Wolfgang Stenke: Theater, wie haben es soeben gehört, findet derzeit vor allem auf den Bühnen der Festspiele statt. Denn zumindest kalendarisch ist Sommer und die Theater machen Pause. Keine schlechte Gelegenheit, auf die Veränderungen zu blicken, die sich mittelfristig in der Theaterlandschaft abzeichnen. In Berlin zum Beispiel wird nach dem Ende der kommenden Spielzeit Armin Petras die Leitung des Maxim Gorki Theaters übernehmen, das ihn als Regisseur schon lange kennt. Und auch als Autor, der unter dem Pseudonym Fritz Kater dort zum Beispiel seinen Text "Mach die Augen zu und fliege oder Krieg böse" inszenierte. Sein Theaterleben hat Petras noch in der DDR begonnen und nach einem Ausreiseantrag ab 1988 in der Bundesrepublik fortgesetzt. Seither pendelt er zwischen ost- und westdeutschen Bühnen. Über die Perspektiven seiner Arbeit am Gorki Theater habe ich vor der Sendung mit Armin Petras gesprochen. Diese Arbeit wird im kommenden Jahr beginnen - zu einem Zeitpunkt, an dem es nicht ganz unwahrscheinlich ist, dass dann eine Kanzlerin in Berlin regiert. Was löst diese Vorstellung bei einem Mann des politischen Theaters aus?, habe ich Armin Petras gefragt.
Armin Petras: Grundsätzlich ist es so, dass wir uns von politischen Besetzungen bestimmter Ämter natürlich im Theater erst mal nicht allzu sehr beeinflussen lassen. Was wir im Theater reflektieren, ist ja gegenwärtiges Leben oder beziehungsweise Strukturen, die Leben ausmachen. Und die werden sicherlich nicht von einer einzigen Dame oder einer Regierung komplett umgeworfen. Auf der anderen Seite ist natürlich interessant, wenn man mit einer relativ langen DDR-Biografie wie ich, eine Kanzlerin bekommt, die das Ähnliche hat. Und zu gucken: Was überschneidet sich da? Wo gibt es da Interessenpunkte oder wo gibt es ähnliche Probleme? Lustigerweise wohnt die Frau Merkel im Moment zumindest auch noch genau gegenüber vom Maxim Gorki Theater.
Stenke: In dem Konflikt um die Besetzung des Intendantenpostens am Deutschen Theater in Berlin, in dem Christoph Hein schließlich resignierend abgesagt hat, konnte man ja den Eindruck gewinnen, dass es so etwas gibt wie eine Ost-West-Spaltung in der Theaterlandschaft. Wie sehen Sie das als jemand, der - wie Sie gerade sagten - auch eine DDR-Biografie hat?
Petras: Ich glaube, dass es in der Theaterlandschaft selber, also bei den Schauspielern, Bühnenbildnern, Intendanten und so weiter und so fort, dass es das überhaupt nicht mehr gibt. Ich glaube, dass das Theater ein Ort ist, einer der wenigen Orte unserer Gesellschaft, wo eine wirkliche deutsch-deutsche Vereinigung stattgefunden hat. Und ich glaube, dass diejenigen, die da außerhalb sind - also die Politiker, die Medien, Zeitungen -, dass dort es völlig anders aussieht und dass es da in der Tat Interessensvertreter von sehr verschiedenen Seiten gibt.
Stenke: Das Gorki Theater hat ja mit der Reihe "Und der Zukunft zugewandt" - da waren Sie als Regisseur und auch an der Konzeption beteiligt - die Geschichte der DDR beleuchtet. Wird der Bezug auf Geschichte und Kultur der DDR auch künftig unter Ihrer Ägide eines der Markenzeichen des Gorki Theaters sein?
Petras: Also, was mir besonders wichtig war bei diesem Versuch, war, dass man sagt: Man nimmt Wurzeln und Rihzome, Seitenarme auf, also 40 verschiedene Texte aus 40 Jahren, die eigentlich nicht so oft gespielt worden sind oder extremer Mainstream waren. Das heißt, wichtig ist mir die Art und Weise, die Form der Herstellung gewesen. Dass es sich bei dieser Geschichte jetzt um das Thema DDR gehandelt hat, ist ein Thema von vielen möglichen. Aber natürlich ist das ein Ort, an dem viele Menschen, die in Berlin leben, aufgewachsen sind, das ist ein Teil ihrer Geschichte, und ich glaube, dass wir das nicht außer Acht lassen sollten.
Stenke: Ein anderes Markenzeichen des Gorki Theaters ist ja der Bezug auf die aktuelle soziale Realität. Ich denke dabei an Ihr Arbeitslosendrama "Drei aus fünf Millionen". Wird das auch weiterhin so sein unter Ihrer Ägide am Gorki Theater?
Petras: Also in der Tat war es in der DDR-Zeiten immer so, dass soziale Themen aufgeworfen sind. Herr Hesse hat da, glaube ich, sehr erfolgreich auch wieder angeknüpft in den letzten fünf Jahren. Und ich denke, dass wir - und dafür bin ich auch bekannt -, dass sozusagen soziale Themen und Konflikte natürlich uns weiter interessieren werden. Ich denke, das ist ein wichtiger Grund für mich, überhaupt Theater zu machen.
Stenke: Haben Sie schon ganz konkrete Vorstellungen?
Petras: Ich habe eine ganze Menge konkrete Vorstellungen. Aber noch sind wir in der Planungsphase.
Stenke: Nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung gehen regelmäßig ins Theater. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich ein eher bildungsbürgerliches Publikum an einem Thema wie Arbeitslosigkeit delektiert wie an den Doku-Soaps oder den Gerichtsshows im - ja, wie sagt man jetzt? - Unterschichtenfernsehen?
Petras: Das ist sehr interessant, weil in der Tat ist es so, dass das Theaterpublikum nicht die ganze Bevölkerung abschreitet sozusagen. Auf der anderen Seite ist das Theaterpublikum aus sehr vielen verschiedenen Schichten der Bevölkerung. Das sollte man nicht unterschätzen. Zum Beispiel 30 Prozent der Menschen, die ins Theater gehen, sind Schüler und Studenten. Das heißt, Leute, deren wirkliche Festlegung noch gar nicht so ganz klar ist, zu welcher Klasse, zu welcher Schicht sie gehören. Und ich glaube auch, dass hinsichtlich dessen, was wir im Moment erleben, nämlich einer Brasilianisierung von Deutschland oder Mitteleuropas hinsichtlich dessen, dass diese Mittelschicht immer dünner wird, dass es immer eine stärkere Proletarisierung gibt, ist das auch für Mittelschichten durchaus ein interessantes Problem, das soziale Problem. Das ist anders als in den 80er oder 70er Jahren.
Stenke: Würde Ihr Stadttheater-Konzept beinhalten, dass man versucht, integrativ andere Schichten ans Theater heranzuführen?
Petras: Absolut. Und zwar in vielfältigster Weise. Sowohl in den Dingen, die wir auf den Spielplan setzen, als auch die Art und Weise, wie inszeniert wird, bis dahin, dass wir versuchen werden, auch in bestimmte Stadtteile hineinzugehen, optional.
Stenke: Also Sie würden sich auch neue Spielstätten suchen?
Petras: Absolut. Also nicht das ganze Jahr über - das ist viel zu teuer, das können wir uns nicht leisten. Aber es gibt den Plan, dass wir für bestimmte Projekte auch dahin gehen, wo die Leute sind, die wir ansprechen wollen.
Armin Petras: Grundsätzlich ist es so, dass wir uns von politischen Besetzungen bestimmter Ämter natürlich im Theater erst mal nicht allzu sehr beeinflussen lassen. Was wir im Theater reflektieren, ist ja gegenwärtiges Leben oder beziehungsweise Strukturen, die Leben ausmachen. Und die werden sicherlich nicht von einer einzigen Dame oder einer Regierung komplett umgeworfen. Auf der anderen Seite ist natürlich interessant, wenn man mit einer relativ langen DDR-Biografie wie ich, eine Kanzlerin bekommt, die das Ähnliche hat. Und zu gucken: Was überschneidet sich da? Wo gibt es da Interessenpunkte oder wo gibt es ähnliche Probleme? Lustigerweise wohnt die Frau Merkel im Moment zumindest auch noch genau gegenüber vom Maxim Gorki Theater.
Stenke: In dem Konflikt um die Besetzung des Intendantenpostens am Deutschen Theater in Berlin, in dem Christoph Hein schließlich resignierend abgesagt hat, konnte man ja den Eindruck gewinnen, dass es so etwas gibt wie eine Ost-West-Spaltung in der Theaterlandschaft. Wie sehen Sie das als jemand, der - wie Sie gerade sagten - auch eine DDR-Biografie hat?
Petras: Ich glaube, dass es in der Theaterlandschaft selber, also bei den Schauspielern, Bühnenbildnern, Intendanten und so weiter und so fort, dass es das überhaupt nicht mehr gibt. Ich glaube, dass das Theater ein Ort ist, einer der wenigen Orte unserer Gesellschaft, wo eine wirkliche deutsch-deutsche Vereinigung stattgefunden hat. Und ich glaube, dass diejenigen, die da außerhalb sind - also die Politiker, die Medien, Zeitungen -, dass dort es völlig anders aussieht und dass es da in der Tat Interessensvertreter von sehr verschiedenen Seiten gibt.
Stenke: Das Gorki Theater hat ja mit der Reihe "Und der Zukunft zugewandt" - da waren Sie als Regisseur und auch an der Konzeption beteiligt - die Geschichte der DDR beleuchtet. Wird der Bezug auf Geschichte und Kultur der DDR auch künftig unter Ihrer Ägide eines der Markenzeichen des Gorki Theaters sein?
Petras: Also, was mir besonders wichtig war bei diesem Versuch, war, dass man sagt: Man nimmt Wurzeln und Rihzome, Seitenarme auf, also 40 verschiedene Texte aus 40 Jahren, die eigentlich nicht so oft gespielt worden sind oder extremer Mainstream waren. Das heißt, wichtig ist mir die Art und Weise, die Form der Herstellung gewesen. Dass es sich bei dieser Geschichte jetzt um das Thema DDR gehandelt hat, ist ein Thema von vielen möglichen. Aber natürlich ist das ein Ort, an dem viele Menschen, die in Berlin leben, aufgewachsen sind, das ist ein Teil ihrer Geschichte, und ich glaube, dass wir das nicht außer Acht lassen sollten.
Stenke: Ein anderes Markenzeichen des Gorki Theaters ist ja der Bezug auf die aktuelle soziale Realität. Ich denke dabei an Ihr Arbeitslosendrama "Drei aus fünf Millionen". Wird das auch weiterhin so sein unter Ihrer Ägide am Gorki Theater?
Petras: Also in der Tat war es in der DDR-Zeiten immer so, dass soziale Themen aufgeworfen sind. Herr Hesse hat da, glaube ich, sehr erfolgreich auch wieder angeknüpft in den letzten fünf Jahren. Und ich denke, dass wir - und dafür bin ich auch bekannt -, dass sozusagen soziale Themen und Konflikte natürlich uns weiter interessieren werden. Ich denke, das ist ein wichtiger Grund für mich, überhaupt Theater zu machen.
Stenke: Haben Sie schon ganz konkrete Vorstellungen?
Petras: Ich habe eine ganze Menge konkrete Vorstellungen. Aber noch sind wir in der Planungsphase.
Stenke: Nur etwa zwei Prozent der Bevölkerung gehen regelmäßig ins Theater. Besteht da nicht die Gefahr, dass sich ein eher bildungsbürgerliches Publikum an einem Thema wie Arbeitslosigkeit delektiert wie an den Doku-Soaps oder den Gerichtsshows im - ja, wie sagt man jetzt? - Unterschichtenfernsehen?
Petras: Das ist sehr interessant, weil in der Tat ist es so, dass das Theaterpublikum nicht die ganze Bevölkerung abschreitet sozusagen. Auf der anderen Seite ist das Theaterpublikum aus sehr vielen verschiedenen Schichten der Bevölkerung. Das sollte man nicht unterschätzen. Zum Beispiel 30 Prozent der Menschen, die ins Theater gehen, sind Schüler und Studenten. Das heißt, Leute, deren wirkliche Festlegung noch gar nicht so ganz klar ist, zu welcher Klasse, zu welcher Schicht sie gehören. Und ich glaube auch, dass hinsichtlich dessen, was wir im Moment erleben, nämlich einer Brasilianisierung von Deutschland oder Mitteleuropas hinsichtlich dessen, dass diese Mittelschicht immer dünner wird, dass es immer eine stärkere Proletarisierung gibt, ist das auch für Mittelschichten durchaus ein interessantes Problem, das soziale Problem. Das ist anders als in den 80er oder 70er Jahren.
Stenke: Würde Ihr Stadttheater-Konzept beinhalten, dass man versucht, integrativ andere Schichten ans Theater heranzuführen?
Petras: Absolut. Und zwar in vielfältigster Weise. Sowohl in den Dingen, die wir auf den Spielplan setzen, als auch die Art und Weise, wie inszeniert wird, bis dahin, dass wir versuchen werden, auch in bestimmte Stadtteile hineinzugehen, optional.
Stenke: Also Sie würden sich auch neue Spielstätten suchen?
Petras: Absolut. Also nicht das ganze Jahr über - das ist viel zu teuer, das können wir uns nicht leisten. Aber es gibt den Plan, dass wir für bestimmte Projekte auch dahin gehen, wo die Leute sind, die wir ansprechen wollen.