Die Generation, die heute an den Universitäten das Sagen hat, war mal angetreten, den Muff aus den Talaren zu klopfen, und überhaupt eine neue Kleiderordnung einzuführen. Aber die Kritiker von damals, die Linken, sind heute die ärgsten Feinde der Kritik, zumal wenn sie von Dietrich Schwanitz kommt. "Erziehung kann man nicht demokratisieren", so Schwanitz. "Das ist eine idiotische Vorstellung gewesen. Das man das überhaupt so weit getrieben hat, das wäre in England, dem Urland der Demokratie auf Kopfschütteln gestoßen. So ein Schwachsinn. Und das hat man so lange betrieben, obwohl man doch mit dem Mißerfolg schon so lange lebt. Die linke Bildungsreform hat sich sozusagen in einer Art Gesinnungseintopf schwachsinnigster Art vergraben, hat keine richtige Gesellschaftstheorie mehr. Wer was gegen Elite sagt, der ist nicht ganz bei Trost, weil natürlich nicht von hierarchischer Elite die Rede sein kann, das ist ja nun wirklich vorbei, sondern von Funktionseliten. Und wer gegen Funktionseliten ist, der hat sie nicht alle stramm. Die Linke ist irgendwie träge geworden, sie bringt überhaupt nichts Produktives mehr hervor. Es gibt ja keine Politiker mehr, die irgendwie den Namen verdienten, die links sind, das ganze Milieu ist sausteril geworden. Deswegen bin ich nicht konform mit diesem Milieu, aber deswegen bin ich doch nicht konservativ."
Der Verdacht ist da, daß Schwanitz keine neuen Lösungen weiß für das Problem, sondern nur die alten und sich nach denen auch sehnt. Daß er den Frauen ihre Emanzipation und der Gesellschaft ihre Freiheit übelnimmt. Aber er tut es mit so viel Witz, Boshaftigkeit und genauer Beobachtung, daß man immer mehr davon lesen will. Er zieht einen auf seine Seite. Und dieses Charisma eines professoralen Tribuns hat ihm zu unzähligen Auftritten in Talkshows oder zu Ratgeberseiten in großen Magazinen verholfen. Schwanitz ist ein Spezialist fürs gesellschaftliche große Ganze.
"Der Campus" ist damals mit viel Erfolg von Sönke Wortmann verfilmt worden. Hauptdarsteller in der Rolle des Professor Hackmann: Heiner Lauterbach, der bei dieser Gelegenheit eine Universität erstmals von Innen sah. Produzent und bekannt für sein glückliches Händchen bei der Auswahl von Erfolgsstoffen: Bernd Eichinger. 30.38 Dietrich Schwanitz hofft nun nicht explizit auf eine Verfilmung von "Der Zirkel", wie er sagt, aber er hat das Buch schon mal so geschrieben, daß der Held ein ausgesprochen filmgerechter Typ ist. Es gib wenig innere Monologe. Viel Action. Tote hier und da. Man findet alle möglichen Schweinereien. Es gibt eine Art von Schatzsuche, wenn auch nur nach einer getürkten Doktorarbeit. Das macht das Buch für den Leser ein wenig unruhig, und die Action wirkt oberflächlich, stellenweise willkürlich. Aber Dietrich Schwanitz hat aus der Erfahrung mit Sönke Wortmann gelernt: "Wenn das richtig ist, was mir da gesagt worden ist, dann ist das jedenfalls ein sehr viel geeigneterer Stoff für die Verfilmung". so Schwanitz, "wenn diese Filmgesellschaften immer noch nach irgendwelchen Plots suchen, die dialogreich sind und filmnah, dann finden sie die in ‘Der Zirkel’ Wenn nicht, dann war das falsch, was sie mir erzählt haben."
Inzwischen befreit von der Pflicht der Lehre und Forschung, arbeitet Dietrich Schwanitz an anderen Buch-Projekten, immer an mehreren gleichzeitig, wie er sagt, um dann darwinistisch zu sehen, welche Idee vitaler ist. Im Moment vital ist ein Buchprojekt über eine Kindheit am Ende des Zweiten Weltkriegs. Ein Roman über die Bombennächte und die Vergewaltigungswellen im Osten durch die Russen. Schwanitz, der in der Schweiz großgeworden ist, Jahre in England und Amerika verbracht hat, findet, genau da im kollektiven Gedächtnis der Deutschen sei ein blinder Fleck.