Barbara Kuhnert: Nein, ich denke nicht, dass man das als Antwort lesen kann. Der Report stellt meiner Ansicht nach erst mal das Ganze vom Kopf auf die Füße. Wir haben ja diese Autorengruppe beauftragt, die Kernprobleme in dem Verhältnis der westlichen und der islamischen Welt zu formulieren. Bislang scheint es uns so, ist der umgekehrte Weg gegangen. Der Westen hat eingeklagt und hat gesagt, es ist keine Demokratie, wir haben keine Rechtsstaatlichkeit, wir haben keine liberale Gesellschaft, die Rolle der Frauen ist nicht so, wie sie sein sollte. Nun sind wir mal den umgekehrten Weg gegangen, um zu hören, "wie seht ihr das in der islamischen Welt".
Fischer: Wie anders sieht denn dieser Blick auf die Probleme der moslemischen Länder aus? Es geht ja nicht nur um den näheren oder weiteren Osten, sondern die Positionen reichen von Bosnien Herzegowina bis Malaysia.
Kuhnert: Das war eigentlich das Interessante in der Vorbereitung, dass obwohl Bosnien Herzegowina, Pakistan, Malaysia eingebunden sind bis Ägypten und Syrien und die palästinensischen Gebiete, sich die Autoren im Kern einig waren. Im Grunde genommen sind die Kernprobleme, die die auf die Historie zurückgehen, wenn Sie wollen bis zu den Kreuzzügen, bis zur Auflösung des osmanischen Reiches und so weiter, und das, was wir heute auch als schärfste Eskalation im Irak sehen und natürlich in den palästinensischen Gebieten.
Fischer: Worin bestehen diese Kernprobleme?
Kuhnert: Das sind natürlich einmal die Stereotypen, die Vorurteile, die auf beiden Seiten sind. Das ist der Hauptpunkt, dass auch gesagt wird, im Westen gibt es kein differenziertes Bild der islamischen Gesellschaften, sondern wir haben da eine sehr verkürzte Vorstellung. Wir haben Bilder, wir haben 1001 Nacht, wir haben Haremsbilder und so weiter. Je nach Bildungsgrad ist es vielleicht auch manchmal etwas differenzierter, aber trotzdem ist die Sicht zu kurz. Die Autoren sagen, unsere Gesellschaften sind sehr viel differenzierter. Es gibt nicht eine Welt des Islam, genauso wenig wie es eine Welt des Westen gibt, was wir ja sehr schön mit Einmarsch der Amerikaner in den Irak gesehen haben. Dort wurde ja deutlich, dass wir unterschiedliche Positionen im Westen haben. Diese wechselseitige Vereinfachung führt natürlich zu Klischees, zu Stereotypen, zu Vorurteilen, und die müssen aufgebrochen werden.
Fischer: Arbeiten die Autorinnen und Autoren denn daran, diese Vorurteile aufzubrechen?
Kuhnert: Wir haben die Autoren so ausgewählt. Vier von ihnen sind Hochschullehrer, die diese Positionen in Seminaren an den Universitäten erarbeitet haben. Das heißt, das Gedankengut der jungen Menschen ist dort mit eingeflossen. Was mich sehr gefreut hat - ich mache jetzt einen kleinen Sprung - ist, dass wir am Donnerstag einen Anruf bekamen von einem Lehrer von einer Kölner Schule, der den Report im Internet gelesen hatte und der auch davon gehört hatte. Er will dieses mit seinen Schülern - ja wir werden ein paar Exemplare hinschicken - durcharbeiten. Das ist jetzt eigentlich das Ziel. Wir haben den Report im großen Stil - wir haben fünftausend Exemplare gedruckt - an die entscheidenden Akteure in Deutschland und in der islamischen Welt verteilt und hoffen, dass sie jetzt Schlüsse daraus ziehen. Ein Schluss, der zum Beispiel ganz, ganz wichtig für mich ist, das sagen die Autoren auch, ist, dass die Schulbücher auf beiden Seiten reformiert werden müssen. Wir müssen Programme entwickeln, wo wir junge Leute stärker zusammenbringen. Die Intellektuellen hier wie dort sind sich eh einig. Wir müssen an die Basis. Wir müssen den Dialog in die Gesellschaft hineintragen, und dazu gehört für mich - ein ganz, ganz wichtiger Punkt neben Schulbüchern und der Zielgruppe junge Menschen - das interkulturelle Training. Wir müssen stärker noch - das ifa bietet das teilweise an, aber da gibt es auch noch andere Mitspieler - interkulturelle Trainings anbieten. Wenn man jetzt sieht, wie die Amerikaner im Irak, jetzt mal unabhängig von der militärischen Sache, interkulturell die Iraker kränkend verletzen und damit immer wieder neue Gewalt schüren, finden wir insgesamt im ifa, dass dieses interkulturelle Training auf beiden Seiten ein ganz, ganz wichtiger Aspekt ist.
Fischer: Es geht um den Abbau von Klischees über die moslemische Welt. Danke an Barbara Kuhnert vom Institut für Auslandsbeziehungen.