Archiv


Der Zweite Opiumkrieg

Heute vor 150 Jahren eroberten britische und französische Truppen Peking. Im Zuge dessen wurde in der Stadt der Opiumhandel legalisiert und den christlichen Kirchen die Missionierung der chinesischen Bevölkerung gestattet.

Von Jens Brüning |
    Auf 350 Hektar, der Fläche einer Kleinstadt, breiteten sich die kaiserlichen Gärten und Paläste in Peking aus. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts hatte sie jeder chinesische Kaiser erweitert und mit neuer Pracht ausstatten lassen. Einzelne Gebäude waren im Stil des europäischen Rokoko gebaut. Doch am 6. Oktober 1860 erstürmten britische und französische Truppen diese Meisterwerke chinesischer Architektur und Gartenbaukunst.

    Sie raubten die Kunstschätze – darunter kostbare Uhren, die der englische König George III. Kaiser Quianlong geschenkt hatte. 300 Wagenladungen voller Juwelen, Seide, Gemälde und Skulpturen, Teppiche, Leuchter und Möbel wurden fortgeschafft. Zur Kriegsbeute gehörten auch fünf kleine Pekinesen, die als Urahnen der europäischen Rassehunde gelten. Um die Plünderung zu vertuschen, befahl Oberbefehlshaber Lord Elgin die Zerstörung sämtlicher Kaiserlicher Paläste. Chinesen wie Europäer waren gleichermaßen empört. Der französische Dichter Victor Hugo schrieb in seinem Artikel "Expédition de Chine":

    "Man stelle sich zwei Räuber vor, die in ein Museum einbrechen, alles plündern, zerstören und verbrennen, und Hand in Hand lachend mit den Taschen voller Schätze verschwinden. Einer der Räuber heißt England, der andere Frankreich."

    Die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen China und den europäischen Kolonialmächten England und Frankreich waren Handelskriege und gingen als Erster und Zweiter Opiumkrieg in die Geschichtsschreibung ein. China duldete keine ausländischen Kaufleute auf seinem Territorium, exportierte jedoch Luxusgüter wie Seide und Tee nach Europa. Die bilaterale Handelsbilanz war um 1840 in eine bedrohliche Schieflage geraten. Europäische Waren fanden in China kaum Absatz. Nur der Opiumhandel, in dem England damals führend war, versprach eine Lösung. Doch der chinesische Kaiser verbot den Konsum des Rauschgiftes, das die Briten aus Indien importierten. Sein Drogenbeauftragter Lin Zexu schrieb an die britische Königin Victoria:

    "Ich habe gehört, dass Opiumrauchen in Ihrem Land strikt verboten ist. Warum erlauben Sie dann, dass es andere Länder verderben darf? Was würde Ihre ehrenwerte Regierung tun, wenn Leute aus anderen Ländern Opium nach England brächten, um es dort zu verkaufen und das Volk zu verführen?"

    Chinesische wie ausländische Rauschgifthändler setzte Lin Zexu gleichermaßen unter Druck und ließ das über die Ostindienkompanie vertriebene Opium tonnenweise beschlagnahmen und vernichten. 1839 griff die britische Regierung ein und entsandte eine Flotte mit 16 Kriegsschiffen und 4000 Mann Besatzung. Im Sommer 1842 musste sich China ergeben, Hongkong an Großbritannien abtreten, seine Häfen öffnen und unbeschränkten Handel zulassen. Die einstige Supermacht im Fernen Osten wurde faktisch zu einer Kolonie europäischer Mächte.

    14 Jahre später erklärten die Briten China erneut den Krieg. Der Anlass: Chinesische Beamte hatten ein unter britischer Flagge fahrendes Schiff aufgebracht, das illegal Opium transportierte, und die Besatzung verhaftet. Mit französischer Hilfe waren die chinesischen Truppen innerhalb von zwei Jahren besiegt. Der neue Friedensvertrag, dem auch Russland und die USA beitraten, erweiterte den Zugang ausländischer Handelsunternehmen nach China. Als sich Kaiser Xianfeng jedoch weigerte, ausländische Botschaften in Peking zuzulassen, wurden die kriegerischen Handlungen wieder aufgenommen und mit der Zerstörung der Paläste in Peking brutal beendet.

    Die Kaiserlichen Paläste und Gärten sind inzwischen zu historischen Stätten hergerichtet worden. Ein Wiederaufbau der einst aus Holz errichteten Gebäude wurde bereits erwogen. Man könnte sich dabei auf Bilder stützen, die der italienische Fotograf Felice Beato während des Zweiten Opiumkrieges unmittelbar vor der Zerstörung machte. Der Militärarzt David Rennie schrieb über ihn:

    "In der Nordwestecke der Verteidigungsanlagen lagen bei einer Kanone dreizehn tote Chinesen. Signor Beato war sehr aufgeregt. Er bezeichnete die Gruppe als 'wunderschön' und bat darum, sie nicht zu verändern, er wolle erst noch einige Aufnahmen machen."

    Die Aufnahmen dieses ersten Fotoreporters der Geschichte sind Zeugnisse des militärischen Triumphes und der Stärke des britischen Weltreichs, zugleich aber auch Dokumente eines immensen Verlustes. Die damals geschlossenen Knebelverträge zwischen China und den westlichen Alliierten blieben bis 1943 wirksam.