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Deutsch auf dem Rückzug

Vilnius – Altstadt. Ich brauche einen Stadtplan und versuche es am Kiosk, bei der Verkäuferin mittleren Alters, zunächst auf Englisch. Sie lächelt, zuckt aber mit den Achseln, versteht mich nicht. Ein Jugendlicher hinter mir in der Reihe schließlich hilft uns, er spricht Englisch, sehr gut sogar, und übersetzt – ich bekomme meinen Plan und als ich bezahle sagt die Verkäuferin ein bisschen verschämt, Deutsch ich spreche. Ich antworte ihr, auf Deutsch diesmal, jetzt versteht der Jugendliche uns nicht.

Kate Maleike |
    Einen Tag später, im Goethe-Institut, erfahre ich von Nioljia Buinoskaja, die dort die Spracharbeit betreut, dass diese Szene fast schon typisch ist. Man könne Deutsch zwar an vielen Schulen lernen, Englisch werde aber als Fremdsprache immer beliebter.

    In Litauen lernen bis jetzt noch fast 16 Prozent der Schüler Deutsch als erste Fremdsprache. Wir freuen uns natürlich darüber, aber leider ist die Tendenz so, dass immer weniger Deutsch als erste Fremdsprache lernen. Vor drei Jahren waren das noch 23 Prozent. Und wir versuchen etwas in diesem Bereich zu machen, weil wir finden, dass es für junge Litauer sehr wichtig ist, zwei Fremdsprachen zu können.

    Und woran liegt das?

    Also, dass liegt daran, dass Meinung herrscht, man braucht nur Englisch. In Europa kann man überall Englisch sprechen und man wird verstanden, man kann kommunizieren, es ist kein Problem, man braucht keine anderen Sprachen. Diese Meinung hören wir immer, von den Eltern, von den Kindern, was weiß ich, überall. Aber wenn die Kinder fertig sind mit der Schule, wenn sie anfangen, zu studieren oder wenn sie fertig mit dem Studium sind, dann sehen sie, ja, Englisch reicht nicht. Also wenn man in einem Unternehmen arbeitet und wenn man Kontakte zu Deutschland hat, dann also nur auf Englisch kann man kommunizieren. Aber man hat kein menschliches Gefühl und dann sieht man, ja, man braucht auch weitere Sprachen.

    Um die deutsche Sprache zu fördern, arbeitet das Goethe-Institut auch mit den litauischen Hochschulen zusammen.

    Im Bereich der Germanistik ist da der DAAD mehr tätig und wir arbeiten eher im Bereich des studienbegleitenden Deutschunterrichtes. Das heißt, Studenten, die verschiedene Fächer an den Hochschulen studieren, die können sogar zwei Fremdsprachen erlernen. Und wir arbeiten mit Hochschuldozenten, die Deutsch unterrichten, zusammen und versuchen also in diesem Bereich etwas zu machen.

    Andreas Degen ist seit ein paar Wochen Lektor des Deutschen Akademischen Austauschdienstes an der Uni Klaipeda. Auch er hat schon festgestellt, dass das Interesse an Deutsch als Fremdsprache nachlässt.

    Man kann das sehr genau messen an den Teilnehmern dieser "Deutsch-als-Fremdsprache"-Kurse. Das ist mit Sicherheit rückläufig oder stagnierend zumindest. Und die Lage der Germanistik in Litauen ist im Moment so, dass das Ministerium in Vilnius evaluiert, inwieweit die Institute ausgerichtet sind, wie die Lehre ist, wie die wissenschaftliche Tätigkeit ist. Und es steht, denke ich an, dass von den vielen germanistischen Instituten, die auch nach der Wende hier gegründet worden sind, einige geschlossen werden müssen, weil einfach der Bedarf nicht mehr da war ist und das hat dazu geführt, konkret hier in Klaipeda, das dieses Jahr erstmalig keine neuen Germanistik-Studenten aufgenommen worden sind.

    Heißt das nun, dass auch hier die Schließung des Institutes droht?

    Die deutsche Seite ist eigentlich interessiert, Klaipeda zu halten und man wird sehen müssen, wie die Lage sich hier entwickelt. In Litauen wird selbstverständlich die Germanistik insgesamt im Land natürlich weiterhin in recht beträchtlichem Umfang, denke ich, fortgesetzt werden.

    Nicht weit entfernt von Klaipeda, auf der anderen Uferseite des Kurischen Haffs, bemüht man sich im Kulturzentrum des Thomas Mann Hauses in Nida schon traditionell um die Förderung der deutschen Sprache. Hier, im touristischen Dauermagneten Litauens, in dessen Umgebung Deutsch Wirtschaftsfaktor Nummer 1 ist, werden Lesungen, Musikabende veranstaltet, aber auch Seminare für Literaturübersetzer und Studierendenseminare. Dass Englisch inzwischen bevorzugt gelernt wird, ist auch hier bekannt. Eva Pluharova-Grigeni, Kulturmanagerin:

    Also, wir wissen darum und auch deswegen ist es uns ein Anliegen, Menschen, die Deutsch lernen und sich mit der deutschen Sprache beschäftigen, zu unterstützen und ihnen Veranstaltungen anzubieten. Also auch als Unterstützung zum Beispiel der Universität Klaipeda, da eines unserer Gründungsmitglieder auch die Universität ist. Also da bestehen traditionell enge Beziehungen. Bemerkbar machen ....also so von der Beteilung her macht sich das nicht. Es gibt ein großes Interesse an unseren Veranstaltungen, aber die Möglichkeiten sind beschränkt, also vor allem die finanziellen Möglichkeiten.

    Internethinweise:

    Goethe-Institut