Donnerstag, 18. April 2024

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Deutsch-französische Wirtschaftsbeziehungen
"Es fehlt eine einheitliche Strategie"

Mit dem "Aachener Vertrag" streben Deutschland und Frankreich die Schaffung eines gemeinsamen Wirtschaftsraums an. Diesen gebe es bereits, die Zusammenarbeit in einigen Bereichen müsse allerdings noch verbessert werden, sagte der Vizepräsident der deutsch-französischen Handelskammer, Xavier Susterac, im Dlf.

Xavier Susterac im Gespräch mit Jessica Sturmberg | 22.01.2019
    Die Flaggen Deutschlands und Frankreichs vor dem Aachener Rathaus
    Die Flaggen Deutschlands und Frankreichs vor dem Aachener Rathaus (dpa)
    Jessica Sturmberg: Es war ein großer Rahmen, der dieser neuen Freundschaftserklärung zwischen Deutschland und Frankreich gesetzt wurde, eine würdige Feierstunde im Rathaus in Aachen. Aber die Frage ist: Was ändert sich jetzt wirklich? Das habe ich vor der Sendung den Vizepräsidenten der deutsch-französischen Handelskammer, Xavier Susterac gefragt. Er ist auch Geschäftsführer einer BASF Gruppen-Gesellschaft (*). Meine erste Frage an ihn: Welche konkreten Verbesserungen für die deutsch-französischen Wirtschaftsbeziehungen sehen Sie in diesem Vertrag?
    Xavier Susterac: Ich glaube, man wird heute sehr pragmatisch. Es gab natürlich den Elysee-Vertrag. Es war eine andere Zeit. Und man sagt heute, im diesem 21. Jahrhundert, da müssen wir anders denken. Die Welt hat sich geändert und man muss den Vertrag einfach ein bisschen moderner gestalten.
    Ich glaube, darum geht es, und vor allem, man wird hier sehr konkret. Das ist das, was mir heute sehr gefallen hat bei diesen ganzen Diskussionen. Es geht um Berufsbildung, Energiepolitik, Künstliche Intelligenz, und im Endeffekt geht es um Europa.
    Beide haben relativ deutlich über das Brexit-Thema gesprochen und die Risiken, die wir in Europa sehen, und beide sehen, es ist Zeit geworden, aktiver zu werden, die Leute zu überzeugen, wir müssen als Europa agieren. Sonst wird Europa gegen China oder andere große Mächte in der Welt keine Chance haben. Ich fand das extrem positiv.
    "Beide Länder haben einen sehr unterschiedlichen Background"
    Sturmberg: Wenn Sie sagen, das ist sehr konkret, dann nehmen wir doch mal ein konkretes Beispiel. Nehmen wir die Energiepolitik. Da wurde über das AKW Fessenheim gesprochen, dass da ein gemeinsamer Weg gefunden werden soll, wie das stillgelegt wird. Aber wenn wir generell auf die Energiepolitik schauen, liegen Deutschland und Frankreich da nicht doch noch recht weit auseinander, was jetzt die Strategie betrifft? Man kann sich vielleicht über das Ziel einig sein, aber ist man sich auch über den Weg dahin einig?
    Susterac: Ich glaube, natürlich haben beide Länder einen sehr unterschiedlichen Background. Sie kommen nicht aus der gleichen Situation. Und die Frage war, wie findet man gemeinsame Ansätze, Strategien, wie kann man diese Zusammenarbeit etwas vertiefen.
    Ich glaube, das Klima bei Energiepolitik ist meinetwegen wirklich diese Zusammenarbeit, wie kann man diese erneuerbaren Energien entwickeln, wie machen wir das zusammen, wie können wir voneinander profitieren und zusammenarbeiten.
    Man ist natürlich zu zweit viel stärker. Wir reden sehr viel auch in der Kammer über diese Themen und das Thema erneuerbare Energien ist ein großes Thema für uns. Jemand hat gesagt, es gibt keine Grenze für CO2, und da müssen die Länder wirklich zusammenarbeiten. Das was da passiert zwischen Frankreich und Deutschland, ist für mich so vorbildlich.
    Es fehlt eine einheitliche Strategie
    Sturmberg: Was fehlt denn momentan aus Ihrer Sicht? Sie sind ja sehr nah dran als Außenhandelskammer an den Unternehmen auch. Was fehlt denn aus Ihrer Sicht momentan an einem echten deutsch-französischen Wirtschaftsraum?
    Susterac: Ich glaube, den Wirtschaftsraum, den gibt es heute. Manchmal liegt das mehr an kleinen Sachen. Ich glaube, es fehlt eigentlich nicht viel, einfach eine Vertiefung, Intensivierung der Aktivitäten, mehr Austausch, mehr Sprachunterrichte und vielleicht ein bisschen eine etwas einheitlichere Strategie.
    Wenn wir zum Beispiel hier in meinem Konzern Auszubildende austauschen, dann merkt man, dass es gar nicht so einfach ist. Die Ferienkalender sind nicht unbedingt die gleichen. Es geht um viele Details, aber im Endeffekt um mehr Zusammenarbeit, mehr Verständnis, mehr Austausch.
    Sturmberg: Sie haben im Zusammenhang mit der Energiepolitik gesagt, da sei ein unterschiedlicher Background. Aber ist nicht genau dies das Problem, dass dieser unterschiedliche Background letztendlich dazu führt, dass man, wie Sie sagen, die Details dann nicht immer klären kann, und dann ist man doch nicht so nah, wie man sein könnte und eigentlich will?
    Susterac: Ja. Aber wir sollen uns ergänzen, zusammenarbeiten, manchmal ein bisschen einheitlicher werden. Es gibt immer noch viele Sachen – man muss an vielen Details arbeiten -, die noch zu klären sind. Das weiß ich selber. Ich bin ein paar Mal über den Rhein umgezogen und wenn man das gemacht hat, dann merkt man, dass es noch viel Arbeit gibt.
    Austausch von Fachkräften
    Sturmberg: Was ist Ihre Vision von der deutsch-französischen Wirtschaftszusammenarbeit, wenn wir jetzt mal einen Zeithorizont von 20 Jahren nehmen?
    Susterac: Ich würde sagen, ein komplett offener Markt mit viel mehr Austausch. Mehr Leute, die die Sprache des anderen sprechen, die sich mehr austauschen.
    Ich habe ein Beispiel: Wir reden in Deutschland über Fachkräftemangel. Es ist eine Realität, die ich sehr gut kenne hier. Und es gibt Arbeitslosigkeit in Frankreich. Die Frage ist, haben wir das richtige Ausbildungssystem, und warum machen wir nicht mehr Austausch. Es gibt vakante Stellen manchmal in Deutschland, man bräuchte mehr Leute. Man könnte auch junge Franzosen und Französinnen einstellen, die leider die Sprache einfach nicht können oder sich nicht trauen, über die Grenze zu fahren.
    Das sind so kleine Sachen, die uns aber viel helfen würden, wenn wir daran arbeiten.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
    (*) Anmerkung der Redaktion: Die Funktion von Herrn Susterac wurde korrigiert.