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Der wiederbelebte Traditionalist

Max Bruch sah sich schon mit 26 Jahren als Traditionalist. Den "modischen Irrtümern" eines Richard Wagners oder Richard Strauß konnte er nichts abgewinnen. Viele seiner Werke klassizistischer Tradition wurden so im Laufe der Jahre vergessen. Das Gürzenich Orchester in Köln hat sich Bruch wieder angenommen.

Von Ludwig Rink |
    Von Max Bruchs umfangreichem Oeuvre hat nur sehr wenig die Zeitüberdauert. Bruch ist einer von den Musikern, deren Werk schon zu Lebzeiten Geschichte wird. Zunächst einer der Großen des Musikbetriebs, wird er später zunehmend von verschiedenen neuen Strömungen überholt, was bei ihm zu Rückzug und zunehmender Verbitterung führt.

    Von Anfang an gibt er sich als Traditionalist; schon mit 26 Jahren schreibt er in einem Brief an Johannes Brahms, er halte nichts davon, "sich den modischen Irrtümern zu überlassen". Was hier auf die damals neue Musik eines Franz Liszt oder Richard Wagner gemünzt ist, weitet sich nach und nach auch auf andere Stilrichtungen aus. Schon mit diesen "Neudeutschen", mit ihrer Programmusik und ihren Bühnenkonzepten kann er als junger Mensch nichts anfangen, später richtet sich seine Kritik gegen Richard Strauß und Max Reger, von Gustav Mahler oder den sich Anfang des 20. Jahrhunderts abzeichnenden unterschiedlichen Strömungen einer wirklich radikal Neuen Musik ganz zu schweigen. Bruch stand zeitlebens in der klassizistischen Tradition eines Mendelssohn-Bartholdy, schrieb mit großem Können in diesem Stil, auch auf die Gefahr hin, sich zu wiederholen. So gerieten viele seiner Werke in Vergessenheit, nur sein 1. Violinkonzert erscheint bis heute regelmäßig in Konzertprogrammen und auf Schallplatten.

    Musikbeispiel: Max Bruch - 1. Satz (Ausschnitt) aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 1 g-moll

    Jetzt hat das Kölner Gürzenich-Orchester mit seinem Konzertmeister Torsten Janicke als Solist und unter der Leitung seines noch relativ neuen Chefdirigenten Markus Stenz das erste und das dritte Violinkonzert von Max Bruch für die Plattenfirma ebs records aufgenommen. Janicke, 1958 in Dresden geboren, begann als Siebenjähriger, Violine zu spielen und war schon wenig später Preisträger des Zentralen Jugendmusikwettbewerbs der DDR. Aufgrund seiner außergewöhnlichen Begabung wurde er schon mit 13 Jahren in die Dresdner Spezialschule für Musik aufgenommen. Er studierte an der Dresdner Musikhochschule "Carl Maria von Weber", besuchte Meisterklassen, gewann internationale Wettbewerbe in Leipzig, Sion, Indianapolis und den ARD-Wettbewerb in München. Mit 24 Jahren war er 1. Konzertmeister beim Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig, 1989 ging er in derselben Position zunächst zu den Essener Philharmonikern, bis er 1991 als Erster Konzertmeister vom städtischen Gürzenich Orchester Köln verpflichtet wurde.

    Musikbeispiel: Max Bruch - 2. Satz (Ausschnitt) aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 1

    Das Gürzenich Orchester Köln hat in den letzten Jahren vor allem unter Leitung von James Conlon, dem Vorgänger von Markus Stenz, seine Schallplatten-Aktivitäten stark ausgebaut. In bester Erinnerung ist der Zemlinsky-Zyklus, aber auch die Reihe mit Violinkonzerten des 20. Jahrhunderts, die CDs mit Werken von Viktor Ullmann, Franz Schreker oder Karl Goldmark. Hinzu kommt die noch im Werden begriffene ehrgeizige Schostakowitsch-Gesamtaufnahme unter Leitung von Dmitrij Kitajenko. Aber auch Max Bruch war unter Conlons Leitung schon mit den Sinfonien 1 bis 3 vertreten. So erweitert Nachfolger Markus Stenz auch in diese Richtung das Repertoire, zumal Bruch ja mit seinem Geburtsort Köln, seiner Studienzeit bei Ferdinand Hiller und späteren Wirkungsstätten wie Koblenz und Bonn durchaus als Rheinländer eingeordnet werden kann.

    Im September 1890 zog Max Bruch dann allerdings mit seiner Frau und den vier Kindern nach Berlin, wo er eine Meisterklasse für Komposition an der Akademie der Künste übernahm. Hier entstand auch das heute viel weniger bekannte 3. Violinkonzert, wieder unter Beratung des großen Geigers Joseph Joachim, der schon bei vielen Details des 1. Konzertes intensiv mitgewirkt hatte. Dieses 3. Violinkonzert bleibt den gleichen ästhetischen Idealen verpflichtet wie das erste, und in der Formanlage kommt es noch bedeutend traditioneller daher: Der 1. Satz in der klassischen Sonatenhauptsatzform mit dem Kontrast zwischen einem kantig-energischen und einem lyrisch-singenden Thema, dann eine langsame Romanze als zweiter Satz und schließlich ein zupackendes Rondo mit wirkungsvollen Doppelgriffen der Violine an dritter Stelle.

    Musikbeispiel: Max Bruch - Finale aus dem Konzert für Violine und Orchester Nr. 3

    Diskografische Angaben

    Titel: "Max Bruch - Violinkonzerte 1 &3"
    Solist: Torsten Janicke, Violine
    Orchester: Gürzenich Orchester
    Leitung: Markus Stenz
    Label: ebs records (www.ebsmusikproduktion.de)
    Labelcode:LC 08494
    Bestellnr.: ebs 6143