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Des Dramas nächster Akt

Kernenergie. - Vor rund 30 Jahren wurde der Salzstock Gorleben als Standort für das deutsche Endlager hochaktiven Atommülls bestimmt. Heute ist die Standortsuche für ebendieses Lager offener denn je. Und während Gegner und Befürworter eine Sparrings-Runde nach der anderen drehen, fährt ein Zug mit hochaktivem Abfall nach dem anderen ins Wendland. Der nächste ist heute in der französischen Wiederaufbereitungsanlage La Hague gestartet.

Von Dagmar Röhrlich |
    Angesichts des bisherigen Tempos bei der Endlagersuche klingt das Ziel äußerst ehrgeizig: Bis zum Ende der nächsten Legislaturperiode will man weiter gekommen sein - und dafür hat das Bundesumweltministerium jetzt Sicherheitskriterien vorgeschlagen:

    "Diese Sicherheitskriterien sind diejenigen Kriterien, nach denen die Eignung eines Endlagers festgestellt werden soll und festgestellt werden kann","

    erklärt Wolfgang Renneberg, Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit beim BMU. Die Frage ist: Wie schwer wiegen bei der Suche die Eigenschaften der Wirtsformation oder ob Grundwasser eindringt. Eine Vielzahl von Faktoren geht ein. Renneberg:

    ""Und über diese Vielzahl von Faktoren muss in einer zusammenfassenden Weise entschieden werden. Dies setzt wertende Entscheidungen voraus, was ist uns wichtiger, was ist uns weniger wichtig."

    Die Kriterien für diese Wertungen gibt es noch nicht, denn die möglichen Wirtsgesteine sind nicht ohne weiteres zu vergleichen: Ton etwa reagiert auf die wärmeentwickelnden hochaktiven Abfälle anders als Salz. Er ist hitzeempfindlich, während Wasser ihm nichts ausmacht. Beim Salz ist es umgekehrt. Die vorneweg aufgestellten Sicherheitskriterien sollen Entscheidungen nachvollziehbar zu machen. Renneberg:

    "Wir möchten mit allen betroffenen Bürgern die Auswahlkriterien diskutieren, die Auswahlkriterien dann auch festlegen, nach denen dann ausgewählt wird. Dies ist ein völlig neuer Schritt und unseres Erachtens erforderlich, um auch die gewollte Akzeptanz in der Region, die dann ausgewählt würde, zu bekommen."

    Künftig soll die Endlagersuche in einem mehrstufigen Verfahren mit Teilgenehmigungen ablaufen. Passt die Geologie? Wenn ja, gibt es einen Standort für ein Bergwerk? Wenn ja, eignet sich das Gebiet auch noch nach ersten Bohrungen und geophysikalischen Messungen? Wenn alles stimmt, wird unter Tage erkundet, erklärt Georg Ahrens vom BMU. Dabei spielten auch sozialwissenschaftliche Aspekte eine Rolle:

    "Dann ist das tatsächlich eine Wertungsentscheidung, eine Abwägungsentscheidung, wo ich sage, mir ist zum Beispiel die Zuverlässigkeit viel wichtiger, als wenn der eine Standort vielleicht etwas weniger Konsequenzen hätte als der andere. Und dann sage ich, OK, dann entscheide ich mich eben für diesen zuverlässigen Standort, und sage, Das ist mein präferierter Standort. So könnte ich einen sicherheitstechnischen Vergleich vornehmen."

    Kritiker bezeichnen den Kriterienkatalog als diffus. Bruno Baltes von der Gesellschaft für Anlagen- und Reaktorsicherheit GRS in Köln:

    "Wenn aber die Sicherheitsanforderungen das Geländer für die Genehmigung sein sollen und unverhandelbare Rahmenbedingungen darstellen, dann halte ich die Sicherheitsanforderungen, so wie sie vorliegen in ihrem Aufbau, für inhomogen und inhaltlich nicht geschlossen."

    So werde international gefordert, dass die strahlenden Abfälle unbedingt von der Umwelt isoliert und abgeschlossen werden müssten - im Kriterienkatalog des BMU werde nicht klar, wie man diese zentrale Forderung umsetzen möchte. Andere Kritiker wie Klaus-Jürgen Brammer von der Gesellschaft für Nuklear- Service GNS bemängelten, dass das vorgeschlagene Verfahren unlogisch aufgebaut sei:

    "Dieses schrittweise Vorgehen im Rahmen der Planung, der Errichtung, des Betriebes und der Stilllegung von Endlager ist international üblich, auch vernünftig. Aber die vom BMU gewählten Teilschritte weichen ab von dem internationalen Vorgehen."

    So müssen man nach der Standortfestlegung und vor Beginn der eigentlichen Erkundung Teilgenehmigungen beantragen - aber die dafür notwendigen Daten können erst durch die Erkundung unter Tage gewonnen werden. So oder so, für Gorleben hätte das vorgeschlagene Verfahren Konsequenzen: Die Schächte und Stollen müssten nachträglich nach Atomrecht genehmigt werden. Trotzdem könne die Erkundung weiterlaufen, falls das bis 2010 dauernde Moratorium aufgehoben werde. Denn aus dem Rennen ist der wendische Salzstock nicht. Das Bundesumweltministerium möchte Alternativen anschauen, ansonsten aber erklärt Umweltminister Sigmar Gabriel:

    "Demnach sollte ein anderer Standort nur dann ausgewählt und erkundet werden, wenn er deutliche Vorteile gegenüber Gorleben verspricht."