Corona-Einschränkungen und Impfstoffe, Klimawandel und Unwetterereignisse. Es gab zuletzt viele Themen, um die kontrovers diskutiert wurde – in privaten Runden und in der Politik. Auch in den sozialen Medien werden die Debatten geführt, sachliche Argumente ausgetauscht, aber auch Desinformationen verbreitet.
"Naturkatastrophen und außergewöhnliche Nachrichtenereignisse, wie jetzt die Flut, die sind eigentlich schon seit Jahren Auslöser für solche Wellen, dass dort aus dem Kontext gerissene Fotos verbreitet werden", sagte Fiete Stegers im Deutschlandfunk. Er ist an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften in Hamburg tätig und hat dort eine Studie zum Thema Desinformation geleitet.
Im Auftrag der Vodafone Stiftung wurden 63 Expertinnen und Experten befragt, die sich mindestens seit drei Jahren mit dem Thema beschäftigen. Viele von ihnen sehen den gesellschaftlichen Zusammenhalt so in Gefahr, dass es zur Radikalisierung einzelner Personen kommen kann.
Desinformation vor allem über Messenger verbreitet
Darüber hinaus nimmt die Sorge zu, dass Falschnachrichten Einfluss auf den aktuellen Wahlkampf und die in wenigen Wochen stattfindende Bundestagswahl haben.
Die meisten Desinformationen und Falschnachrichten werden nach Einschätzung der Fachleute über die sozialen Medien und Messenger-Dienste verbreitet. Am häufigsten wurden in der Befragung WhatsApp, Facebook und YouTube, aber auch der Messenger Telegram genannt. Stegers spricht in diesem Zusammenhang vom Trend der "Messengerisierung".
Allerdings spielten auch die klassischen Medien eine wichtige Rolle bei der Verstärkung der Reichweite, hieß es. Beispielsweise seien in den vergangenen Jahren noch keine ausreichenden Strategien entwickelt worden, um über Desinformation zu berichten ohne das Risiko einzugehen, den Falschinformation zusätzliche Aufmerksamkeit und damit Glaubwürdigkeit zu geben.
Corona-Pandemie als Treiber von Desinformation
Nach Ansicht der Befragten sind ältere Menschen deutlich empfänglicher für Desinformation als Jüngere, auch weil es vergleichsweise wenige Bildungsangebote für diese Altersgruppe gibt:
"Die konzentrieren sich eben auf die Jugendlichen, auf die Schüler und vielleicht noch Studenten", so Stegers. "Bei allen, die jetzt oberhalb der 60 oder 70 sind, die haben nicht die digitale Sozialisation und sind wahrscheinlich von daher eher geneigt, auf Dinge hereinzufallen oder sich täuschen zu lassen."
Als Treiber von Desinformation wirkt offenbar die Corona-Pandemie. "Bei Corona haben wir natürlich eine Krise, die alle Menschen betrifft, bei der persönliche Ängste eine Rolle spielen, bei der insgesamt eine unsichere Informationslage eine Rolle spielt, die sich weiterentwickelt. Wo auch das, was gestern noch als ausreichend oder gut empfohlen wurde, in den nächsten Tagen von Wissenschaftlern wieder ganz anders gesehen wird. Und so eine unsichere Krisensituation führt natürlich insgesamt dazu, dass Falschinformationen sich weiterverbreiten", so Stegers.
Vorsicht beim Begriff "Fake News"
Bei der Wortwahl mahnen die Expertinnen und Experten, aber auch die Verantwortlichen der Studie zur Vorsicht. So sei der Begriff "Fake News" ungeeignet, weil er zwar in der Alltagsprache fest etabliert, aber nicht klar definiert sei. Und Fiete Stegers weist auch darauf hin, dass er sich zum politischen Kampfbegriff entwickelt habe, "um die entgegengesetzte politische Meinung zu diskreditieren oder um die Medien anzugreifen in ihrer traditionellen Arbeitsweise – ganz so, wie wir es bei Trump gesehen haben".
Als alternative Begriffspaare werden in der Studie "Desinformation" und "Missinformation" oder "Falschinformation" genannt.