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''Deshalb haben wir doch um unsere Unabhängigkeit gekämpft''

Agrarexperten, die Angola noch aus den 70er Jahren kennen, schwärmen von dem ungeheuren landwirtschaftlichen Potential des südwestafrikanischen Landes. Die portugiesische Kolonie brillierte weltweit als viertgrößter Kaffee-Exporteur und drittgrößter Hersteller von Sisal. Mit fruchtbaren Böden, reichlich Wasser und Sonne ausgestattet, wächst in dem Land fast alles, mit mehrfachen Ernten pro Jahr. Nach der Unabhängigkeit flammte ein von den USA und der UdSSR genährter Bürgerkrieg auf, der nach mehreren fehlgeschlagenen Friedensversuchen jetzt endlich ein Ende gefunden hat. Doch jetzt beginnt der Kampf ums Land.

Von Jule Reimer | 19.12.2002
    Der Rechtsanwalt Manuel David Mendes arbeitet für "Maos Livres". Die Nichtregierungsorganisation wurde von Juristen und Journalisten gegründet. Die Organisation verteidigt Bürger, deren Rechte vom Staat missachtet wurden. Mendes zählt immer mehr Fälle, in denen Angolaner die Äcker aufgeben müssen, von denen sie sich ernährten. Zum Beispiel die Familien, die auf den Feldern der Zuckerfabrik von Caxito nördlich der Hauptstadt Luanda leben. Diese wurde wie das meiste Land in Angola von der sozialistischen MPLA nach der Unabhängigkeit 1975 verstaatlicht, aber die Produktion wurde wegen des Krieges aufgegeben. Die Arbeiter mussten sich von irgendetwas ernähren und begannen das Land zu bestellen - bis Angolas Regierung die Marktwirtschaft einführte. David Mendes:

    Die Regierung hat dann die Zuckerfabrik und das zugehörige Land privatisiert, ohne Rücksicht auf die Kleinbauern, die dort seit Jahren leben. Jetzt bleibt denen nur, sich entweder als Arbeiter für die neuen Herren zu verdingen oder sie müssen verschwinden.

    Doch wohin sollen sie gehen in einem Land, in dem zwar die Ölförderung vor der Küste und der Diamantenhandel blühen, in dem aber ansonsten nichts mehr funktioniert? Ein Drittel der 12 Millionen Angolaner musste wegen des Krieges seine Heimatdörfer verlassen - jetzt warten 4 Millionen Flüchtlinge und über 100.000 Ex-Soldaten darauf, wieder ein Zuhause zufinden. Pater Jacinto Wacussanga betreut eine Diözese im Süden Angolas. Im gemäßigten Klima der Provinz Huila lässt sich Ackerbau genauso exzellent wie Viehzucht betreiben. Das hat reiche Investoren auf den Plan gerufen, so Padre Pio:

    Manche Farm, die in der Kolonialzeit entstand, wurde nach der Unabhängigkeit von Einheimischen bewohnt. Wegen des Krieges mussten aber viele fliehen. Jetzt wollen sie auf ihr Land zurückkehren, aber sie stellen sie fest, dass ebenso ein paar Unternehmer die Farm beanspruchen. Das Landwirtschaftsministerium veröffentlichte zwar das Kaufbegehren, aber unglücklicherweise wurde darüber nicht breit informiert.

    Der Pater fürchtet, dass der gerade beendete Bürgerkrieg erneut aufflammen könnte, diesmal ums Land. Und er warnt davor, die Besitzverhältnisse der Kolonialzeit als Ausgangsbasis für eine staatliche Landprivatisierungspolitik zu nehmen. Zumal das Unrecht der Vertreibung meist nicht lange zurückliegt. Obwohl Portugal Angola schon vor 500 Jahren als Kolonie besetzte, ging der Run auf die Ländereien erst nach dem zweiten Weltkrieg los. Padre Pio:

    Wir müssen unsere Landverteilung diskutieren, wegen des Landes haben wir doch überhaupt den Befreiungskampf geführt. Alle früheren Großfarmen müssen jetzt zur Debatte stehen. Schließlich verloren viele Angolaner Land und Leben, als sich die Kolonialherren diese Farmen oftmals gewalttätig aneigneten.

    Doch die Regierung setzt eher auf kapitalstarke Großinvestoren. Zumindest legt dies ein Gesetzentwurf nahe, der weder die Anliegen der vertriebenen Kleinbauern noch die häufig beim Erbrecht benachteiligten Frauen als Landbesitzer berücksichtigt. Der Fraktionschef der ehemals sozialistischen Regierungspartei MPLA, Bornito de Souza beschwichtigt:

    Es handelt sich nur um einen Gesetzentwurf, der dem Parlament noch nicht vorgelegt wurde. Es wurde eine multidisziplinäre Arbeitsgruppe gegründet, die daran arbeitet und zur Zeit wird der Gesetzentwurf auf allen Ebenen der Gesellschaft breit diskutiert, in den Provinzen bis hin in die Dörfer.

    Die Regierung führe lediglich eine Scheindiskussion mit einer Handvoll Intellektuellen, kritisiert dagegen der Jurist Manuel David Mendes

    In Wirklichkeit kennt niemand auf dem Land den Gesetzentwurf. Das derzeitige Gesetz verpflichtet die Käufer von Land dazu, sich mit dem Dorfältesten abzusprechen, damit die Interessen der Gemeinden gewahrt bleiben. Aber was passiert: Die Provinzverwaltung hängt an die Tür ihres Gebäudes eine Bekanntmachung, dass die Farm Soundso zum Verkauf ansteht und dass Einspruch erhoben werden kann. Stellen Sie sich das vor: 300 Kilometer entfernt von der betroffenen Dorfgemeinschaft wird das ausgehängt. Das ist doch absurd!

    Deshalb fordern Angolas Bürgerrechtler, dass die vielen Flüchtlinge und Kleinbauern erst mal eine Chance bekommen, ihr Land in Besitz zu nehmen, bevor Großinvestoren zugelassen werden. Und wenn das nicht möglich sei, müssten sie eine Entschädigung erhalten.