Der Spielraum ist eng begrenzt - für alle Figuren: Sieben Rampen-nahe Stühle und Josef K.s Arbeitstisch. Und gleich dahinter ragt riesenhaft vergrößert, der bloße Ausschnitt einer überwältigenden Schließfachwand auf. Viele Figuren stecken in diesem Bühnen-beherrschenden "Ablagesystem", andere tauchen rechts und links davon aus der Finsternis auf, rücken Josef K. mit ihren verstörenden Informationen zu Leibe: seiner Verhaftung, ihrem Misstrauen, ihrer Beratungswut, der drohenden Verurteilung und juristischen "Auswegen", die nichts klären. Alle sind Teil des Systems. Auch Josef K. selber. Er funktioniert wie Du und ich, mit Laptop und Handy. Dann wird er aus heiterem Himmel verhaftet: ohne Anklage, ohne Schuldeinsicht, kriminalisiert von "seinesgleichen". Alle Figuren sind genauso betriebsblind wie er. An wen er sich auch wendet, jeder hat bestenfalls Teileinsichten in das anonyme System. K's Verurteilung erscheint immer unausweichlicher. Und die Handlanger des für alle undurchschaubaren Systems sind gnadenlos mit ihrem erbarmungslosen Lächeln, ihrer unbedarften Selbstgerechtigkeit, der Jagd nach eigenen Vorteilen und ihren irreführenden Versprechungen. Und das ist ebenso beängstigend - wie komisch.
Grandios auch der Auftritt des ohnmächtigen Advokaten, der permanent redend, auf ein senkrecht gestelltes Riesenbett geschnallt, herein und wieder raus geschoben wird; ein ebenso geltungssüchtiges wie hilfloses Monster. Längst, wie auch andere Figuren, die sich noch für tonangebend halten, übertönt von Nebengeräuschen, im Wortsinn ausgeblendet. Schlüsselsätze des Romans, die eine immer neue Wendung von K's Gang durch die Mühlen der Gerechtigkeit einleiten, werden wie ein Menetekel in Schreibmaschinenschrift an die Aktenablagewand getippt. Das Fortschreiten der Handlung führt – auch emotional - in den Stillstand. Als die Lage immer auswegloser wird, verstummt der zunächst noch hochmütig-befremdet näselnde Josef K. ganz. Er endet angststarr – lange vor dem Bericht über die Vollstreckung seines Urteils. Barbara Freys kluge Sprachregie verhindert jede Einfühlung. Sie ermöglicht Ein-Sicht. Die Aufführung lebt ganz von den fantastischen Menschendarstellern, in deren nuancenreich-ruhigen, heuchlerischen Verbiegungen und bedenkenlosen Windungen zutiefst vertraute menschliche Mitmacher, Mitschuldige kenntlich werden.
Stefan Puchers "Woyzeck"-Inszenierung dagegen ist eine unverhüllte Misstrauenserklärung an die Tragfähigkeit des Stücktextes. Die Dialoge werden nur aufgesagt, sie sind allenfalls Assoziationsreize für Songs. Büchners harte, präzise Sprache, seine hingefetzten Dialog-Karambolagen werden mürbe unter den phonstarken Schlägen des flächendeckenden Sounds. Und die Emotionen erwachsen in dieser Aufführung nicht aus Situationen, sondern aus klischeeverdächtigen Geräuschen. Die Bühne ist so breit, wie die Zürcher Schiffbauhalle lang ist. Die Figuren müssen sich immerzu den Weg über mit Zivilisationsmüll vollgestopfte Podeste suchen, derweil an der Hallenhinterwand riesenhaft vergrößerte Videoprojektionen laufen, assoziative Bilderfolgen oder abgefilmte Szenenschnipsel, parallel oder zeitversetzt, perspektivisch verändert oder schlicht verdoppelt.
Erkennbar misstraut Pucher auch den Zuschauern: Alles wird erklärt, ausgewalzt oder illustriert in dieser Aufführung, die irgendwo zwischen Disco und Breitwandtheater stecken bleibt. Neu ist an dieser Art von Pucher-Theater, dass sie gar keine neue Perspektive auf die Figuren findet. Die "offene Wunde" Woyzeck, der hilflos und renitent im Netzwerk der Übermächtigen verendet, kann man nicht mit hämmerndem Schlagzeug lokalisieren, und auch nicht, indem man jemanden zum Krüppel schlagen und das Blut spritzen lässt. Und dass ein Betrogener nicht nur die Geliebte umbringt, sondern auch durchdrehen und zum Amokläufer werden kann, ist ein sehr platter Aktualisierungsversuch und in jedem guten Krimi nachvollziehbarer nachlesbar.
Grandios auch der Auftritt des ohnmächtigen Advokaten, der permanent redend, auf ein senkrecht gestelltes Riesenbett geschnallt, herein und wieder raus geschoben wird; ein ebenso geltungssüchtiges wie hilfloses Monster. Längst, wie auch andere Figuren, die sich noch für tonangebend halten, übertönt von Nebengeräuschen, im Wortsinn ausgeblendet. Schlüsselsätze des Romans, die eine immer neue Wendung von K's Gang durch die Mühlen der Gerechtigkeit einleiten, werden wie ein Menetekel in Schreibmaschinenschrift an die Aktenablagewand getippt. Das Fortschreiten der Handlung führt – auch emotional - in den Stillstand. Als die Lage immer auswegloser wird, verstummt der zunächst noch hochmütig-befremdet näselnde Josef K. ganz. Er endet angststarr – lange vor dem Bericht über die Vollstreckung seines Urteils. Barbara Freys kluge Sprachregie verhindert jede Einfühlung. Sie ermöglicht Ein-Sicht. Die Aufführung lebt ganz von den fantastischen Menschendarstellern, in deren nuancenreich-ruhigen, heuchlerischen Verbiegungen und bedenkenlosen Windungen zutiefst vertraute menschliche Mitmacher, Mitschuldige kenntlich werden.
Stefan Puchers "Woyzeck"-Inszenierung dagegen ist eine unverhüllte Misstrauenserklärung an die Tragfähigkeit des Stücktextes. Die Dialoge werden nur aufgesagt, sie sind allenfalls Assoziationsreize für Songs. Büchners harte, präzise Sprache, seine hingefetzten Dialog-Karambolagen werden mürbe unter den phonstarken Schlägen des flächendeckenden Sounds. Und die Emotionen erwachsen in dieser Aufführung nicht aus Situationen, sondern aus klischeeverdächtigen Geräuschen. Die Bühne ist so breit, wie die Zürcher Schiffbauhalle lang ist. Die Figuren müssen sich immerzu den Weg über mit Zivilisationsmüll vollgestopfte Podeste suchen, derweil an der Hallenhinterwand riesenhaft vergrößerte Videoprojektionen laufen, assoziative Bilderfolgen oder abgefilmte Szenenschnipsel, parallel oder zeitversetzt, perspektivisch verändert oder schlicht verdoppelt.
Erkennbar misstraut Pucher auch den Zuschauern: Alles wird erklärt, ausgewalzt oder illustriert in dieser Aufführung, die irgendwo zwischen Disco und Breitwandtheater stecken bleibt. Neu ist an dieser Art von Pucher-Theater, dass sie gar keine neue Perspektive auf die Figuren findet. Die "offene Wunde" Woyzeck, der hilflos und renitent im Netzwerk der Übermächtigen verendet, kann man nicht mit hämmerndem Schlagzeug lokalisieren, und auch nicht, indem man jemanden zum Krüppel schlagen und das Blut spritzen lässt. Und dass ein Betrogener nicht nur die Geliebte umbringt, sondern auch durchdrehen und zum Amokläufer werden kann, ist ein sehr platter Aktualisierungsversuch und in jedem guten Krimi nachvollziehbarer nachlesbar.