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Des Widerspenstigen Zähmung

Gestern Abend trat mit Jürgen Möllemann eine der schillerndsten Personen der deutschen Politik mit heftigen Attacken auf seine Parteifreunde von seinen politischen Ämtern zurück. Möllemann war nach der Bundestagswahl schon als stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei zurückgetreten, gestern folgte der Abschied von den FDP-Ämtern in der Landespolitik Nordrhein-Westfalens. Unser Düsseldorfer Korrespondent Volker Wagener übersandte uns ein Psychogramm des Politikers.

Volker Wagener, Hans Leyendecker und Rolf Clement | 21.10.2002
    Jürgen Möllemann hat schon immer alles, was er in Angriff genommen hatte, bis zur Gänze ausgekostet: den Erfolg und die Niederlage. Nicht wenige halten ihn deshalb für einen Christoph Daum der Politik: höhenberauscht, wirklichkeitsfern und doch nie unterzukriegen.

    Glück muss man haben, denkt in diesen Tagen insgeheim so manche CDU-Größe, angesichts eines solchen Psychogramms, wenn das Wort "Möllemann" fällt. Was kaum einer weiß – Deutschlands ungewöhnlichster Politiker war einmal in Besitz des schwarzen Parteibuches. Als 16jähriger Gymnasiast trat er 1962 in die Union ein, wurde auch Kreisvorsitzender der Jungen Union in Münster und AStA-Chef an der Universität. Sieben Jahre später ist er wieder draußen. "Ich wollte mich betätigen", erzählt er Jahrzehnte später. "Es gab ja in dem Dorf, wo ich aufgewachsen bin, nichts anderes."

    Das Detail aus der frühen Jugend des Jürgen Wilhelm Möllemann ist vielsagend. Schon der junge Möllemann strotzte nur so vor Tatendrang. Die Energie, sein Kämpferwesen, ist bis heute – trotz 57 Jahren – geblieben. Nur mit der Richtung seines Elans hatte er schon immer seine Probleme - aber auch die anderen. Kaum ein Politiker der letzten 30 Jahre kann wohl von sich behaupten, eine so große Feind-Gemeinde zu haben, wie der schnauzbärtige, studierte Grund- und Hauptschullehrer.

    Möllemann, Vater von vier erwachsenen Töchtern, ist zum Synonym für den Karrierepolitiker, den Opportunisten schlechthin geworden. "Das sind doch alles Möllemänner", heißt es oft aus dem politikabgewandten Milieu der Nichtwähler. Dabei galt und gilt der Sohn eines Polstermeisters geradezu als Genie im politischen Handwerk. Das gestehen ihm sogar seine politischen Gegner zu. Und in seinem Heimatverband Nordrhein-Westfalen galt der Motivationskünstler gerade in den letzten Jahren als der Vater des Erfolgs. 9,8 Prozent bei den Landtagswahlen 2000 – und das aus der außerparlamentarischen Opposition heraus – war schon legendenbildend.

    Dabei hatten seine rheinisch-westfälischen Parteifreunde schon seit Monaten ein ambivalentes Verhältnis zu ihrem "Leitwolf" Möllemann. Die gesamte 24-köpfige Landtagsfraktion verdankte ihm ihre politische Existenz. Das verpflichtete. Die Kritik an ihm blieb kleinlaut, als er im Frühsommer den bei den Grünen ausgetretenen Landtagsabgeordneten Jamal Karsli in die FDP implantieren wollte.

    Möllemann ließ seine Kritiker stets wissen, dass er seine Rückendeckung "aus der Mitte der Gesellschaft" erhalte. Die Partei brauche er nicht immer, ließ er damit unausgesprochen durchsickern. In der Tat wurden seine israelkritischen Äußerungen im Wahlkampf gegenüber Ariel Scharon und Michel Friedman mit Abstand am meisten beklatscht.

    Ich habe das kritisiert, bleibe dabei, werde das weiterhin tun, bis Scharon auf den Pfad des Friedens, des Osloer Vertrages zurückkehrt, und ich werde mir das Recht dazu auch von Herrn Friedman nicht bestreiten lassen, meine sehr verehrten Damen und Herren.

    Was die arabische Sache anbelangt, ist Jürgen Möllemann ein Überzeugungstäter. Ein Antisemit ist er deshalb noch lange nicht. In seinem früheren Bonner Büro hing eine Urkunde, darauf stand: "Für Zivilcourage. Zu Ehren von Herrn Jürgen Möllemann werden in Israel fünf Bäume gepflanzt." Unterschrift: der Jüdische Nationalfonds. Darauf, berichtet er, sei er stolz.

    In Nordrhein-Westfalen erlebt das Enfant terrible einen herben Tiefschlag im Herbst 1994. Möllemann wird durch den kollektiven Rücktritt des Landesvorstands gezwungen, sein Amt als Vorsitzender niederzulegen. Vorangegangen waren monatelange Attacken seinerseits gegen den damaligen Bundesparteichef, Klaus Kinkel.

    Zwei Jahre später holte ihn die Partei wieder zurück. Die Kassen waren leer und Landespolitik wurde ohne die Blaugelben gemacht. Ein Nullstart für den Strategen. Mit seinem belächelten 8-Prozent-Wahlkampf 2000 galt er bis zur ersten Hochrechnung als Politclown. Als dann fast zehn Prozent zu Buche standen, begann die Zeit seiner unumschränkten Herrschaft zwischen Rhein und Ruhr.

    Das Projekt-18, keine Koalitionsaussage und ein eigener Kanzlerkandidat – das waren seine Ideen. Die Spaßpartei erregte Aufsehen.

    "Uns schickt der Himmel", nennt Möllemann seine eigene Wahlkampf-Tournee. Bis zur körperlichen und seelischen Erschöpfung wirbt er für sich und die Partei. Bis zu vier Absprünge täglich mutet er sich zu. Als "Stuntman fürs politisch Anstößige" findet er dabei Sympathisanten und Kritiker gleichzeitig. Im Schnitt spricht er vor ein paar Hundert Zuhörern. Diesen verspricht er wenig - im Gegenteil: Gerade in den traditionellen Bergbau-Gebieten wirbt er ohne Wenn und Aber für den Subventionsabbau.

    Ich bin doch an alle Zechenstandorte gegangen. Diese Tournee war nicht leicht. Ich habe es den Kumpels und ihren Familien dort erklärt. Das muss man. Das gehört sich so. Die haben mir am Anfang Blumen zugeworfen – an denen unten die Töpfe noch hingen. (Gelächter) Ist doch klar. Die waren nicht begeistert.

    Möllemann, der Mutige - so sieht er sich. Politisch zieht er mit seiner Partei an einem Strang. Es spricht vieles dafür, dass er auch einer der besten "Verkäufer" liberaler Programmatik war. Doch sein Ego wurde dem Bauchpolitiker zum Verhängnis. Unterordnen konnte er sich noch nie. Parteidisziplin kennt er nicht.

    Nirgendwo sonst als innerhalb der FDP dürfte die Erleichterung über Möllemanns Absturz größer sein. Doch der Mann ist gerade in der Niederlage für Überraschungen gut. Was würde er machen, wurde er einmal gefragt, wenn ihn seine Partei – wie heute schon angeregt – einmal rausschmeißen würde? – Eine neue Partei gründen, lautete seine Antwort. Und dies ist mehr als fünf Jahre her. Ist das politische Kapitel "Jürgen W. Möllemann" noch nicht zuende?

    Volker Wagener aus Düsseldorf. Möllemann spielt seit fast genau 30 Jahren auf der bundespolitischen Bühne eine Rolle mit vielen Höhen und Tiefen.

    Als er 1972 in den Bundestag kam, wurde er zunächst bildungspolitischer Sprecher seiner Fraktion, 1975 dann sicherheitspolitischer Sprecher. Ab 1978 leitete er den Arbeitskreis für Außen-, Deutschland-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik der Fraktion.

    Auch in diesen Funktionen wurde seine Neigung zu unorthodoxen Positionen schon deutlich. So wollte er die FDP zu einem Ja zur damals diskutierten Neutronenbombe festlegen, einer Waffe, die Menschen töten, aber die Infrastruktur wie Gebäude und Straßen unbeschadet lassen sollte. Er schlug 1978 vor, Bundeswehreinheiten für UN-Missionen im Nahen Osten bereitzustellen, eine damals völlig abwegige Vorstellung, die aber heute in einem ganz anderen Licht gesehen wird, wie ein entsprechender Vorschlag von Bundeskanzler Schröder aus dem April zeigt.

    Auch in der Nahost-Politik waren damals schon jene Linien erkennbar, die ihn in diesem Jahr zweimal in Probleme gebracht haben: Bei einer Nahost-Reise 1979 traf er sich mit PLO-Chef Arafat, der damals noch keine internationale Reputation hatte und als Terrorist galt. Möllemann forderte damals schon das Selbstbestimmungsrecht für die Palästinenser und warf Israel Staatsterrorismus vor.

    1982 wurde Jürgen Möllemann, damals ein enger Gefolgsmann des FDP-Vorsitzenden und Außenministers Hans-Dietrich Genscher, Staatsminister im Auswärtigen Amt. Das kam einmal seinen Neigungen entgegen, die er als Mitglied und späterer Präsident der deutsch-arabischen Gesellschaft hatte, zum anderen aber wurde er damit zu einem Architekten der Operation, mit der in der FDP der 1982 erfolgte Wechsel aus der Koalition abgesichert wurde, den er aktiv und massiv unterstützt hatte.

    Als Bildungsminister ab 1987 setzte er die Erhöhung des Bildungsetats durch. Möllemann legte ein Programm zur Entlastung der Hochschulen vor, die aus allen Nähten platzten. Er trat für eine Verkürzung der Gymnasial-Schulzeit auf zwölf Jahre ein. Unkonventionell war sein Vorschlag, den Lehrbetrieb an den Hochschulen zeitlich auszudehnen: Er sollte von sechs bis 22 Uhr dauern. Nach der Bundestagswahl 1990 verzichtete der damalige Wirtschaftsminister Helmut Haussmann auf eine Fortführung seines Amtes, Möllemann wurde sein Nachfolger. Schwerpunkt seiner Arbeit war hier zunächst die Schaffung von besseren wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft in Ostdeutschland. Aber Stichworte wie Subventionsabbau und eine neue Kohle-Politik standen auf seiner Agenda, mit der er sich nur begrenzt durchsetzen konnte. Nach dem Rücktritt von Außenminister Genscher wurde Möllemann auch Vizekanzler.

    Am 3. Januar 1993 musste Möllemann zurücktreten. Er hatte auf dem offiziellen Briefbogen des Wirtschaftsministers für Einkaufswagenchips geworben, die sein angeheirateter Vetter für Handelsketten produzierte. Möllemanns Ministerkarriere war damit zu Ende, seine Rücktrittserklärung deutete wenig auf Einsicht hin:

    Angesichts der Bedeutung, die ich gerade in dieser Zeit dem Amt des Bundesministers für Wirtschaft zumesse, halte ich es mit meinem Amtverständnis nicht für vereinbar, die Amtsführung des Bundesministers für Wirtschaft weiter mit dem bei meinem Verbleiben im Ministerium wohl unvermeidbaren öffentlichen Auseinandersetzungen zu belasten.

    In der FDP geriet der agile Politiker aus Westfalen immer mehr in eine Oppositionsrolle und eckte damit immer wieder an. Zunächst taktierte er bei der Nachfolgefrage Genschers. So plädierte er zunächst dafür, dass Klaus Kinkel Außenminister werden sollte, während er Parteichef werden wollte. Dann schwenkte er um und trug einen Präsidiumsbeschluss zu Gunsten von Irmgard Schwaetzer mit. Buchstäblich über Nacht wurde er wieder zum Anhänger Kinkels. Bei der Wahl zum Parteivorsitzenden unterlag er dann Irmgard Schwaetzer, ebenso wie später auch Wolfgang Gerhardt. Nach der nicht gut verlaufenen Bundestagswahl 1994, wo die FDP am gleichen Wahlsonntag in drei Landtage nicht einziehen konnte, eröffnete Möllemann sofort die Personaldiskussion:

    Ich glaube, wir müssen uns ganz nüchtern die Frage stellen, wo die Schwachstellen liegen, an welchen inhaltlichen Punkten wir Korrekturen vornehmen müssen, wo wir unser Profil kämpferischer vertreten müssen und ob da möglicherweise auch in der personellen Repräsentanz Veränderungen erforderlich sind. Jedenfalls ein Weiter so! kann es nicht geben, sonst läuft der organisierte Liberalismus Gefahr, von der politischen Landkarte zu verschwinden.

    Und ein Jahr später, nach erneuten Wahlniederlagen meinte Möllemann:

    Klaus Kinkel hat erklärt, es dürfe in Mainz keinen Richtungsstreit geben. Da kann ich nur sagen: 'Ruhe sanft!’ Natürlich muss über die inhaltliche Position der FDP gestritten und entschieden werden. Es muss über Personen selbstverständlich auch gesprochen werden.

    Möllemann fiel immer wieder dadurch auf, dass er alle Parteivorsitzenden nach Genscher öffentlich kritisierte. Er ist ein strategischer Kopf, der aber seine Fähigkeiten immer wieder dadurch unwirksam machte, dass er zu sehr in die Öffentlichkeit drängte, dass er sich in den Schlagzeilen sonnte, die er produzierte. So hat er selbst immer wieder bei Rundfunkanstalten angerufen und sich als Interviewpartner zu allen denkbaren politischen Themen angedient. Er war immer eine kritische Masse in der FDP, die einzudämmen keinem Parteichef nach Genscher gelingen wollte. Auch die gelegentliche Einbindung ins Parteipräsidium, in das er gewählt, oft auch wieder herausgewählt wurde, änderte daran nichts.

    Auf dem Höhepunkt seines Einflusses in der Bundespartei schien er unter dem Vorsitzenden Westerwelle angekommen zu sein. Er hat Westerwelle gegen den damaligen Parteichef Gerhardt positioniert. Zwar war Westerwelle anfangs gegen die drei zentralen Teile der Möllemannschen Wahlkampfstrategie, dem Ziel, 18 Prozent zu erreichen, der Benennung eines Kanzlerkandidaten und des Verzichts auf eine Koalitionsaussage. Aber Westerwelle schwenkte dann auf Möllemanns Strategie ein und übernahm diese drei Elemente. Umso größer war die Enttäuschung Westerwelles, als ausgerechnet Möllemann mit seinen beiden Vorstößen im Frühjahr und kurz vor der Wahl der FDP eine Diskussion bescherte, die von den eigentlichen Inhalten des FDP-Wahlkampfes ablenkte. So kam es am Tag nach der Bundestagswahl zum erneuten Rücktritt als Parteivize:

    Um der FDP eine Zerreißprobe und eine weitere Beschäftigung mit sich selbst zu ersparen, trete ich von meinem Amt als stellvertretender Bundesvorsitzender zurück.

    Da Möllemann durch sein Verhalten in den letzten Jahrzehnten im FDP-Establishment mehr Gegner als Freunde hatte, wurde ihm dies zum Verhängnis, zumal die Wahlstrategie, deren Vater er ist, nicht in dem Maße gezogen hat wie sich dies die Partei gewünscht hat. Mit dem baden-württembergischen Landeschef Walter Döring, dem Berliner Günter Rexrodt, dem Rheinland-Pfälzer Rainer Bürderle und Bundestags-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt hatte er die wichtigsten FDP-Potentaten gegen sich. Die noch nicht aufgedeckten Umstände um die Finanzierung des letzten Flugblattes gaben nun ausreichend Stoff, ihn zum Rücktritt zu zwingen.

    Die Frage, woher die Mittel kommen, die er in seinem Bundestagswahlkampf eingesetzt hat, beschäftigt die FDP - und vielleicht auch noch andere Institutionen - immer noch heftig. Möllemann war immer auch ein Mann mit Wirtschaftskontakten und eigenen wirtschaftlichen Aktivitäten. Ob sich daraus Hinweise auf die Herkunft der Mittel ableiten lassen, wird sich weisen. Hans Leyendecker zum Wirtschaftsmann Möllemann.

    Bereits in jungen Jahren war Jürgen Möllemann der Liebling der deutschen Industrie. Als Nachwuchspolitiker erhielt er aus einem Sonderfonds, der vor allem von Wirtschaftsverbänden und der Versicherungswirtschaft gespeist wurde, regelmäßig Bares zur freien Verfügung. Später stand er als Direktionsassistent beim Düsseldorfer Flick-Konzern auf der Gehaltsliste. Diese Tätigkeit wurde in den achtziger Jahren erst im Rahmen der Flick-Affäre publik.

    Seitdem hat es in der politischen Karriere des Freidemokraten viele Aufs und Abs gegeben, aber all die Zeit fiel der Liberale durch wirtschaftliche Engagements auf. Zunächst versuchte er sich, mit wenig Erfolg, als Zeitschriftenverleger und Mitinhaber einer PR-Agentur.

    Nachdem der gelernte Lehrer 1993 als Bundeswirtschaftsminister zurücktreten musste, gründete er in Düsseldorf eine Exportberatungsfirma mit dem schönen Namen WebTec. Die Firma soll vor allem Geschäfte mit arabischen Staaten, sowie mit dem Iran, Kasachstan, Pakistan und Turkmenien vermitteln.

    Wenn der Politiker Möllemann in der Vergangenheit Israel attackierte, mutmaßten selbst Parteifreunde, der Unternehmer Möllemann wolle so bei Kunden in Nahost Eindruck machen. In dieses Bild passte auch, dass Klaus Geerdts, ein früherer Militärattaché an der Deutschen Botschaft in Riad, einige Jahre Prokurist der WebTec war. Als Attaché hatte sich Geerdts, ebenso wie Möllemann, früh für Panzergeschäfte mit Saudi-Arabien eingesetzt.

    Die Geschäfte seines Düsseldorfer Unternehmens liefen "glänzend", prahlte Möllemann gelegentlich und behauptete in Interviews, er könne sich derart "dumm und dusselig verdienen". Bei seinen Vermittlungsgeschäften im arabischen Raum kassiere er manchmal "Provisionen im siebenstelligen Bereich". Jedenfalls verdiene er mit seiner WebTec mehr als der deutsche Bundeskanzler. Dank seiner Firma sei er "wirtschaftlich von der Politik völlig unabhängig," behauptete Möllemann und er müsse "auf niemanden Rücksicht nehmen".

    Das klang gut, aber womöglich war das, wie so oft im Leben von Jürgen Möllemann, ein Bluff - zumindest eine Übertreibung. "Jürgen Möllemanns angeblicher Erfolg als Arabien-Unternehmer ist eine Luftnummer" behauptete neulich die Wirtschaftswoche nach einer monatelangen Recherche. Die Redakteure hatten die WebTec-Firmenzentrale in der Düsseldorfer Achenbachstraße inspiziert und der Eindruck war trist. Die leblos und verwaist wirkenden WebTec-Büros in Düsseldorf ließen nach Erkundungen des Blattes kaum auf einen regen Geschäftsbetrieb schließen.

    Vielleicht ist das die Tragik Möllemanns: Entweder er kommt zu spät oder zu früh. In den achtziger Jahren, sagt ein Berliner Lobbyist, seien über solche Beratungsfirmen große Geschäfte gelaufen. Die guten Zeiten der Mittelsmänner seien aber schon seit einer Weile Vergangenheit. Heute würden viele Geschäfte nicht mehr über Mittelsleute eingefädelt, sondern direkt mit dem Hersteller gemacht. Deshalb gilt es bei Experten als äußerst unwahrscheinlich, dass einer der angeblichen Möllemann-Kunden der Finanzier der Flyer-Aktion war.

    Viel besser im Geschäft ist ein Mann, mit dem Möllemann schon seit den achtziger Jahren gut bekannt ist. Der heißt Rolf Wegener, handelt mit Immobilien und Fußballern und ist Türöffner bei Geschäften. Zumeist lebt er in Monaco. Er ist Vermieter der Immobilie, in der Möllemanns WebTec sitzt.

    Wegener ist tatsächlich einer der Großen: Er mischte beispielsweise Anfang der neunziger Jahre als Berater bei dem Verkauf der 36 Spürpanzer durch die Firma Thyssen-Henschel an Saudi-Arabien mit. Von insgesamt 220 Millionen Mark Schmiergeld flossen 8,93 Millionen Mark an eine Briefkastenfirma in Panama, deren Treuhänder Wegener war.

    Möllemann und Wegener sind ein eingespieltes Team. Beide gründeten im Dezember 1994 eine Firma namens MS-Air, Gesellschaft für Flug und Luftbildservice. Doch das ist auch eher eine kleine Luftnummer. Der Firma gehört ein Sportflugzeug. Alleiniger Zweck ist das Absetzen von Fallschirmspringern der Clubs in Rheine, Dortmund und Münster.

    Als 1996 bei dem Fußballverein Schalke 04 über ein Finanzierungskonzept für den Bau der rund 180 Millionen Euro teuren Arena diskutiert wurde, brachte Möllemann, der im Aufsichtsrat des Fußballvereins saß, saudi-arabische Investoren ins Spiel und empfahl als Kontaktmann Wegener. Aus dem Deal mit Schalke wurde nichts.

    Dennoch hat Wegener gelegentlich dem Freund unter die Arme greifen können. Nachdem Möllemann 1996 mit einem spektakulären Comeback den Vorsitz des klammen FDP-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen zurückerobert hatte, spendete Wegener über seine Düsseldorfer Immobilienfirma Delphi 300.000 Mark. "Ich hoffe" , hatte Möllemann damals verkündet, dass "weitere Spenden für die FDP folgen". Möglicherweise ist seine Hoffnung nicht enttäuscht worden.