"Des kleinen Samenfadens wunderbare Reise" – so lautet der Titel eines Aufklärungsbuches aus dem Jahr 1956. Der Untertitel: "Eine Bilder- und Lesefibel für Eheleute und solche, die es werden wollen". Eheleute - oder zumindest Erwachsene - waren die Zielgruppe für Aufklärungsbücher in den 50er Jahren, die Kinder wurden entweder zuhause oder gar nicht aufgeklärt.
Die Rolle der Frau war klar: Entweder hatte sie dem Mann zu gefallen - ihr eigenes Lustempfinden stand dabei an zweiter Stelle –, oder sie wurde als geheimnisvolles Wesen dargestellt, dass es zu erforschen gab. Erst in den 70er Jahren - beflügelt von der sexuellen Befreiung und neuen wissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnissen über Sexualität -begannen Autoren und Bildgestalter, Bücher für Kinder zu entwickeln, aus denen diese wirklich etwas lernen konnten. Sexualität bei Kindern und Jugendlichen wurde zum Thema, und Fotos zeigten deutlich Nacktheit und sexuelle Handlungen.
Aber dann machten Skandale um Kinderpornographie und Kindesmissbrauch die Freizügigkeit der 70er Jahre wieder zunichte. Besonders ab Beginn der 90er zog in die Aufklärungsbücher eine Bildwelt ein, die mal niedlich oder witzig, mal sachlich-anatomisch ausfallen, aber auf keinen Fall mit der Empfindlichkeit der Zeit in Konflikt geraten durfte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kinder und Jugendliche, die mehr sehen wollen, kaufen sich die Bravo oder surfen durchs Internet. Eine große Herausforderung für Autoren und Bildgestalter neuer Aufklärungsbücher.
Einige Neuerscheinungen gehen nun, auf sehr unterschiedliche Weise, einen neuen Weg, um Kinder und Jugendliche an das Thema heranzuführen.
Gänseblümchen, Gummibärchen, Bananen, Gurken und Luftballons – und vor allem ein Haufen fröhlicher und manchmal nachdenklicher Kinder am Rand der Pubertät. Sie alle bevölkern die Fotos in einem beachtenswerten neuen Buch. Sein Titel: "Kriegen das eigentlich alle? – Die besten Antworten zum Erwachsenwerden" von Jan von Holleben und Antje Helms. Ein höchst originell gestaltetes Buch, in dem Pubertät Spaß zu machen scheint. So war es auch gedacht – sagt Jan von Holleben, der die Idee hatte und die Fotos gemacht hat.
"Da passiert einfach wahnsinnig viel, und das Wichtigste ist, dass wir uns eigentlich körperlich komplett verändern und dass der Charakter sich bildet und unsere Sozialsysteme sich bilden und wir ein Körperverständnis bekommen, und da wird irgendwie der Körper einmal groß umgebaut … ja, wer wird man so, wie sieht man aus? Bei Mädchen: Wie wachsen die Brüste, bei Jungen: Wie groß wird man, kriegt man riesige Lulatschfüße, kriegt man nen guten Bartwuchs – man weiß gar nicht, wo die Reise hingeht und man muss einfach so vertrauen. Ja - das passiert in der Pubertät. Also insofern, da sprießt schon ganz schön viel – also, im wahrsten Sinne des Wortes."
Zusammen mit dem Familienplanungszentrum "Balance" in Berlin und mit der Journalistin Antje Helms hat Jan von Holleben ein kleines Meisterwerk vollbracht. Jeder, der das Buch in die Hand nimmt, wird erst einmal an den Fotocollagen hängenbleiben. Statt Schamhaaren wachsen da Wiesenblumen unter den Achseln und aus der Hose, anstelle der Brüste blühen zwei große Blumen auf, das Gesicht zieren nicht Pickel, sondern Gänseblümchen, und eine satte Ladung Sperma kommt als bunte Puffreiskügelchen aus einer Wasserpistole geschossen. Das alles könnte peinlich sein. Ist es aber nicht. Denn Holleben hat das Buch mit den Fotocollagen nicht nur für die Kinder, sondern vor allem mit ihnen gemacht. Das spüren auch die Leser. Im Gespräch mit 12jährigen Kindern fiel auf, wie leicht sie vom hintergründigen Humor der Bilder aufgelockert wurden. Ein Gespräch selbst über heikle, intime Themen kam rasch und unkompliziert zustande.
"Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass alles, was den Kindern peinlich ist, rausfällt. Ich möchte kein Kind bloßstellen, ich möchte nichts Ungemütliches reinpacken, und da wird es für mich ganz spannend, mit den Kindern wirklich zu überlegen: Ok, wir haben hier ein Thema, eine Frage - die Fragen sind ja auch alles echte Kinderfragen, die wir gesammelt haben – was steckt da drin in dieser Frage?"
"Ist es schlimm, wenn man schon 13 ist und noch immer nicht in der Pubertät?
- Was kann ich gegen Pickel machen?
- Warum werden manche Jungs beschnitten?
- Wie kriege ich einen Jungen rum?
- Wie wird man schwul oder lesbisch?
- Darf ich mir Pornos im Internet oder auf dem Handy anschauen?"
Solche Fragen brauchen Klartext. Und den liefert Antje Helms. In kurzen – aber nicht zu kurzen – Texten gibt sie sachliche Antworten auf direkte Fragen. Die Bilder machen dagegen eine zweite oder dritte Ebene auf und regen zum Nachdenken an. Zum Beispiel auf der Seite mit bunten, mal plüschigen, mal martialischen Fantasy-Figuren, die den Artikel über Pornografie begleiten:
"Guckst du manchmal Fantasyfilme? Mit Superhelden, Wunderwaffen, zarten Feen und Action ohne Ende? Nichts anderes als Fantasy sind Pornofilme. Mit geschminkten Schauspielern mit möglichst großen Brüsten und perfekt geformten Vulven und Riesenpenissen. Dazu kommen übertriebene Lust, gespielte Orgasmen und künstliches Sperma. Man fällt nicht tot um, wenn man Pornos guckt. Sie können aber Angst machen, Ekel hervorrufen und Albträume bereiten."
Der Artikel spricht von den falschen Vorstellungen und Belastungen, die Pornos auslösen können, von einem verqueren Geschlechterverhältnis und der Notwendigkeit, andere ins Vertrauen zu ziehen, wenn man mit dem Gesehenen nicht zurechtkommt. Große Neuigkeiten gibt es in den Texten nicht. Wichtig ist den Machern aber, dass sie sich im Vokabular nach den Maßstäben einer modernen Sexualpädagogik richten. Das betrifft die Gleichbehandlung von Menschen mit hetero- und homosexuellen Gefühlen und die Wortwahl, zum Beispiel bei den Geschlechtsorganen.
"Schon mal von "Vulva" gehört? Hört sich irgendwie schön an, oder? Das Wort kommt aus dem Lateinischen und meint den Kitzler, die Schamlippen und die Scheidenöffnung. Wer von "Muschi" spricht, meint meistens die Vulva zusammen mit der Scheide, die anatomisch nur der Kanal ist, der zum Gebärmutterhals führt. Wir benutzen in diesem Buch häufiger das Wort "Vulva", weil es in vielen Fällen der modernere und passendere Ausdruck ist."
"Wir benutzen eher das Wort Vulva, weil das Wort "Scheide" schon ein sehr männlich geprägtes Wort ist, in dem es um ein Behältnis geht, in das etwas reingehört, also die Schwertscheide im klassischen Sinne. Die von den aufgeklärten Sexualpädagogen nicht mehr verwendet werden, weil sie einfach degradierend der Frau gegenüber sind."
Ob den Kindern solche Feinheiten auffallen, sei dahingestellt. Für den erwachsenen Leser – also auch die Eltern – kann eine solche Richtigstellung für Gespräche mit den Kindern hilfreich sein. Elisabeth Raffauf, die als Psychologin und Autorin seit vielen Jahren mit Kindern und Jugendlichen in der Pubertät arbeitet, betont, wie wichtig es in der Sexualerziehung ist, überhaupt Worte zu finden.
"Sexualerziehung ist ja etwas, was bei der Geburt losgeht. Kinder spüren irgendwann: Wie ist denn die Atmosphäre zuhause - darf man über sowas reden, oder werden die eher rot und ist denen das unangenehm, wenn ich was frage? Gibt es überhaupt Worte für alle Geschlechtsteile oder gibt es Körperteile, die gar nicht benannt werden können, also vor allem die Sexualorgane – das kriegen die mit, so ne Atmosphäre, wie die zu Hause ist."
Wenn trotzdem die Worte fehlen oder ein Gespräch nicht zustande kommt, sind Bücher zum Thema Erwachsenwerden, erste Liebe und Sexualität ein wertvoller Begleiter der Kinder – wenn sie gut gewählt sind.
"Es ist ganz schön, wenn Kinder sowas haben, wo die selber reingucken können, also wo die niemanden fragen müssen, weil die manche Fragen haben, von denen die nicht genau wissen: Mit wem red' ich da jetzt drüber und: Kann ich da jetzt meine Eltern fragen oder ist mir das peinlich oder ist denen das peinlich oder sagen die dann was, was ich gar nicht hören will, und dann ist das ganz schön, wenn die was haben, wo die selber entscheiden können: Das will ich lesen, das interessiert mich und das interessiert mich überhaupt nicht, dann kann ich das auch wieder weglegen. Und vielleicht gibt es auch was, was die Eltern gar nicht wissen, das wär auch nicht schlimm, dann könnte man ja auch zusammen nachgucken. Wobei natürlich ältere Kinder, also über 10, vielleicht lieber ein Aufklärungsbuch von ihrer Tante oder jemandem, der ihnen nicht ganz so nah steht, geschenkt bekommen, als ausgerechnet von den Eltern - da ist mehr auch dann, je älter Kinder werden, auch so 'ne Distanz gewünscht."
Das Stichwort Distanz liegt Elisabeth Raffauf besonders am Herzen. Eine zu große Nähe zu den Jugendlichen, wenn es um Sexualität geht, hält sie – ob in Gesprächen oder in Büchern – für falsch.
"Es gab ja in den 68ern diese Sex-Front von Günter Amendt oder diese Bücher, die auch sehr, sehr offen waren und: "Tabu-los" war so ein schönes Wort - was benutzt wurde und was heute auch irgendwie wieder in ist - dass manche Erwachsenen vielleicht denken, es muss jetzt unbedingt alles frei sein. Und das denken sie vielleicht, weil sie selber so ne Enge erlebt haben oder so ne Unfreiheit. Und das ist aber nicht wirklich 'ne angemessene Weise für heutige Jugendliche und Kinder, sondern manche Tabus, oder manche Dinge, die etwas geschützter sind, haben ja auch ihren Sinn, und man muss das eigentlich genau angucken und sagen: Wo brauchen Kinder und Jugendliche Schutz, worüber möchten sie nicht mit ihren Eltern sprechen? Also zu viel so ne aufgesetzte Liberalität - oder was heißt aufgesetzt -, so ne zu große Offenheit, die bedrängt manche Jugendliche genauso wie früher diese Enge und dieses Schweigen."
Was für Eltern und andere Erwachsene gilt, überträgt Raffauf auch auf Autoren. Im Jahr 2011 hat sie selbst ein Aufklärungsbuch mit dem Titel "Only for girls" bei Beltz und Gelberg veröffentlicht. Es folgte einem sehr schwungvollen und ehrlichen Buch für Jungen - "For Boys only" - des schwedischen Autors Manne Forssberg. Gleich im Vorwort stellt Elisabeth Raffauf klar:
"Ehrlich gesagt: In diesem Buch steht nicht alles drin, was du über Liebe und Sex wissen möchtest. Denn es lässt sich nicht alles erklären und nicht alles vorausberechnen, schon gar nicht, wenn es um Körper oder Seele geht. Zum Glück ist das so! Ließe sich unser Liebesleben am Schreibtisch analysieren und vorhersagen, dann wäre der Zauber, den jede Liebe für sich hat, die Einzigartigkeit und das Geheimnis, kein Geheimnis mehr."
Geheimniskrämereien liegen der Autorin allerdings genauso fern. Ihr Buch ist ein umfassendes, sachliches und stellenweise auch vergnügliches Werk für Kinder ab 12 Jahren. So wie Jan von Holleben echte Kinder und Jugendliche in seine Bilder hinein holt, macht Elisabeth Raffauf das mit Zitaten von jungen Menschen zwischen 13 und 20.
"Babette, 18: Bei mir hat das Entdecken des Körpers zeitgleich mit dem Entdecken der Sexualität begonnen, das war irgendwie eins. Jedes Mal mit meinem Freund war anders. Ich hatte nur noch Lust, Zeit mit ihm zu verbringen. Was ich beim Sex schön fand, wusste ich einfach von Mal zu Mal besser."
Gestalterisch ist das Buch wenig interessant. Es zeigt das Nötigste: ein paar anatomische Zeichnungen von inneren und äußeren Geschlechtsorganen und comicartige Figuren. Die äußere Aufmachung von Aufklärungsbüchern hat eine interessante Geschichte – vor allem seit den 70er Jahren. Jan von Holleben hat als Fotograf besonders die Bildsprache von Aufklärungsbüchern studiert und dabei auch in seine eigene Kindheit geschaut.
"Es gibt von Will MacBride aus den 70ern, das heißt "Zeig mal", und das war in den 70ern ein Riesen Erfolg, es hat es durch die ganze Welt geschafft, ist ein sehr direktes, fotografisches Werk von Will McBride, der ja dann auch bisschen kritisch beäugt wurde in den kommenden Jahren, der aber damals mit dem evangelischen Aufklärungsdienst ein Buch gemacht hat, was eigentlich zu 95 Prozent auf Bildern basiert, in dem zwei kleine Kinder, die so vier und sechs sind, sich über das Leben Gedanken machen und auch über die Pubertät und die Familie und alle sind nackt in diesen Büchern - also in diesem einen Buch, es gibt noch ein Folgebuch - und die Kinder erzählen so die Geschichte ihrer Familie und wer mit wem, wer küsst wen, warum und was ist denn, Kinderkriegen und wie funktioniert das - es sind sehr grafische Bilder."
"Zeig mal" mit Bildern von Will McBride und Erklärungen von Helga Fleischhauer-Hardt hielt, was der Titel versprach. Es zeigte nicht nur kleine Kinder, die arglos mit ihren Geschlechtsteilen spielen, sondern auch Erwachsene beim Sex und Jugendliche, die sich gegenseitig berühren. Dabei wurden alle Körperteile genau unter die Lupe genommen. Zwanzig Jahre später stellte der Verlag die Produktion von "Zeig mal!" und dem Folgetitel "Zeig mal mehr" auf Wunsch des Fotografen ein. Immer wieder waren die Fotos angegriffen und Mac Bride schließlich sogar Kinderpornografie vorgeworfen. Dabei hatten die evangelische Kirche und die Polizei das Buch Mitte der 70er Jahre hochgelobt und ihm einen wichtigen pädagogischen Stellenwert attestiert. Es markierte eine Zeit, in der Prüderie und das Märchen vom Storch ausgedient hatten, und in der erstmals auch die Sexualität von Kindern und Jugendlichen thematisiert wurde. Im Jahr 2006 schrieb der Journalist und Autor Oliver Gehrs über eine Veränderung in der Gesellschaft in den 90er Jahren, die vor allem bei der Bildgestaltung in Aufklärungsbüchern eine starke Veränderung auslöste:
"Plötzlich wurde die Sexualität der Kinder nur noch als Fall für die Polizei gesehen, behaftet mit Problemen. Der Blick ist verstellt durch jahrelange Diskussionen über Kindesmissbrauch, Kinderpornografie und die medialen Zerrbilder davon. Das Motto "Zeig mal!" gilt nur noch für die Werbung, die keine Scham kennt, mit kindlicher Erotik Produkte zu verkaufen. Im Miteinander von Erwachsenen und Kindern aber heißt das Motto zu Hause und auf der Straße: Guck bloß weg!"
"Es wird alles immer enger und konventioneller und langweiliger und man geht zurück wieder zur direkten Illustration und versucht gar nicht mehr so fotografisch Kindern zu zeigen, was eigentlich passiert."
Für einen Fotografen ist die heutige Alarmbereitschaft gegen Missbrauch und Kinderpornografie eine große Herausforderung. Deshalb zeigt auch Holleben nicht – "was eigentlich passiert". Und das mit gutem Grund. Wenn er die Kinder nicht nackt auszieht, sondern ihnen - voll bekleidet und per Fotomontage – Blumen auf die Brüste und Kräuter an die Hose zaubert, dann ist das nicht einfach ein Einknicken vor der Gesetzgebung. Noch weniger will er eine Verniedlichung der Sexualität in Richtung Blümchensex. Vielmehr verlangte der Respekt vor der Privatsphäre der Kinder auch einen behutsamen Umgang mit Darstellungen. Und: Holleben will Kinder und Erwachsene mit seinen spielerischen Bildern zum Denken und Reden bringen.
"Ich bin niemand, der illustriert im klassischen Sinne. Ich möchte schon mit meinen Bildern auch den Betrachter anregen, erstmal aufmerksam machen über ne bestimmte Art und Weise der Bildsprache, aber dann natürlich auch anregen, über das Bild hinauszudenken."
Einigen Kapiteln hat er deshalb Fotos von ausgeklügelten Maschinen vorangestellt. Dafür baut er um die Kinder herum mit Drähten, Spulen, Gummibonbons, Würfeln, Strohhalmen und Wäscheklammern zum Beispiel die "Geschlechterunterscheidmaschine" (sic). Die Maschine spiegelt nicht Funktionalität, sondern das Zusammenspiel von biologischen und genetischen Gegebenheiten, von Zufällen, Gegensätzen und Gemeinsamkeiten.
"Wir wollten nicht biologisch aufklären. Wir wollten wirklich eher philosophisch aufklären. Wir wollten dem Kind das Gefühl geben: Es ist gut. Und (…) ich möchte erstmal über das Visuelle das Thema einleiten und das auch mit viel Humor machen und mit viel Spaß und die Kinder erstmal abholen, wo sie stehen."
Mit dieser indirekten, nicht illustrativen Bildsprache sticht das Buch meilenweit aus den zurzeit gängigen Titeln heraus. Dort bevölkern einerseits harmlose, manchmal lustige, manchmal grauenhaft überzogene Figuren die Aufklärungsbücher für Kinder und Jugendliche.
Die Themenwelt hat sich dagegen im Lauf der letzten Jahrzehnte erweitert. Der Knall der ersten mutigen Sex-Bücher der 70er Jahre ist inzwischen längst verhallt. Über Sexualität in der Jugend zu sprechen, ist in modernen Aufklärungsbüchern Standard. Selbstbefriedigung und Petting gehören so selbstverständlich dazu wie Homosexualität, sexuelle Praktiken, Verhütung, Schwangerschaftsabbruch und die Pille danach - und die Gefahr von Ansteckung oder Kontrollverlust durch Alkohol und Drogen. Im Allgemeinen machen diese Bücher Kindern und Jugendlichen Mut, ohne Angst mit ihrer Sexualität umzugehen und sich selbst und ihre Wünsche oder auch Abneigungen kennenzulernen. Spätestens seit vor fünf Jahren der Begriff "Generation Porno" geprägt wurde, und die Warnungen vor der sexuellen Verwahrlosung von Jugendlichen immer lauter wurden, nimmt das Thema Pornografie mehr Raum in Kinder- und Jugendbüchern ein. Die Schwerpunkte und der Ton variieren, gestalterische Überraschungen wie das Buch von Jan von Holleben und Antje Helms sind selten.
Ein sehr freizügiger Titel für ältere Jugendliche wagt sich nun auf ein ganz neues Terrain. "Make Love", geschrieben von der Psycho- und Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning und der Journalistin Tina Bremer-Oszewski. Der Verlag gibt als Altersempfehlung 14 Jahre an, die Autorin legt sich da lieber nicht fest.
"Beim Aufklärungsbuch ist es ja klar, da denkt man ja erst an die Leute, die gerade in die Pubertät kommen, und das ist ja nu sehr unterschiedlich, manchmal mit 9 oder 10 und manchmal 17. Wir sprechen deswegen Leute an, die anfangen, Sex zu haben. Und das ist auch ein weiter Begriff. Zu Sex gehört Petting, Küssen und sich verlieben zum Beispiel. Also einige Teile des Buches kann man sehr früh lesen, andere interessieren einen dann nicht, bevor man vielleicht 16. 17 ist - aber wenn ich 'ne Zahl sagen soll, dann vielleicht so um die 14 – also ich sprech viele an, hoffe ich …"
Ann-Marlene Henning spricht ganz offensichtlich viele an. "Make Love" verkauft sich mittlerweile in der 9. Auflage und wurde für den Jugendliteraturpreis 2013 in der Sparte Sachbuch nominiert. Die Autorin erklärt sich den Erfolg dadurch, dass in ihrem Buch Themen klargestellt werden, die bisher in Aufklärungsbüchern so gut wie überhaupt nicht vorkommen:
"Wenn ich jetzt spezifisch nur auf Jugendbuch gucke, dann fällt doch auf, dass in Aufklärungsbüchern doch auf jeden Fall immer die Sachen drin sind mit: Wie vermeide ich eine Krankheit - was auch gut ist - aber auch so die Fortpflanzung, wie funktioniert das überhaupt mit Ei und Sperma? In vielen Büchern ist dann drin, wie die Gefühle so erwachsen und dieses - ja, man verliebt sich. Aber irgendwie fehlt immer was. Ich fand, es fehlt dieses: Wer bin ich? Wie werde ich? Und zwar mit allem - welcher sexuelle Mensch kann ich werden, was mag ich, was mag ich nicht, was gibt es alles, dann kann ich mich entscheiden, ob ich Dinge mach oder nicht mach."
Konkret macht "Make love" das, was schon der Titel suggeriert: Es ermutigt dazu, die eigene Sexualität aktiv zu erkunden und Techniken zur Erregung kennenzulernen und zu üben. Nach einem Vorwort, in dem die Autorin beklagt, dass selbst viele Erwachsene – vor allem Frauen – kaum etwas über ihren Körper und Lustempfinden wüssten, folgt das erste Kapitel mit der Aufforderung: Fass dich an!
"Wie funktioniert ein Körper? Wie erreg ich mich? Was macht ein Körper, wenn er erregt ist und wie kann ich das unterstützen? Und wie kann ich es stoppen? Viele Jungs müssen es stoppen, um nicht zu kommen, viele Mädchen müssen es steigern, um überhaupt irgendwie zu spüren und zu kommen."
Dazu liefert die Autorin eine ausführliche Orgasmuskunde mit genauen Anleitungen für Jungen und Mädchen, beziehungsweise für Männer und Frauen, ob nun bei der Selbstbefriedigung oder beim Sex mit Freund oder Freundin. Nachdem das berühmte "erste Mal" mit den schon in zahllosen anderen Büchern beschriebenen möglichen Enttäuschungen und Missgeschicken ziemlich schnell abgehandelt wird, verlässt die Autorin die ursprüngliche Zielgruppe der 14jährigen. Jetzt geht es nicht mehr um Jugendliche, die anfangen, Sex zu haben, sondern um Menschen, die Sex – im besten Sinne - perfektionieren wollen. Dass 14jährige seitenlange Gebrauchsanweisungen zum Oralsex brauchen, darf zumindest bezweifelt werden. Diplompsychologin Elisabeth Raffauf hat schon oft beobachtet, dass Erwachsene den Fehler machen, die Jugendlichen im Übereifer bei der Aufklärung zu überholen – und sie mit diesem "Zuviel" ebenso alleinzulassen wie mit einem "Zuwenig" an Aufklärung.
"Da gibt es Eltern, die sehr unsicher sind darüber, dass manches so viel früher ist - also Eltern, die sagen: Meine 11jährige hat jetzt 'nen Freund, ich war schonmal mit der bei der Frauenärztin, um der die Pille verschreiben zu lassen, wie sorge ich denn dafür, dass sie die Pille jetzt auch nimmt? Und die gar nicht mitkriegen - die haben gerade einen Freund und die haben noch nicht mal Händchen gehalten und die sind ganz woanders. Es geht ja darum zu gucken: Wo stehen die, und was ist angemessen?"
Man kann hoffen, dass die jungen Leser nicht vor lauter Lustbelehrung
meinen, sie seien schon vor dem "ersten Mal" Profis. Dabei sind sich alle Autoren darin einig, dass jeder Mensch seinen Körper und auch sein Lustempfinden kennen sollte, um erfüllt und frei Sexualität erleben zu können. "Make Love" geht dabei nicht nur am offensivsten mit den Texten um. In zwei starken Fotoblocks zeigt das Buch ungefähr 40 junge Paare - beim Sex und als Portraits. Auch schwule und lesbische Paare sind dabei. Der Auftrag an die Fotografin Heji Shin lautete: Zeig normale Paare, normale Menschen. Damit sollte ein Gegengewicht zu pornografischen Bildern und Filmen gesetzt werden, denen sich nach Studien ein Großteil der Jugendlichen aussetzen.
"Da müssen Bilder rein, aber wir hätten ja andere machen können. Die machen aber nochwas, die machen, ich finde, sehr liebevolle Stimmung, weil es geht dann plötzlich um ne Hand, die einfach auf dem Kopf liegt oder vorsichtig auf der Hüfte, man ahnt so, wie diese Leute sich angefasst haben und das ist eben nicht: Frau liegt in Doggy-Style, Mann hat beide Hände um ihr Becken und dann wird einfach kraftvoll mit angespanntem Oberkörper und angespanntem Hintern gestoßen."
Beim Blick in die echten Schlafzimmer sind nicht nur Hände und Hüften zu sehen, sondern auch alles andere.
"Man sieht verschiedene Geschlechtsorgane, die nicht immer so groß sind wie in diesen anderen Filmen, also auch Busen, die nicht so groß sind, und man sieht Normalität. Wie Menschen aussehen. Man sieht andere Körper als in diesen Pornos oder Magazinen."
Die Fotos, von denen einige große Zärtlichkeit transportieren, haben sicherlich ihre Qualitäten. Ob sie die Aufklärung von Jugendlichen in der Pubertät in dieser Fülle nötig sind, ist allerdings fragwürdig. Denn auch Fotos von echtem Sex müssen nichts mit den Erfahrungen zu tun haben, die Jugendliche selbst machen können. Zumal die abgebildeten Paare alle zwischen 18 und Mitte 20, schlank und gut aussehend sind. Unübersehbar folgt die Aufmachung einer Marketingstrategie. Das bestätigt auch die Autorin.
"Ich glaube tatsächlich, das Buch wäre gern gelesen worden, aber wir leben in einer Medien-Presse-Zeit. , es wäre nicht so oft gesehen worden. Vielleicht wäre es gar nicht entdeckt worden, wieviel Wissen und wieviele Perlen, wie ich jetzt sagen darf, weil ich das als Rückmeldung so oft bekommen hab, drinstehen."
Bilder als Verkaufsmotor für wertvolle Texte – das ist gängige Praxis.
Der Zielgruppe, der man das Buch anbietet, wird man damit allerdings nicht gerecht. Vielleicht hätten die Macher des Buches lieber zwei Titel herausgeben sollen: Einen für Erwachsene, in deren Betten sich Langeweile oder Frust ausgebreitet haben und die in dem Buch sicherlich Erhellendes finden werden. Und eines für die jüngeren Leser ab 14, die Aufklärung und Anregungen brauchen und die in vielen gut gemachten Infografiken Wichtiges oder auch Amüsantes erfahren können.
Abschließend kann man nur empfehlen, dass jeder Erwachsene, der seinen oder anderen Kindern ein Buch zum besseren Verstehen vom Erwachsenwerden, von Liebe und Sexualität schenken möchte, sehr genau hinsieht, wo der Beschenkte gerade steht. Nicht nur das Alter ist für die Auswahl des passenden Aufklärungsbuches ausschlaggebend, sondern auch das Wesen eines Jugendlichen und seine Erfahrungen. Ob spielerisch, kumpelhaft, sachlich oder lustvoll – das gilt es zu entscheiden. Autoren, die sich intensiv mit Jugendlichen aus der Zielgruppe beschäftigt haben, stehen ihnen auch thematisch oft am nächsten.
Anne-Marline Henning & Tina Breemer-Olszewski: !Make Love!, Rogner & Bernhard, 256 Seiten, ab 14 Jahre, 22,95 Euro
1Jann von Holleben, Antje Helms: "Kriegen das eigentlich alle?", Gabriel, 159 Seiten, ab 11 Jahre, 16.95 Euro
Elisabeth Raffauf: "Only for Girls – Alles über Liebe und Sex", Beltz und Gelberg, 262 Seiten, ab 12 Jahre, 12,90 Euro
Manne Forssberg: "For boys only – Alles über Sex und Liebe", Beltz und Gelberg, 208 Seiten, ab 12 Jahre 7,95 Euro
Will McBride, Helga Fleischhauer-Hardt: "Zeig mal!" (1974), 195 Seiten, Jugenddienst-Verlag, Wuppertal 1974, (vergriffen seit 1986)
Will McBride, Frank Herrath: "Zeig mal mehr!", 176 Seiten, Beltz, Weinheim 1988
(vergriffen seit 1995)
Günter Amendt: "Sexfront", 165 Seiten, Märzverlag 1970 Später Rowohlt Taschenbuch
(vergriffen)
Die Rolle der Frau war klar: Entweder hatte sie dem Mann zu gefallen - ihr eigenes Lustempfinden stand dabei an zweiter Stelle –, oder sie wurde als geheimnisvolles Wesen dargestellt, dass es zu erforschen gab. Erst in den 70er Jahren - beflügelt von der sexuellen Befreiung und neuen wissenschaftlichen und soziologischen Erkenntnissen über Sexualität -begannen Autoren und Bildgestalter, Bücher für Kinder zu entwickeln, aus denen diese wirklich etwas lernen konnten. Sexualität bei Kindern und Jugendlichen wurde zum Thema, und Fotos zeigten deutlich Nacktheit und sexuelle Handlungen.
Aber dann machten Skandale um Kinderpornographie und Kindesmissbrauch die Freizügigkeit der 70er Jahre wieder zunichte. Besonders ab Beginn der 90er zog in die Aufklärungsbücher eine Bildwelt ein, die mal niedlich oder witzig, mal sachlich-anatomisch ausfallen, aber auf keinen Fall mit der Empfindlichkeit der Zeit in Konflikt geraten durfte. Daran hat sich bis heute nichts geändert. Kinder und Jugendliche, die mehr sehen wollen, kaufen sich die Bravo oder surfen durchs Internet. Eine große Herausforderung für Autoren und Bildgestalter neuer Aufklärungsbücher.
Einige Neuerscheinungen gehen nun, auf sehr unterschiedliche Weise, einen neuen Weg, um Kinder und Jugendliche an das Thema heranzuführen.
Gänseblümchen, Gummibärchen, Bananen, Gurken und Luftballons – und vor allem ein Haufen fröhlicher und manchmal nachdenklicher Kinder am Rand der Pubertät. Sie alle bevölkern die Fotos in einem beachtenswerten neuen Buch. Sein Titel: "Kriegen das eigentlich alle? – Die besten Antworten zum Erwachsenwerden" von Jan von Holleben und Antje Helms. Ein höchst originell gestaltetes Buch, in dem Pubertät Spaß zu machen scheint. So war es auch gedacht – sagt Jan von Holleben, der die Idee hatte und die Fotos gemacht hat.
"Da passiert einfach wahnsinnig viel, und das Wichtigste ist, dass wir uns eigentlich körperlich komplett verändern und dass der Charakter sich bildet und unsere Sozialsysteme sich bilden und wir ein Körperverständnis bekommen, und da wird irgendwie der Körper einmal groß umgebaut … ja, wer wird man so, wie sieht man aus? Bei Mädchen: Wie wachsen die Brüste, bei Jungen: Wie groß wird man, kriegt man riesige Lulatschfüße, kriegt man nen guten Bartwuchs – man weiß gar nicht, wo die Reise hingeht und man muss einfach so vertrauen. Ja - das passiert in der Pubertät. Also insofern, da sprießt schon ganz schön viel – also, im wahrsten Sinne des Wortes."
Zusammen mit dem Familienplanungszentrum "Balance" in Berlin und mit der Journalistin Antje Helms hat Jan von Holleben ein kleines Meisterwerk vollbracht. Jeder, der das Buch in die Hand nimmt, wird erst einmal an den Fotocollagen hängenbleiben. Statt Schamhaaren wachsen da Wiesenblumen unter den Achseln und aus der Hose, anstelle der Brüste blühen zwei große Blumen auf, das Gesicht zieren nicht Pickel, sondern Gänseblümchen, und eine satte Ladung Sperma kommt als bunte Puffreiskügelchen aus einer Wasserpistole geschossen. Das alles könnte peinlich sein. Ist es aber nicht. Denn Holleben hat das Buch mit den Fotocollagen nicht nur für die Kinder, sondern vor allem mit ihnen gemacht. Das spüren auch die Leser. Im Gespräch mit 12jährigen Kindern fiel auf, wie leicht sie vom hintergründigen Humor der Bilder aufgelockert wurden. Ein Gespräch selbst über heikle, intime Themen kam rasch und unkompliziert zustande.
"Das ist ein ganz wichtiger Punkt, dass alles, was den Kindern peinlich ist, rausfällt. Ich möchte kein Kind bloßstellen, ich möchte nichts Ungemütliches reinpacken, und da wird es für mich ganz spannend, mit den Kindern wirklich zu überlegen: Ok, wir haben hier ein Thema, eine Frage - die Fragen sind ja auch alles echte Kinderfragen, die wir gesammelt haben – was steckt da drin in dieser Frage?"
"Ist es schlimm, wenn man schon 13 ist und noch immer nicht in der Pubertät?
- Was kann ich gegen Pickel machen?
- Warum werden manche Jungs beschnitten?
- Wie kriege ich einen Jungen rum?
- Wie wird man schwul oder lesbisch?
- Darf ich mir Pornos im Internet oder auf dem Handy anschauen?"
Solche Fragen brauchen Klartext. Und den liefert Antje Helms. In kurzen – aber nicht zu kurzen – Texten gibt sie sachliche Antworten auf direkte Fragen. Die Bilder machen dagegen eine zweite oder dritte Ebene auf und regen zum Nachdenken an. Zum Beispiel auf der Seite mit bunten, mal plüschigen, mal martialischen Fantasy-Figuren, die den Artikel über Pornografie begleiten:
"Guckst du manchmal Fantasyfilme? Mit Superhelden, Wunderwaffen, zarten Feen und Action ohne Ende? Nichts anderes als Fantasy sind Pornofilme. Mit geschminkten Schauspielern mit möglichst großen Brüsten und perfekt geformten Vulven und Riesenpenissen. Dazu kommen übertriebene Lust, gespielte Orgasmen und künstliches Sperma. Man fällt nicht tot um, wenn man Pornos guckt. Sie können aber Angst machen, Ekel hervorrufen und Albträume bereiten."
Der Artikel spricht von den falschen Vorstellungen und Belastungen, die Pornos auslösen können, von einem verqueren Geschlechterverhältnis und der Notwendigkeit, andere ins Vertrauen zu ziehen, wenn man mit dem Gesehenen nicht zurechtkommt. Große Neuigkeiten gibt es in den Texten nicht. Wichtig ist den Machern aber, dass sie sich im Vokabular nach den Maßstäben einer modernen Sexualpädagogik richten. Das betrifft die Gleichbehandlung von Menschen mit hetero- und homosexuellen Gefühlen und die Wortwahl, zum Beispiel bei den Geschlechtsorganen.
"Schon mal von "Vulva" gehört? Hört sich irgendwie schön an, oder? Das Wort kommt aus dem Lateinischen und meint den Kitzler, die Schamlippen und die Scheidenöffnung. Wer von "Muschi" spricht, meint meistens die Vulva zusammen mit der Scheide, die anatomisch nur der Kanal ist, der zum Gebärmutterhals führt. Wir benutzen in diesem Buch häufiger das Wort "Vulva", weil es in vielen Fällen der modernere und passendere Ausdruck ist."
"Wir benutzen eher das Wort Vulva, weil das Wort "Scheide" schon ein sehr männlich geprägtes Wort ist, in dem es um ein Behältnis geht, in das etwas reingehört, also die Schwertscheide im klassischen Sinne. Die von den aufgeklärten Sexualpädagogen nicht mehr verwendet werden, weil sie einfach degradierend der Frau gegenüber sind."
Ob den Kindern solche Feinheiten auffallen, sei dahingestellt. Für den erwachsenen Leser – also auch die Eltern – kann eine solche Richtigstellung für Gespräche mit den Kindern hilfreich sein. Elisabeth Raffauf, die als Psychologin und Autorin seit vielen Jahren mit Kindern und Jugendlichen in der Pubertät arbeitet, betont, wie wichtig es in der Sexualerziehung ist, überhaupt Worte zu finden.
"Sexualerziehung ist ja etwas, was bei der Geburt losgeht. Kinder spüren irgendwann: Wie ist denn die Atmosphäre zuhause - darf man über sowas reden, oder werden die eher rot und ist denen das unangenehm, wenn ich was frage? Gibt es überhaupt Worte für alle Geschlechtsteile oder gibt es Körperteile, die gar nicht benannt werden können, also vor allem die Sexualorgane – das kriegen die mit, so ne Atmosphäre, wie die zu Hause ist."
Wenn trotzdem die Worte fehlen oder ein Gespräch nicht zustande kommt, sind Bücher zum Thema Erwachsenwerden, erste Liebe und Sexualität ein wertvoller Begleiter der Kinder – wenn sie gut gewählt sind.
"Es ist ganz schön, wenn Kinder sowas haben, wo die selber reingucken können, also wo die niemanden fragen müssen, weil die manche Fragen haben, von denen die nicht genau wissen: Mit wem red' ich da jetzt drüber und: Kann ich da jetzt meine Eltern fragen oder ist mir das peinlich oder ist denen das peinlich oder sagen die dann was, was ich gar nicht hören will, und dann ist das ganz schön, wenn die was haben, wo die selber entscheiden können: Das will ich lesen, das interessiert mich und das interessiert mich überhaupt nicht, dann kann ich das auch wieder weglegen. Und vielleicht gibt es auch was, was die Eltern gar nicht wissen, das wär auch nicht schlimm, dann könnte man ja auch zusammen nachgucken. Wobei natürlich ältere Kinder, also über 10, vielleicht lieber ein Aufklärungsbuch von ihrer Tante oder jemandem, der ihnen nicht ganz so nah steht, geschenkt bekommen, als ausgerechnet von den Eltern - da ist mehr auch dann, je älter Kinder werden, auch so 'ne Distanz gewünscht."
Das Stichwort Distanz liegt Elisabeth Raffauf besonders am Herzen. Eine zu große Nähe zu den Jugendlichen, wenn es um Sexualität geht, hält sie – ob in Gesprächen oder in Büchern – für falsch.
"Es gab ja in den 68ern diese Sex-Front von Günter Amendt oder diese Bücher, die auch sehr, sehr offen waren und: "Tabu-los" war so ein schönes Wort - was benutzt wurde und was heute auch irgendwie wieder in ist - dass manche Erwachsenen vielleicht denken, es muss jetzt unbedingt alles frei sein. Und das denken sie vielleicht, weil sie selber so ne Enge erlebt haben oder so ne Unfreiheit. Und das ist aber nicht wirklich 'ne angemessene Weise für heutige Jugendliche und Kinder, sondern manche Tabus, oder manche Dinge, die etwas geschützter sind, haben ja auch ihren Sinn, und man muss das eigentlich genau angucken und sagen: Wo brauchen Kinder und Jugendliche Schutz, worüber möchten sie nicht mit ihren Eltern sprechen? Also zu viel so ne aufgesetzte Liberalität - oder was heißt aufgesetzt -, so ne zu große Offenheit, die bedrängt manche Jugendliche genauso wie früher diese Enge und dieses Schweigen."
Was für Eltern und andere Erwachsene gilt, überträgt Raffauf auch auf Autoren. Im Jahr 2011 hat sie selbst ein Aufklärungsbuch mit dem Titel "Only for girls" bei Beltz und Gelberg veröffentlicht. Es folgte einem sehr schwungvollen und ehrlichen Buch für Jungen - "For Boys only" - des schwedischen Autors Manne Forssberg. Gleich im Vorwort stellt Elisabeth Raffauf klar:
"Ehrlich gesagt: In diesem Buch steht nicht alles drin, was du über Liebe und Sex wissen möchtest. Denn es lässt sich nicht alles erklären und nicht alles vorausberechnen, schon gar nicht, wenn es um Körper oder Seele geht. Zum Glück ist das so! Ließe sich unser Liebesleben am Schreibtisch analysieren und vorhersagen, dann wäre der Zauber, den jede Liebe für sich hat, die Einzigartigkeit und das Geheimnis, kein Geheimnis mehr."
Geheimniskrämereien liegen der Autorin allerdings genauso fern. Ihr Buch ist ein umfassendes, sachliches und stellenweise auch vergnügliches Werk für Kinder ab 12 Jahren. So wie Jan von Holleben echte Kinder und Jugendliche in seine Bilder hinein holt, macht Elisabeth Raffauf das mit Zitaten von jungen Menschen zwischen 13 und 20.
"Babette, 18: Bei mir hat das Entdecken des Körpers zeitgleich mit dem Entdecken der Sexualität begonnen, das war irgendwie eins. Jedes Mal mit meinem Freund war anders. Ich hatte nur noch Lust, Zeit mit ihm zu verbringen. Was ich beim Sex schön fand, wusste ich einfach von Mal zu Mal besser."
Gestalterisch ist das Buch wenig interessant. Es zeigt das Nötigste: ein paar anatomische Zeichnungen von inneren und äußeren Geschlechtsorganen und comicartige Figuren. Die äußere Aufmachung von Aufklärungsbüchern hat eine interessante Geschichte – vor allem seit den 70er Jahren. Jan von Holleben hat als Fotograf besonders die Bildsprache von Aufklärungsbüchern studiert und dabei auch in seine eigene Kindheit geschaut.
"Es gibt von Will MacBride aus den 70ern, das heißt "Zeig mal", und das war in den 70ern ein Riesen Erfolg, es hat es durch die ganze Welt geschafft, ist ein sehr direktes, fotografisches Werk von Will McBride, der ja dann auch bisschen kritisch beäugt wurde in den kommenden Jahren, der aber damals mit dem evangelischen Aufklärungsdienst ein Buch gemacht hat, was eigentlich zu 95 Prozent auf Bildern basiert, in dem zwei kleine Kinder, die so vier und sechs sind, sich über das Leben Gedanken machen und auch über die Pubertät und die Familie und alle sind nackt in diesen Büchern - also in diesem einen Buch, es gibt noch ein Folgebuch - und die Kinder erzählen so die Geschichte ihrer Familie und wer mit wem, wer küsst wen, warum und was ist denn, Kinderkriegen und wie funktioniert das - es sind sehr grafische Bilder."
"Zeig mal" mit Bildern von Will McBride und Erklärungen von Helga Fleischhauer-Hardt hielt, was der Titel versprach. Es zeigte nicht nur kleine Kinder, die arglos mit ihren Geschlechtsteilen spielen, sondern auch Erwachsene beim Sex und Jugendliche, die sich gegenseitig berühren. Dabei wurden alle Körperteile genau unter die Lupe genommen. Zwanzig Jahre später stellte der Verlag die Produktion von "Zeig mal!" und dem Folgetitel "Zeig mal mehr" auf Wunsch des Fotografen ein. Immer wieder waren die Fotos angegriffen und Mac Bride schließlich sogar Kinderpornografie vorgeworfen. Dabei hatten die evangelische Kirche und die Polizei das Buch Mitte der 70er Jahre hochgelobt und ihm einen wichtigen pädagogischen Stellenwert attestiert. Es markierte eine Zeit, in der Prüderie und das Märchen vom Storch ausgedient hatten, und in der erstmals auch die Sexualität von Kindern und Jugendlichen thematisiert wurde. Im Jahr 2006 schrieb der Journalist und Autor Oliver Gehrs über eine Veränderung in der Gesellschaft in den 90er Jahren, die vor allem bei der Bildgestaltung in Aufklärungsbüchern eine starke Veränderung auslöste:
"Plötzlich wurde die Sexualität der Kinder nur noch als Fall für die Polizei gesehen, behaftet mit Problemen. Der Blick ist verstellt durch jahrelange Diskussionen über Kindesmissbrauch, Kinderpornografie und die medialen Zerrbilder davon. Das Motto "Zeig mal!" gilt nur noch für die Werbung, die keine Scham kennt, mit kindlicher Erotik Produkte zu verkaufen. Im Miteinander von Erwachsenen und Kindern aber heißt das Motto zu Hause und auf der Straße: Guck bloß weg!"
"Es wird alles immer enger und konventioneller und langweiliger und man geht zurück wieder zur direkten Illustration und versucht gar nicht mehr so fotografisch Kindern zu zeigen, was eigentlich passiert."
Für einen Fotografen ist die heutige Alarmbereitschaft gegen Missbrauch und Kinderpornografie eine große Herausforderung. Deshalb zeigt auch Holleben nicht – "was eigentlich passiert". Und das mit gutem Grund. Wenn er die Kinder nicht nackt auszieht, sondern ihnen - voll bekleidet und per Fotomontage – Blumen auf die Brüste und Kräuter an die Hose zaubert, dann ist das nicht einfach ein Einknicken vor der Gesetzgebung. Noch weniger will er eine Verniedlichung der Sexualität in Richtung Blümchensex. Vielmehr verlangte der Respekt vor der Privatsphäre der Kinder auch einen behutsamen Umgang mit Darstellungen. Und: Holleben will Kinder und Erwachsene mit seinen spielerischen Bildern zum Denken und Reden bringen.
"Ich bin niemand, der illustriert im klassischen Sinne. Ich möchte schon mit meinen Bildern auch den Betrachter anregen, erstmal aufmerksam machen über ne bestimmte Art und Weise der Bildsprache, aber dann natürlich auch anregen, über das Bild hinauszudenken."
Einigen Kapiteln hat er deshalb Fotos von ausgeklügelten Maschinen vorangestellt. Dafür baut er um die Kinder herum mit Drähten, Spulen, Gummibonbons, Würfeln, Strohhalmen und Wäscheklammern zum Beispiel die "Geschlechterunterscheidmaschine" (sic). Die Maschine spiegelt nicht Funktionalität, sondern das Zusammenspiel von biologischen und genetischen Gegebenheiten, von Zufällen, Gegensätzen und Gemeinsamkeiten.
"Wir wollten nicht biologisch aufklären. Wir wollten wirklich eher philosophisch aufklären. Wir wollten dem Kind das Gefühl geben: Es ist gut. Und (…) ich möchte erstmal über das Visuelle das Thema einleiten und das auch mit viel Humor machen und mit viel Spaß und die Kinder erstmal abholen, wo sie stehen."
Mit dieser indirekten, nicht illustrativen Bildsprache sticht das Buch meilenweit aus den zurzeit gängigen Titeln heraus. Dort bevölkern einerseits harmlose, manchmal lustige, manchmal grauenhaft überzogene Figuren die Aufklärungsbücher für Kinder und Jugendliche.
Die Themenwelt hat sich dagegen im Lauf der letzten Jahrzehnte erweitert. Der Knall der ersten mutigen Sex-Bücher der 70er Jahre ist inzwischen längst verhallt. Über Sexualität in der Jugend zu sprechen, ist in modernen Aufklärungsbüchern Standard. Selbstbefriedigung und Petting gehören so selbstverständlich dazu wie Homosexualität, sexuelle Praktiken, Verhütung, Schwangerschaftsabbruch und die Pille danach - und die Gefahr von Ansteckung oder Kontrollverlust durch Alkohol und Drogen. Im Allgemeinen machen diese Bücher Kindern und Jugendlichen Mut, ohne Angst mit ihrer Sexualität umzugehen und sich selbst und ihre Wünsche oder auch Abneigungen kennenzulernen. Spätestens seit vor fünf Jahren der Begriff "Generation Porno" geprägt wurde, und die Warnungen vor der sexuellen Verwahrlosung von Jugendlichen immer lauter wurden, nimmt das Thema Pornografie mehr Raum in Kinder- und Jugendbüchern ein. Die Schwerpunkte und der Ton variieren, gestalterische Überraschungen wie das Buch von Jan von Holleben und Antje Helms sind selten.
Ein sehr freizügiger Titel für ältere Jugendliche wagt sich nun auf ein ganz neues Terrain. "Make Love", geschrieben von der Psycho- und Sexualtherapeutin Ann-Marlene Henning und der Journalistin Tina Bremer-Oszewski. Der Verlag gibt als Altersempfehlung 14 Jahre an, die Autorin legt sich da lieber nicht fest.
"Beim Aufklärungsbuch ist es ja klar, da denkt man ja erst an die Leute, die gerade in die Pubertät kommen, und das ist ja nu sehr unterschiedlich, manchmal mit 9 oder 10 und manchmal 17. Wir sprechen deswegen Leute an, die anfangen, Sex zu haben. Und das ist auch ein weiter Begriff. Zu Sex gehört Petting, Küssen und sich verlieben zum Beispiel. Also einige Teile des Buches kann man sehr früh lesen, andere interessieren einen dann nicht, bevor man vielleicht 16. 17 ist - aber wenn ich 'ne Zahl sagen soll, dann vielleicht so um die 14 – also ich sprech viele an, hoffe ich …"
Ann-Marlene Henning spricht ganz offensichtlich viele an. "Make Love" verkauft sich mittlerweile in der 9. Auflage und wurde für den Jugendliteraturpreis 2013 in der Sparte Sachbuch nominiert. Die Autorin erklärt sich den Erfolg dadurch, dass in ihrem Buch Themen klargestellt werden, die bisher in Aufklärungsbüchern so gut wie überhaupt nicht vorkommen:
"Wenn ich jetzt spezifisch nur auf Jugendbuch gucke, dann fällt doch auf, dass in Aufklärungsbüchern doch auf jeden Fall immer die Sachen drin sind mit: Wie vermeide ich eine Krankheit - was auch gut ist - aber auch so die Fortpflanzung, wie funktioniert das überhaupt mit Ei und Sperma? In vielen Büchern ist dann drin, wie die Gefühle so erwachsen und dieses - ja, man verliebt sich. Aber irgendwie fehlt immer was. Ich fand, es fehlt dieses: Wer bin ich? Wie werde ich? Und zwar mit allem - welcher sexuelle Mensch kann ich werden, was mag ich, was mag ich nicht, was gibt es alles, dann kann ich mich entscheiden, ob ich Dinge mach oder nicht mach."
Konkret macht "Make love" das, was schon der Titel suggeriert: Es ermutigt dazu, die eigene Sexualität aktiv zu erkunden und Techniken zur Erregung kennenzulernen und zu üben. Nach einem Vorwort, in dem die Autorin beklagt, dass selbst viele Erwachsene – vor allem Frauen – kaum etwas über ihren Körper und Lustempfinden wüssten, folgt das erste Kapitel mit der Aufforderung: Fass dich an!
"Wie funktioniert ein Körper? Wie erreg ich mich? Was macht ein Körper, wenn er erregt ist und wie kann ich das unterstützen? Und wie kann ich es stoppen? Viele Jungs müssen es stoppen, um nicht zu kommen, viele Mädchen müssen es steigern, um überhaupt irgendwie zu spüren und zu kommen."
Dazu liefert die Autorin eine ausführliche Orgasmuskunde mit genauen Anleitungen für Jungen und Mädchen, beziehungsweise für Männer und Frauen, ob nun bei der Selbstbefriedigung oder beim Sex mit Freund oder Freundin. Nachdem das berühmte "erste Mal" mit den schon in zahllosen anderen Büchern beschriebenen möglichen Enttäuschungen und Missgeschicken ziemlich schnell abgehandelt wird, verlässt die Autorin die ursprüngliche Zielgruppe der 14jährigen. Jetzt geht es nicht mehr um Jugendliche, die anfangen, Sex zu haben, sondern um Menschen, die Sex – im besten Sinne - perfektionieren wollen. Dass 14jährige seitenlange Gebrauchsanweisungen zum Oralsex brauchen, darf zumindest bezweifelt werden. Diplompsychologin Elisabeth Raffauf hat schon oft beobachtet, dass Erwachsene den Fehler machen, die Jugendlichen im Übereifer bei der Aufklärung zu überholen – und sie mit diesem "Zuviel" ebenso alleinzulassen wie mit einem "Zuwenig" an Aufklärung.
"Da gibt es Eltern, die sehr unsicher sind darüber, dass manches so viel früher ist - also Eltern, die sagen: Meine 11jährige hat jetzt 'nen Freund, ich war schonmal mit der bei der Frauenärztin, um der die Pille verschreiben zu lassen, wie sorge ich denn dafür, dass sie die Pille jetzt auch nimmt? Und die gar nicht mitkriegen - die haben gerade einen Freund und die haben noch nicht mal Händchen gehalten und die sind ganz woanders. Es geht ja darum zu gucken: Wo stehen die, und was ist angemessen?"
Man kann hoffen, dass die jungen Leser nicht vor lauter Lustbelehrung
meinen, sie seien schon vor dem "ersten Mal" Profis. Dabei sind sich alle Autoren darin einig, dass jeder Mensch seinen Körper und auch sein Lustempfinden kennen sollte, um erfüllt und frei Sexualität erleben zu können. "Make Love" geht dabei nicht nur am offensivsten mit den Texten um. In zwei starken Fotoblocks zeigt das Buch ungefähr 40 junge Paare - beim Sex und als Portraits. Auch schwule und lesbische Paare sind dabei. Der Auftrag an die Fotografin Heji Shin lautete: Zeig normale Paare, normale Menschen. Damit sollte ein Gegengewicht zu pornografischen Bildern und Filmen gesetzt werden, denen sich nach Studien ein Großteil der Jugendlichen aussetzen.
"Da müssen Bilder rein, aber wir hätten ja andere machen können. Die machen aber nochwas, die machen, ich finde, sehr liebevolle Stimmung, weil es geht dann plötzlich um ne Hand, die einfach auf dem Kopf liegt oder vorsichtig auf der Hüfte, man ahnt so, wie diese Leute sich angefasst haben und das ist eben nicht: Frau liegt in Doggy-Style, Mann hat beide Hände um ihr Becken und dann wird einfach kraftvoll mit angespanntem Oberkörper und angespanntem Hintern gestoßen."
Beim Blick in die echten Schlafzimmer sind nicht nur Hände und Hüften zu sehen, sondern auch alles andere.
"Man sieht verschiedene Geschlechtsorgane, die nicht immer so groß sind wie in diesen anderen Filmen, also auch Busen, die nicht so groß sind, und man sieht Normalität. Wie Menschen aussehen. Man sieht andere Körper als in diesen Pornos oder Magazinen."
Die Fotos, von denen einige große Zärtlichkeit transportieren, haben sicherlich ihre Qualitäten. Ob sie die Aufklärung von Jugendlichen in der Pubertät in dieser Fülle nötig sind, ist allerdings fragwürdig. Denn auch Fotos von echtem Sex müssen nichts mit den Erfahrungen zu tun haben, die Jugendliche selbst machen können. Zumal die abgebildeten Paare alle zwischen 18 und Mitte 20, schlank und gut aussehend sind. Unübersehbar folgt die Aufmachung einer Marketingstrategie. Das bestätigt auch die Autorin.
"Ich glaube tatsächlich, das Buch wäre gern gelesen worden, aber wir leben in einer Medien-Presse-Zeit. , es wäre nicht so oft gesehen worden. Vielleicht wäre es gar nicht entdeckt worden, wieviel Wissen und wieviele Perlen, wie ich jetzt sagen darf, weil ich das als Rückmeldung so oft bekommen hab, drinstehen."
Bilder als Verkaufsmotor für wertvolle Texte – das ist gängige Praxis.
Der Zielgruppe, der man das Buch anbietet, wird man damit allerdings nicht gerecht. Vielleicht hätten die Macher des Buches lieber zwei Titel herausgeben sollen: Einen für Erwachsene, in deren Betten sich Langeweile oder Frust ausgebreitet haben und die in dem Buch sicherlich Erhellendes finden werden. Und eines für die jüngeren Leser ab 14, die Aufklärung und Anregungen brauchen und die in vielen gut gemachten Infografiken Wichtiges oder auch Amüsantes erfahren können.
Abschließend kann man nur empfehlen, dass jeder Erwachsene, der seinen oder anderen Kindern ein Buch zum besseren Verstehen vom Erwachsenwerden, von Liebe und Sexualität schenken möchte, sehr genau hinsieht, wo der Beschenkte gerade steht. Nicht nur das Alter ist für die Auswahl des passenden Aufklärungsbuches ausschlaggebend, sondern auch das Wesen eines Jugendlichen und seine Erfahrungen. Ob spielerisch, kumpelhaft, sachlich oder lustvoll – das gilt es zu entscheiden. Autoren, die sich intensiv mit Jugendlichen aus der Zielgruppe beschäftigt haben, stehen ihnen auch thematisch oft am nächsten.
Anne-Marline Henning & Tina Breemer-Olszewski: !Make Love!, Rogner & Bernhard, 256 Seiten, ab 14 Jahre, 22,95 Euro
1Jann von Holleben, Antje Helms: "Kriegen das eigentlich alle?", Gabriel, 159 Seiten, ab 11 Jahre, 16.95 Euro
Elisabeth Raffauf: "Only for Girls – Alles über Liebe und Sex", Beltz und Gelberg, 262 Seiten, ab 12 Jahre, 12,90 Euro
Manne Forssberg: "For boys only – Alles über Sex und Liebe", Beltz und Gelberg, 208 Seiten, ab 12 Jahre 7,95 Euro
Will McBride, Helga Fleischhauer-Hardt: "Zeig mal!" (1974), 195 Seiten, Jugenddienst-Verlag, Wuppertal 1974, (vergriffen seit 1986)
Will McBride, Frank Herrath: "Zeig mal mehr!", 176 Seiten, Beltz, Weinheim 1988
(vergriffen seit 1995)
Günter Amendt: "Sexfront", 165 Seiten, Märzverlag 1970 Später Rowohlt Taschenbuch
(vergriffen)