotzdem – etwa bei einem wichtigen Straßenprojekt – dann greift das normale Ausgleichsmanagement: Wenn wir bei uns einen Hektar Wald roden, dann werden dafür fünf Hektar oder mehr neu angelegt. Das sind Verhandlungssachen, die dann so geregelt werden."

    Es gehe weniger darum, ein konkretes Preisschild für ein bestimmtes Stück Natur zu bestimmen, das ist ohnehin schwierig. Es gehe vielmehr darum, eine nachhaltige Entwicklung zu gewährleisten, die sämtliche Aspekte berücksichtigt, sagt Knut Sturm vom Lübecker Stadtwald.

    "Wir können es natürlich auch ausrechnen: Unser Stadtwald hatte mit Stichtag 2004 einen Wert von 94 Millionen Euro. Das ist das reine Holz. das hat nichts mit vorhandenem Trinkwasserschutz zu tun, das ist auch nicht der Erholungswert, der dahintersteht. Somit ist das zu kurz gedacht. Wie will man Trinkwasser denn monetarisieren? Ansätze dafür gibt es zwar, schwierig wird es aber, wenn es um eine Entschädigung dafür geht."
    Bis 2015 soll der Wissensstand über den Wert und die Leistungen der Natur in Deutschland zusammengetragen werden. Es geht darum, den ideellen Wert von intakten Ökosystemen künftig mitzudenken.