"Wenn in einem Stück der Wurm drin ist", meinte eine Kollegin vor der Premiere, "dann bleibt er da meistens auch." Heute ist festzustellen: Sie hatte Recht. Der Wurm steckt überall: im Stück, das vor unfreiwilliger Komik strotzt, weil Anna Franziska Srna als erfahrene Wohnwagen-Prostituierte (weiße Schnürstiefel, weiße Leggins, weißes Mieder, weißblonde Perücke) tief greifenden, aber leider nur pseudopoetischen Flachsinn in den Mund gelegt bekomm wie zum Beispiel: "In meinem Inneren wächst schon das Gras auf meinem Grab." Oder: "Ich verstehe jetzt, das eine Umarmung eine Bemitleidung ist." Wenn ein 25-Jähriger zu ihr kommt, ist das "die Anschmiegung des Lebendigen an das Tote". Puh! Und das, nachdem es gerade noch um Cellulite am Brustansatz ging.
Der Wurm steckt im Bühnenbild, das unten hui und oben pfui ist. Drei Frauen, die in drei verschiedenen Zeitaltern als Sexarbeiterinnen Hand anlegen - freiwillig oder nicht, zum Zwecke des Lebensunterhalts oder einfach nur des Überlebens, in Kriegs- oder Friedenszeiten - kriechen auf einer Mauer aus alten Kleidern, die eine Art Schützengrabenlandschaft formen, herum wie auf einem Schlachtfeld. Sehr schöne Metapher, die Andrea Uhmann gebaut hat, aber warum muss die Sache überflüssigerweise auch noch mit Videokamera an die Decke projiziert werden? Zu diesem Zweck hängt sogar ein Wurm von oben herab, mit Kamera am Fortsatz, in die Barbara Nüsse als alte Hure mit in den Nacken gelegtem Kopf sprechen muss wie eine Gottsucherin.
Der Wurm steckt in der Regie von Stephanie Mohr, die dieser Schauspielerin einen angestrengten Stadttheaterton durchgehen lässt und die Entdeckung der letzten Saison, die herausragende Julischka Eichel, überhaupt erst nach einer guten Stunde ins Spiel bringt. Als Dienstmädchen des 19. Jahrhunderts tauscht sie Sex mit dem Hausherrn gegen eine Wohnung, die er finanziert, und etwas eigener Freiheit.
Der Wurm zwischen Männerbeinen spielt dagegen eher eine Nebenrolle. Es ist ja kein Geheimnis, dass der Schriftsteller selbst den Sex für "überschätzt" hält. Die Männertypen, die Wilhelm Genazino hier zeichnet - alle gespielt von Daniel Rohr (sic!) - agieren deshalb als dem eigenen Bedürfnis ergebene Händler, die immer hart an einer weinerlichen "Ich bin auch nur Opfer"-Haltung vorbeischrammen und nichts erzählen: nicht über das Geschäft des Krieges, das den Frauenkörper zur jederzeit verfügbaren natürlichen Währung macht, selbst auf einem Flüchtlingstreck, selbst im bitterkalten Winter. Es gibt eine anrührende Geschichte in dieser Weltkriegspassage darüber, wie ein Kind stirbt, ansonsten erfährt man nicht mehr als in einem Zeitungsartikel über vergewaltigte Frauen steht. Der Rest sind Phrasen, "Ficken als Gehirnereignis", wie es im Text heißt.
Wenn wir etwas erfahren hätten über den Krieg oder über Sex, über den Schmerz oder auch nur über "die Frauen", dann hätte sogar der zarte Schmelz des kleinen Männerchores gepasst, der einfache Weisen aus dem 16. Jahrhundert und bekannte Volkslieder singt. So bleibt auch er, was in dieser Saison zum Problem einiger "Kreationen" wurde: ein "Gehirnereignis" im musikalischen Gewand. Was die RuhrTriennale unter Gerard Mortier zum Ereignis machte, war, dass sich unter dem Label der "Kreationen" tatsächlich eine neue wegweisende Theatersprache etablierte zum Beispiel mit Alain Platels Stück "Wolf" oder Johan Simons "Sentimenti". Was die RuhrTriennale heute braucht, sind weniger gehypte Namen, weniger Kopfgeburten, und dafür mehr Kunst. Oder, auf den misslungenen "Courasche"-Abend gemünzt: weniger dramaturgisches Gleitmittel, und etwas mehr "gefühlsecht" bitte. Sonst wird die RuhrTriennale demnächst wie eine gealterte Hure in deutlich kleinerer Münze gehandelt.
Der Wurm steckt im Bühnenbild, das unten hui und oben pfui ist. Drei Frauen, die in drei verschiedenen Zeitaltern als Sexarbeiterinnen Hand anlegen - freiwillig oder nicht, zum Zwecke des Lebensunterhalts oder einfach nur des Überlebens, in Kriegs- oder Friedenszeiten - kriechen auf einer Mauer aus alten Kleidern, die eine Art Schützengrabenlandschaft formen, herum wie auf einem Schlachtfeld. Sehr schöne Metapher, die Andrea Uhmann gebaut hat, aber warum muss die Sache überflüssigerweise auch noch mit Videokamera an die Decke projiziert werden? Zu diesem Zweck hängt sogar ein Wurm von oben herab, mit Kamera am Fortsatz, in die Barbara Nüsse als alte Hure mit in den Nacken gelegtem Kopf sprechen muss wie eine Gottsucherin.
Der Wurm steckt in der Regie von Stephanie Mohr, die dieser Schauspielerin einen angestrengten Stadttheaterton durchgehen lässt und die Entdeckung der letzten Saison, die herausragende Julischka Eichel, überhaupt erst nach einer guten Stunde ins Spiel bringt. Als Dienstmädchen des 19. Jahrhunderts tauscht sie Sex mit dem Hausherrn gegen eine Wohnung, die er finanziert, und etwas eigener Freiheit.
Der Wurm zwischen Männerbeinen spielt dagegen eher eine Nebenrolle. Es ist ja kein Geheimnis, dass der Schriftsteller selbst den Sex für "überschätzt" hält. Die Männertypen, die Wilhelm Genazino hier zeichnet - alle gespielt von Daniel Rohr (sic!) - agieren deshalb als dem eigenen Bedürfnis ergebene Händler, die immer hart an einer weinerlichen "Ich bin auch nur Opfer"-Haltung vorbeischrammen und nichts erzählen: nicht über das Geschäft des Krieges, das den Frauenkörper zur jederzeit verfügbaren natürlichen Währung macht, selbst auf einem Flüchtlingstreck, selbst im bitterkalten Winter. Es gibt eine anrührende Geschichte in dieser Weltkriegspassage darüber, wie ein Kind stirbt, ansonsten erfährt man nicht mehr als in einem Zeitungsartikel über vergewaltigte Frauen steht. Der Rest sind Phrasen, "Ficken als Gehirnereignis", wie es im Text heißt.
Wenn wir etwas erfahren hätten über den Krieg oder über Sex, über den Schmerz oder auch nur über "die Frauen", dann hätte sogar der zarte Schmelz des kleinen Männerchores gepasst, der einfache Weisen aus dem 16. Jahrhundert und bekannte Volkslieder singt. So bleibt auch er, was in dieser Saison zum Problem einiger "Kreationen" wurde: ein "Gehirnereignis" im musikalischen Gewand. Was die RuhrTriennale unter Gerard Mortier zum Ereignis machte, war, dass sich unter dem Label der "Kreationen" tatsächlich eine neue wegweisende Theatersprache etablierte zum Beispiel mit Alain Platels Stück "Wolf" oder Johan Simons "Sentimenti". Was die RuhrTriennale heute braucht, sind weniger gehypte Namen, weniger Kopfgeburten, und dafür mehr Kunst. Oder, auf den misslungenen "Courasche"-Abend gemünzt: weniger dramaturgisches Gleitmittel, und etwas mehr "gefühlsecht" bitte. Sonst wird die RuhrTriennale demnächst wie eine gealterte Hure in deutlich kleinerer Münze gehandelt.