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Der zur Musik fuchtelt

Er gehört zu jedem Orchester: Der Dirigent. Aber, fragte sich der Filmemacher Michael Wende, muss da vorne eigentlich jemand stehen und herumfuchteln? Die Antwort darauf gibt er in seinem Dokumentarfilm "Der Taktstock".

Von Katharina Hamberger | 11.05.2012
    "Der Taktstock – ein langer dünner Stab, mit der Dirigent dem Orchester den Takt anzeigt."

    Genau um den geht es in Michael Wendes Dokumentarfilm. Und um den Verwender, Bediener – oder wie man auch immer sagen will – des Taktstocks – also, den Dirigenten.

    "Habt ihr schon mal gemerkt, dass vor euch viele Musiker sitzen, die das spielen, was auf dem Notenblatt steht? Was fuchtelt ihr euch eigentlich einen ab?"

    Diese Frage will Wende mit seinem Abschlussfilm "Der Taktstock" an der Hochschule Deggendorf beantworten. Der Rahmen für die Dokumentation: Der Bamberger Gustav-Mahler-Dirigenten-Wettbewerb 2010.

    "Das ist ein Wettbewerb in dem zehn Tage lang internationale Nachwuchsdirigenten gegen einander antreten, am Ende gibt’s dann ein Finale und natürlich einen Gewinner."
    "Ich wollte einen Film machen, der eben so eine Art MTV-Masters über Dirigenten. Ich wollte einen Film machen, der mir selbst eben auch gefällt und ich abends anschauen würde und mit meinen Kumpels abends anschauen würde. Ich wollte etwas sehr unterhaltsames machen, was aber trotzdem nicht irgendwie kindisch wirkt,"

    sagt Regisseur Wende. Und das gelingt dem 29-Jährigen durch ein ungewöhnliches Mittel für einen Dokumentarfilm: Ein kleines animiertes Männchen

    "Da schaut man sich die Leute mal an, die bei mir einkehren:"

    "gesprochen von Herbert Feuerstein und dieses Männchen, das ist ein Taktstockbauer."

    "Sie wollen 20 Stöcke von dem hier bis Mittwoch? Sicherlich geht es nicht. Ach bis Donnerstag geht es auch?! Wie schön."

    Schwarz gezeichnet auf weißem Grund führt der deprimierte Taktstockbauer durch den Film. Das schafft kleine amüsante Brücken zwischen den dokumentarischen Teilen, die den Wettbewerb begleiten.

    "Was mach ich hier eigentlich? Was braucht die Welt eigentlich Dirigenten? Wozu mach ich das hier eigentlich alles?"

    Der Taktstockbauer trägt außerdem zur Erklärung von O-Tönen bei: Wenn sich ein Protagonist, also ein Teilnehmer oder ein Jurymitglied des Wettbewerbs, sich ins Fachsimpeln verliert, greift der kleine animierte Mann zum Stift, schreibt auf dem Bildschirm oder erklärt es.

    Die Idee zum Film kam Wende bei seinem ersten Klassik-Konzert, in dem er erst ein paar Jahre vor der Entstehung des Films war.

    "Und dann sitzt man da und dann kommt der Dirigent auf die Bühne und alles klatscht und dann denkst du dir erst mal: Wieso, so viel hat der doch gar nicht gemacht? Und dann fängt dieses Konzert an und das hat mich so mitgenommen und da hab ich mir gedacht: Das war Wahnsinn, was der da gemacht hat, aber was hat der da eigentlich gemacht? Mein Wissen war sehr laienhaft und ich hab dann auch gemerkt, wenn ich andere gefragt hab, hey, was macht ein Dirigent, dann konnten die mir das auch nicht beantworten und dann hab ich gemerkt, dass die Frage vielleicht gar nicht so dumm ist."

    "Wozu denn das ganze Bibabo, bababim, bababam , jadadie, jadada?!"

    Zusätzlich zu den Animationen setzt der Regisseur neben der klassischen Musik auch auf elektronische. Und neben bierernsten Interviews auf Anekdoten.

    "Das ist irgendwie der einzige würdige Tod für einen Dirigenten, dass man an seinem Taktstock stirbt."

    Junge Menschen, so erzählt Wende, habe er damit besonders angesprochen. Aber auch echte Klassik-Fans, so sagt er, mochten den Film, trotz seines ungewöhnlichen Stils.

    "Dass ich irgendwie so eine breite Masse oder so eine unterschiedliche Gesellschaft quasi gleichermaßen angesprochen hab, das find ich ganz toll, dass das irgendwie funktioniert hat. Ich weiß nicht genau wie, aber es hat funktioniert."

    Der Film klärt die Frage nach dem Nutzen des Taktstocks und des Dirigenten auf eine Weise, die bei diesem Thema nicht erwartet wird. Einerseits durch die Protagonisten – die ganz locker und selten technisch sind und andererseits durch die filmischen Kniffe, wie die Animation und den Einsatz von Musik und Geräuschen.

    "Ja, ich schau mir die Dirigenten schon an, die bei mir vorbei kommen und kommt mir einer blöd, dann mache ich den Taktstock schon mal – spitzer – nö Quatsch."

    Hinweis

    Der Film "Der Taktstock" ist am 12. Mai um 22:15 auf 3sat zu sehen.