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Der Widerstand von Vicenza

Schon seit Ende des Zweiten Weltkrieges unterhalten die amerikanischen Streitkräfte im norditalienischen Vicenza Munitionsdepots und Kasernen. Jetzt soll der Stützpunkt weiter ausgebaut werden. Dagegen formiert sich Widerstand. Karl Hoffmann berichtet.

    Danilo sitzt auf einem Liegestuhl im Schatten einer Zeltplane an der Strada Sant Antonino. Seit 35 Tagen rührt er sich nicht vom Fleck. Und genauso lange nimmt er keine Speisen mehr zu sich. Danilo ist Rentner, 75 Jahre alt und im Hungerstreik. Er kämpft gegen die geplante Militärkaserne in Vicenza. Resigniert schaut er auf die Bagger, die bereits mit den ersten Bauarbeiten begonnen haben.

    "Natürlich werden wir den Krieg nicht abschaffen, nur weil wir eine Kaserne verhindern. Aber ich würde mich, ohne mit der Wimper zu zucken, erschießen lassen, wenn ich damit dem Frieden dienen könnte. Es geht mir um die moralische Kraft, die auch der Tod nicht brechen kann, eine Kraft, die das Leben unsterblich macht. Und noch eins: Wir sind enttäuscht von den Politikern, egal ob rechte oder linke."

    Vicenza, eine Stadt mit 110.000 Einwohnern am Südrand der Alpen: viele Fabriken fleißige Bewohner, Heimat des berühmten Renaissancebaumeisters Palladio und - wegen seiner strategischen Lage - Militärstützpunkt. Schon seit Kriegsende haben die amerikanischen Streitkräfte hier Munitionsdepots und Waffenlager und Kasernen. Jetzt soll eine weitere gebaut werden. Für den Bürgermeister Enrico Hüllweck, Sohn eines deutschen Luftwaffenangehörigen, der bei Kriegsende in Vicenza hängenblieb, kein Grund zur Aufregung.

    "Bis heute wissen nicht alle Bürger, dass es 10.000 Soldaten in Vicenza gibt. Das ist eigentlich eine ziemlich große Zahl, aber sie vermeiden es aufzufallen. Nach dem zweiten Weltkrieg hatten die Amerikaner noch schwere Waffen hier gelagert. Aber nach dem Fall der Mauer wurde Vicenza mehr zu einer Erholungsbasis für Soldaten, die hier nur auf einen Einsatz in anderen Teilen der Welt warten. Hierher kommen also Soldaten nur zum Schlafen, das hat unser Verteidigungsminister selbst gesagt, und zwar amerikanische Fallschirmjäger."

    Nach Vicenza sollen die Restbestände der 173. Fallschirmjäger Brigade umziehen, die heute noch in Deutschland, in Schweinfurt und in Bamberg, stationiert sind und die derzeit als schnelle Eingreiftruppe in Afghanistan eingesetzt werden. Seit die Pläne des Pentagon bekannt sind, hat auch Cinzia Bottene ihr beschauliches Hausfrauendasein aufgegeben und sich dem Dauerprotest gegen die neue Militärbasis angeschlossen. Vicenza gehört zum Weltkulturerbe der UNESCO. Kasernen haben da keinen Platz:

    "Das Gebiet der geplanten Kaserne befindet sich nur 1700 Meter Luftlinie vom Zentrum, der Basilica Palladiana, entfernt. Wir gehören zum Weltkulturerbe, und nur ein Verrückter kann eine Kaserne so nahe an derart berühmte Bauwerke stellen wollen. Hier auf der anderen Seite der Straße ist noch eine weitere Villa von Palladio. Die ist nur 500 Meter entfernt."

    Vor einigen Monaten hat Cinzia zusammen mit ihren Kampfgefährten die größte Protestkundgebung auf die Beine gestellt, die Vicenza je erlebt hat. 120.000 Menschen kamen, mehr als Vicenza Einwohner hat. Sogar Nobelpreisträger Dario Fo trat auf und sang lauthals: 'Nein die Amerikaner wollen wir nicht'.

    Den Vorwurf, antiamerikanisch eingestellt zu sein, akzeptiert Cinzia aber nicht.

    "Wir sind Freunde der Amerikaner. Und wenn ein Freund zu mir kommt, dann biete ich ihm natürlich gerne ein Zimmer an. Wenn der aber im Lauf der Zeit auch noch das Wohnzimmer, die Küche und das Bad übernehmen will, dann ist es aus mit der Freundschaft."