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Der zerrissene Bierdeckel

Deutschland hinkt im internationalen Wettbewerb hinterher, hohe Unternehmenssteuern und Bürokratie-Hemmnisse schrecken neue Investoren ab oder treiben die alten aus dem Land - so die düstere Bestandsaufnahme. Die Großkoalitionäre sind mit dem ehrgeizigen Ziel angetreten, diese Situation zu verändern. Ein integraler Bestandteil ihrer Wirtschaftspolitik ist dabei die geplante Unternehmenssteuerreform.

Von Constanze Hacke | 09.07.2006
    Folgt man dem Koalitionsvertrag, ist die Zielvorgabe eindeutig: Es muss endlich eine von Rechtsform und Finanzierung unabhängige Besteuerung geben. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit und Europatauglichkeit soll verbessert werden. Und trotzdem sollen die öffentlichen Kassen nicht darunter leiden. Klar ist aber bislang vor allem eines: Eine Unternehmenssteuerreform passt nicht auf einen Bierdeckel. Das wäre zwar der Öffentlichkeit gut zu verkaufen, ginge aber an der Realität vorbei. Zu kompliziert ist das bisherige Recht, zu verzweigt sind seine Ausnahmeregeln. Bleibt es also wieder nur bei Symbolpolitik, um die öffentlichen Kassen zu schonen? Oder ist die Unternehmenssteuerreform der große Wurf, der für Arbeit und Wachstum im Lande sorgen könnte?

    Eigentlich gibt es sie gar nicht. Eine Unternehmenssteuer existiert in Deutschland weder im Gesetz, noch gibt es eine einheitliche Steuerart für Firmen. Und das ist Teil des Problems. Denn Unternehmen hierzulande werden - je nach Rechtsform und Branche - auf unterschiedlichste Weise vom Finanzamt zur Kasse gebeten. Befürworter sprechen von Vielfalt und sicheren Einnahmen für die öffentlichen Kassen, Gegner von einem Chaos, das ausländische Investoren abschrecke.

    "Die Mischung von Einkommensteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuer macht nicht nur jede Reform der Unternehmensbesteuerung schwierig - es macht es vor allem fast unmöglich, die steuerliche Belastung deutscher Unternehmen tatsächlich zu ermitteln. Und je nachdem, auf welche Steuerart der Betrachter schaut, gehören die deutschen Steuersätze zu den niedrigsten oder aber zu den höchsten in ganz Europa."

    Steuer Nummer 1 - die Einkommensteuer
    Mehr als 80 Prozent aller Unternehmen in Deutschland sind Einzelunternehmen und Personengesellschaften. Ob Einzelhändler, Handwerksbetrieb, Friseursalon, Rechtsanwaltskanzlei oder Maschinenzulieferer: Sie alle haben steuerlich häufig eines gemeinsam - sie zahlen auf ihren Gewinn Einkommensteuer. Denn die wird für sämtliche Personenunternehmen fällig:

    "Sowohl der Inhaber eines Einzelunternehmens als auch die Gesellschafter einer GbR, einer Partnerschaftsgesellschaft, einer Offenen Handelsgesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft werden mit der gleichen Steuer belegt, die der Staat auch von Arbeitnehmern verlangt. Je nach Höhe ihres Unternehmensgewinns zahlen sie zwischen 15 und 42 Prozent Einkommensteuer. Eigentlich keine schlechte Sache, zumal sich bei der Einkommensteuer in den zurückliegenden Jahren einiges getan hat. Sowohl Spitzen- als auch Eingangssteuersatz sind in den vergangenen Jahren deutlich gesunken, 1998 lagen sie noch bei jeweils 53 beziehungsweise 26 Prozent."

    Sowohl aus unternehmerischer als auch aus gesellschaftlicher Sicht gibt es bei der Einkommensteuer allerdings ein Problem: Dem Fiskus ist es völlig gleichgültig, ob die Inhaber und Mitgesellschafter die Gewinne für ihr Privatvergnügen einstreichen - oder ob sie sie im Unternehmen belassen. Zum Beispiel für Investitionen oder die Finanzierung neuer Arbeitsplätze. Denn die einzelnen Gesellschafter einer Personengesellschaft müssen den ihnen zugewiesenen Teil bei ihrer persönlichen Einkommensteuererklärung versteuern, und zwar völlig unabhängig davon, ob sie den Gewinn entnehmen oder nicht. Die Anwältin und Steuerberaterin Susanne Christ war früher bei der Berliner Finanzverwaltung und hat jetzt eine eigene Kanzlei in der Kölner Innenstadt. Sie berät viele solcher kleinerer Unternehmen und kennt das Problem:

    "Ich habe gerade einen Fall, wo es um eine Personengesellschaft geht. Da sind vier Beteiligte, die haben ordentlich Gewinn gemacht, schütten sich aber nicht so viel Geld aus in Form von Entnahmen, müssen aber den hohen Gewinn bei sich persönlich versteuern, sodass zum Teil die Entnahme geringer ist, als die Steuer, die sie nachher zahlen sollen."

    Personengesellschaften werden nicht belohnt, wenn sie Gewinne im Unternehmen belassen - und Reinvestieren damit indirekt bestraft.

    Steuer Nummer 2 - die Körperschaftsteuer
    Andere Rechtsform, andere Steuer: Kapitalgesellschaften - also eine GmbH oder eine AG - zahlen auf ihren Gewinn Körperschaftsteuer. Der gesamte Gewinn des Unternehmens wird der Gesellschaft zugeordnet – und dort auch versteuert. Im Grunde ist die Körperschaftsteuer also eine besondere Art der Einkommensteuer für juristische Personen. Und eine besonders niedrige Steuerart.

    "Lag der Körperschaftsteuersatz 1998 noch bei 45 Prozent, beträgt er - mit Ausnahme einer kurzfristigen Erhöhung - jetzt seit fünf Jahren einheitlich 25 Prozent. Dieser Satz ist wohl die am häufigsten verwendete Kennzahl für die Unternehmensbesteuerung in Deutschland - obwohl die Kapitalgesellschaften hierzulande klar in der Minderheit sind. Ginge es also bei Konzernen nur darum, Körperschaftsteuer zu zahlen, wäre die Welt auch für ausländische Investoren einigermaßen in Ordnung."

    Steuer Nummer 3 - die Gewerbesteuer
    Was die Steuerbelastung von vielen Unternehmen in die Höhe treibt, ist die Gewerbesteuer. Hier verläuft die Trennlinie nicht zwischen Personen- und Kapitalgesellschaften, sondern zwischen Freiberuflern - wie Ärzten, Rechtsanwälten oder Ingenieuren - und Gewerbetreibenden. Wem das Unternehmen gehört oder wem die Gewinne zufließen, spielt bei der Gewerbesteuer keine Rolle - ebenso wenig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Inhabers. Daher wird die Gewerbesteuer auch gänzlich anders berechnet als die Körperschafts- oder die Einkommensteuer. Zum Gewinn müssen beispielsweise Kreditzinsen, die das Unternehmen an die Bank zahlt, hinzugerechnet werden. Der Hintergrund: Bei der Gewerbesteuer soll die tatsächliche Ertragskraft eines Unternehmens besteuert werden, und zwar unabhängig davon, ob ein Unternehmen mit eigenem oder fremdem Kapital arbeitet. Das Ergebnis - der Gewerbeertrag - wird vom Finanzamt mit einer Steuermesszahl mit bis zu fünf Prozent multipliziert.

    "Und nun kommen die einzelnen Kommunen ins Spiel, denn die Gewerbesteuer ist ihre Steuer. Sie legen mit einem prozentualen Hebesatz fest, wie viel Gewerbesteuer am Ende gezahlt werden muss. Dieser Hebesatz variiert von Kommune zu Kommune ganz erheblich: Im Schnitt liegt er bundesweit bei knapp 390 Prozent; in vielen Städten und Gemeinden jedoch weit darüber. Die Gewerbesteuer ist aber nicht nur eine wichtige Einnahmequelle der Kommunen, sondern auch eine Einflussmöglichkeit, Unternehmen fernzuhalten oder anzulocken."

    Zum Beispiel für Bergkamen - eine kleine Stadt im Norden von Dortmund mit rund 53.000 Einwohnern. Die adretten kleinen Häuschen in knatschgrün, ocker und weiß erinnern kaum noch daran, dass sie früher zu einer Zechensiedlung gehörten. Das herausgeputzte Stadtbild wiederum lässt nicht vermuten, dass 21 Prozent der Einwohner arbeitslos sind - darunter fast jeder vierte Jugendliche. Roland Schäfer ist seit acht Jahren Bürgermeister der alten Bergbaustadt. Er rechnet fest mit dem Strukturwandel, der inzwischen einen großen Chemie-Konzern nach Bergkamen gebracht hat. Und er zählt auf die Gewerbesteuer:

    "Die Gewerbesteuer hat den Vorteil, dass sie tatsächlich ein Band zwischen der Kommune und der Wirtschaft herstellt. Wenn es die Gewerbesteuer überhaupt nicht mehr gäbe, würden schon viele Kommunen überlegen, haben sie überhaupt ein Interesse noch an Industrieansiedlungen. Will man sich das nicht eigentlich lieber ersparen? Fährt man nicht viel besser als vernünftige Schlafstadt ohne störendes Gewerbe, was allen nur auf den Geist geht, wenn man da ohnehin nichts von hat? Da setzt man lieber auf den Anteil an der Einkommensteuer, versucht eine kaufkräftige Einwohnerschaft zusammenzubekommen - was man über Ausweisung entsprechender Baugebiete auch durchaus ein bisschen steuern kann. Das kann eigentlich nicht im Interesse von Industrie und Gewerbe sein."

    "Für Städte und Gemeinden bringt die Gewerbesteuer in der Tat einige Vorteile in Form von - mehr oder weniger - verlässlichen Einnahmen mit sich. 2005 erreichten die Gewerbesteuereinnahmen der Kommunen mit 23,4 Milliarden Euro einen neuen Rekordstand. Und das Bundesfinanzministerium rechnet in seinem aktuellen Monatsbericht damit, dass diese Tendenz weiter anhält. Kein Wunder also, dass die Kommunen bei allen bisherigen Versuchen, die Unternehmensbesteuerung zu reformieren, um fast jeden Preis an der Gewerbesteuer festhalten wollen."

    "Wir können uns auf andere Modelle nur dann einlassen, wenn wir wirklich sicher sind, dass das, was die Gewerbesteuer bringt für uns, auch in dem neuen Modell gewährleistet ist. Das heißt, nicht nur vom Ergebnis her, also in etwa dasselbe Aufkommen, was wir jetzt haben, aber das auch diese Gestaltungsmöglichkeit der Kommune vor Ort betrifft. Gerade die Möglichkeit, den Hebesatz festzulegen innerhalb bestimmter Grenzen, ist ein Teil von kommunaler Selbstverwaltung, von kommunaler Freiheit. Wir werden sicher nicht leichtfertig die Gewerbesteuer, die wir jetzt haben, die auch im Grundgesetz ja festgeschrieben ist, aufgeben, ohne die Alternativen zu kennen."

    Was für die Kommunen in Zeiten hoher Verschuldung ein Segen ist, ist für Unternehmen ein Standortnachteil. Denn fast nirgendwo sonst in Europa wird eine derartige Steuer verlangt. Die Gewerbesteuer sorgt vor allem bei Kapitalgesellschaften dafür, dass sich zusammen mit der Körperschaftsteuer eine Gesamtbelastung von 38,7 Prozent ergibt. Deutschland ist damit einsame Spitze in Europa.

    Steuerangebote in Europa: Belgien 34 Prozent, Großbritannien 30 Prozent, Dänemark 28 Prozent, Österreich 25 Prozent, Polen 19 Prozent
    Angesichts dieser Zahlen hatte sich Union und SPD schon im Koalitionsvertrag unter Zugzwang gesetzt. Zum 1. Januar 2008 soll eine Unternehmenssteuerreform kommen. Ihre Ziele sind:

    "1. international wettbewerbsfähige Bedingungen, 2. eine Unternehmensbesteuerung unabhängig von Rechtsform und Finanzierung, 3. eine sichere Steuerbasis für die öffentlichen Kassen"

    "Die Zielsetzung ist, um es klar zu sagen, wir müssen den Steuerstandort Deutschland attraktiver machen. Warum? Es geht um Jobs. Es geht um Unternehmen in Deutschland, die hier Gewinne machen sollen und die hier investieren sollen und die hier Jobs erhalten oder zusätzliche Jobs hinzufügen sollen. Das ist die Grundlogik."

    Eine klare Ansage von Bundesfinanzminister Peer Steinbrück. Also wurden die führenden Finanzwissenschaftler der Republik gebeten, ihren Hut in den Ring zu werfen; seit dem Frühjahr liegen ihre Konzepte vor. Eines haben die Vorschläge der Stiftung Marktwirtschaft, der fünf Wirtschaftsweisen und der Bertelsmann-Stiftung gemeinsam: Auf einen Bierdeckel passen sie nicht. Clemens Fuest, Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Köln und Mitglied der Lenkungsgruppe der Stiftung Marktwirtschaft:

    "Ein Versprechen kann man sicher nicht einlösen, und das ist das Versprechen, dass es nun besonders einfach wird. Die Sachverhalte, die wir im Steuerrecht zu regeln haben, sind nun mal kompliziert. Gerade durch die internationalen Verflechtungen wird die Unternehmenslandschaft immer komplizierter, also wird auch das Steuerrecht kompliziert sein."

    "In der Tat lieferten alle Modelle der Experten zwar logische, aber äußerst komplexe Antworten auf die Fragen der künftigen Unternehmensbesteuerung. Von einer einheitlichen, rechtsformunabhängigen Unternehmenssteuer über die unterschiedliche Besteuerung von Kapital- und Arbeitseinkommen bis hin zur Neuordnung der kommunalen Finanzen war alles dabei. Vor allem der letzte Punkt sorgte bei den Kommunen für helle Aufregung."

    Dass die Konzepte aber wieder in der Schublade verschwanden, ist wohl vor allem der Tatsache geschuldet, dass bereits die Experten kurzfristige Steuerausfälle in zweistelliger Milliardenhöhe errechnet hatten.

    Zudem waren sämtliche Modelle nicht nur komplex, sie entwarfen völlig neue Systeme. Mit steuerlichen Konsequenzen, die nur schwer vorherzusagen sind. Das Echo in der Politik und insbesondere im Bundesfinanzministerium fiel dementsprechend aus. Heiß diskutiert im Frühjahr, sind die Vorschläge im Sommer nun bereits verpufft und nur noch eine Erinnerung an die Zeit, als man noch - zumindest theoretisch - über einen Systemwechsel nachdachte. Die Kölner Steuerberaterin Christ hat für die zurückhaltenden Reaktionen in gewisser Weise Verständnis:

    "Wenn man einen Staat neu gründet, dann kann man ein Steuersystem völlig neu auch gestalten, weil da keine Subventionen drin sind, keine Bevorzugten. Aber in dem Moment, wo das schon mal etabliert ist und auch bestimmte Bevorzugungen vorhanden sind, ist es äußerst Energie aufreibend, das zu ändern. Wäre ja auch mal interessant, mal die ausländischen Systeme sich anzugucken. Wie machen die das denn? Denn das Problem, Unternehmen zu besteuern, hat jeder Staat."

    "Der Steuerwettbewerb ist schon seit Jahren im Gange. Insbesondere die jungen EU-Staaten aus Osteuropa locken Investoren und Unternehmen mit niedrigen Steuersätzen. Die Länder des Baltikums sind dabei Pioniere für ein einfaches Steuerrecht; Estland lockt Unternehmen darüber hinaus mit Belohnung, wenn diese ihre Gewinne reinvestieren: Dann nämlich ist überhaupt keine Körperschaftsteuer fällig."

    Sollte sich Deutschland an dieser Standortoffensive beteiligen? Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Wolfgang Oepen hat einige Jahre in den Niederlanden gearbeitet. Als Berater international tätiger Unternehmen glaubt er, dass neben niedrigen Steuersätzen auch Rechtssicherheit ein entscheidender Standortfaktor ist:

    "Ich weiß nicht, ob da der politische Wille da ist, um zu sagen, wir wollen langfristig bestimmte Bedingungen anbieten. Da müsste man sich dann wahrscheinlich auch verpflichten in einer Art Selbstverpflichtung zu sagen, wir ändern fünf Jahre lang nicht die Bedingungen."

    Dass sich Deutschland dennoch in Sachen Standortwettbewerb nicht verstecken muss, zeigt eine aktuelle Umfrage des Wirtschaftsprüfungsunternehmens Ernst & Young. Demnach gilt Deutschland aus Sicht international tätiger Unternehmen insgesamt als europaweit attraktivster Standort; allerdings mit erheblichem Abstand zu den weltweit favorisierten USA und China. Nur beim Thema Steuerlast schneidet Deutschland in Europa schlechter ab - hier sind Großbritannien und Irland erste Wahl. Der Bergkamener Bürgermeister Schäfer will trotzdem nicht in den Steuerwettbewerb eintreten.

    "Gute Infrastruktur hier in unserem Land, stabile Rechtsordnung, gut ausgebildete Arbeitnehmer: Das sind die Faktoren, die für diesen Standort sprechen. Und diese Faktoren - insbesondere Infrastruktur und Ausbildung - brauchen einfach Steuergelder. Und deswegen meine ich, im Interesse des Standorts und im Interesse der Wirtschaft, dürfen wir die öffentliche Hand nicht noch ärmer machen als sie ohnehin schon ist."

    Diese Ansicht scheint sich auch in der großen Koalition durchzusetzen. Zumal bislang noch jede Regierung daran gescheitert ist, die föderalen Finanzstrukturen neu zu ordnen. Ein Minenfeld, das kein Bundespolitiker freiwillig betreten möchte. Da die Steuerlast für die meisten Personengesellschaften in der Einkommensteuer bereits niedriger ist als 30 Prozent, bleibt nur die Körperschaftsteuer als Stellschraube. Zudem muss die Politik sinkende Steuersätze für Unternehmen gesamtgesellschaftlich rechtfertigen können:

    "Das Ziel ist in derTat nicht, Unternehmerhaushalte zu entlasten oder Kapitaleinkünfte zu entlasten, sondern die Einkommensausfälle sind nur dann zu rechtfertigen, wenn an anderer Stelle Arbeitsplätze erhalten bleiben und dann eben auch weniger an sozialer Unterstützung ausgegeben werden muss und auf anderer Seite Steuereinnahmen wieder reinzuholen sind."

    "Auch in den eigenen Reihen muss ein solches Mammutprojekt durchgesetzt werden. Die Reibungspunkte zwischen Union und SPD sind recht vielfältig: Viele Wirtschafts- und Finanzpolitiker der CDU würden die Gewerbesteuer am liebsten ganz abschaffen. Die SPD wiederum möchte den dortigen Ansatz, vom Unternehmen gezahlte Zinsen zu besteuern, auf Mieten, Leasing-Raten und Gebühren ausweiten. Der Union wird der Mittelstand zu wenig berücksichtigt, den SPD-Linken geht eine mögliche Entlastung von Konzernen gegen den Strich."

    Weil sich Union und SPD immer noch nicht so recht einig sind, ob und wie die Unternehmenssteuerreform zu bewerkstelligen ist, gibt es bislang nur wenige Eckpunkte, die feststehen. Dafür aber ein großer Bausatz von Detailmodulen, aus denen die Koalition im Herbst auswählen soll.

    Föderale und kommunale Unternehmenssteuer
    "Die Achse Koch/Steinbrück funktioniert offenbar seit gemeinsamen Bundesratszeiten noch immer gut. Der hessische Ministerpräsident brachte gemeinsam mit dem Finanzminister eine neue Komponente ins Spiel: Die so genannte Bemessungsgrundlage - also die rechnerische Basis, nach der die Steuerlast ermittelt wird - soll ausgedehnt werden. Wenn insgesamt die Summe, auf die Steuern gezahlt werden, größer wird, könnten auch die angespannten Etats von Bund, Ländern und Gemeinden niedrigere Steuersätze durchaus verkraften."

    Denn der Finanzminister will die Körperschaftsteuersätze auf 12,5 Prozent halbieren. Damit das keine allzu große Löcher in den Haushalt reißt, sollen offenbar wesentlich mehr Elemente in die Berechnung der Steuer mit einbezogen werden. Etwa gezahlte Kreditzinsen, Leasingraten oder Pachten - also Ausgaben für Investitionen. Wie bei der Gewerbesteuer. Womit die Körperschaftsteuer gewissermaßen zu einer zweiten Gewerbesteuer würde. Bundesfinanzminister Peer Steinbrück:

    "Die Gewerbesteuer, so wie wir sie im Augenblick in Deutschland haben, ist im Vergleich zu allen anderen europäischen Ländern etwas sehr exotisches, um nicht zu sagen einmalig, um es so auszudrücken. Und dies wirkt auf ausländische Investoren abstoßend. Auf der anderen Seite ist völlig glasklar, dass die Kommunen eine eigene wirtschaftskraftbezogene kommunale Einnahme behalten sollen, mit Hebesatzrecht. Das heißt, wir überführen diese Gewerbesteuer in eine so genannte kommunale Unternehmenssteuer."

    "Und die Körperschaftsteuer bekäme das Etikett "föderale Unternehmenssteuer" umgehängt. In der Tat wäre das ein kleiner Systemwechsel, denn somit würde künftig auch bei der Körperschaftsteuer nicht ausschließlich darauf geschaut, ob ein Unternehmen Gewinne macht oder nicht. Gleich ob gezahlte Kreditzinsen zum besteuernden Ertrag hinzugerechnet oder der mögliche Abzug von Fremdfinanzierungskosten beschränkt würden: Auch weniger profitable Betriebe würden so steuerlich gleichermaßen belastet -und möglicherweise sogar dafür bestraft, dass sie Kredite aufnehmen, um zu investieren."

    Die Unternehmenssteuerreform gerät damit zu einem Reförmchen nach Kassenlage. Denn die Bereitschaft, ein international attraktives und transparentes Steuersystem für Unternehmen aufzubauen, ist weit weniger ausgeprägt als die über allem stehende Maxime, den Haushalt zu sanieren. Das Ziel, Unternehmen zu entlasten, damit den Standort für Investoren attraktiver zu machen und neue Arbeitsplätze nach Deutschland zu holen, ist zumindest kurzfristig nur zum Preis hoher Steuerausfälle zu haben. Diesen Preis zu zahlen ist die Politik aber offensichtlich nur sehr bedingt bereit. Noch weniger aber ist sie bereit, den steuerpolitisch unsicheren Weg in Richtung Systemwechsel einzuschlagen. Am Ende ist die geplante Unternehmenssteuerreform vor allem eine steuerliche Umverteilungsaktion.