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Deutsch-französischer Lehrlingsaustausch

Auch das Handwerk erschließt neue Märkte in Europa: Betriebe haben Baustellen im Ausland, gehen dort auf Montage, fertigen für ausländische Kunden. Längst sollen nicht mehr nur Akademiker europäisch offen werden, sondern auch Handwerker. Aus diesem Grunde versucht die Handwerkskammer Münster junge Menschen für eine Zeit lang über die Grenzen zu locken.

Von Eva Bendix | 03.03.2007
    Es ist Guillaume Josselins letzter Arbeitstag in Deutschland. Der dunkelhaarige Franzose steht im Blaumann und Turnschuhen im Lackierraum.

    "So Guillaume, schleifst du bitte die andere Seite
    Auch bitte die Ecken
    So ist perfect"

    "Guido: "Jetzt lackieren wir l -a -ck -ie -r -en
    Guillaume: " Lackieren, schleifen, I know
    Could we put the panel weg jetzt tragen wir das panel weg."

    Dem französischen Lehrling Guillaume Josselin wurde der deutsche Geselle Guido Rathmer zur Seite gestellt. Eine Art deutsch-französische Handarbeit für die Dauer von 3 Wochen.

    "Wir haben uns erst mit Händen und Füßen verstanden und nach und nach kam mein Schulenglisch zurück, zum Schluss haben wir uns schon blind verstanden, wir haben gut miteinander gearbeitet."

    Zwar hatte Guillaume Josselin, wie auch die anderen französischen Austauschlehrlinge vorher einen Sprachkurs besucht - aber rund 30 Stunden Deutschunterricht reichen da nicht aus. Das weiß auch Anita Urfell von der Handwerkskammer Münster, die das Lehrlingsaustauschprogramm mitorganisiert.

    "Die nehmen alle an einem berufsbezogenen Sprachkurs teil, bevor sie ausreisen. Wenn es aber eine Sprache ist, in der die Lehrlinge noch keine Sprachvorkenntnisse haben, wie zum Beispiel bei Französisch, dann reicht der Sprachkurs nur dazu: "danke, bitte" zu sagen, zu grüßen , vielleicht ein Bier und ein Wasser bestellen. Die Erfahrung zeigt, dass die Lehrlinge dann auf Englisch ausweichen."

    Und damit hat sich der 20-jährige Franzose in der deutschen Tischlerei ganz gut durchgeschlagen, so sagt er selbst.
    Klar, mit besseren Deutschkenntnissen hätte er noch mehr Details über einige moderne Maschinen erfahren, von denen er sehr beeindruckt war. Wie zum Beispiel der computergesteuerten CNC-Fräse. Voll automatisch sägt die ganze Fronten zu . Die deutschen Maschinen seien weiter entwickelt als in Frankreich und das fand er sehr interessant.

    In seiner Heimattischlerei werden im Gegensatz zum deutschen Austauschbetrieb die Stücke hauptsächlich aus Massivholz gefertigt. Und das wird noch mit traditionellem Werkzeug bearbeitet. In der deutsch-französischen Art zu tischlern liege ein großer Unterschied, und den wollte er gerne kennen lernen. Deswegen nahm Guillaume Josselin an dem Lehrlingsaustauschprogramm teil.

    Der junge Franzose kam gut an in Ahaus - auch beim Juniorchef der Tischlerei, Dirk Kuse

    "Er war sehr offen, hat die Arbeit gesehen und sofort mit angefasst und wenn irgendwo jemand Hilfe braucht, hat er alles stehen und liegen lassen und ist da hingegangen und hat mit angefasst, wo sich von den Praktikanten aus Deutschland manche Leute eine Scheibe abschneiden können. Er konnte eigenständig arbeiten, er war uns eine große Hilfe."

    Dirk Kuse weiß, was es heißt, als Handwerker im Ausland zu arbeiten. Als er seinen Meister in der Tasche hatte, suchte er sich über das Internet eine norwegische Tischlerei, packte seine Sachen und fuhr los. Dieser selbst organisierte Auslandsaufenthalt habe ihn sehr bereichert. Nicht nur persönlich, sondern auch geschäftlich. Jetzt liefert der Familienbetrieb monatlich für die norwegische Tischlerei deutsche Möbel.

    Aufgrund seiner eigenen positiven Erfahrung hat Dirk Kuse auch zugestimmt, als sein Lehrling für drei Wochen nach Frankreich wollte.

    "Das der Lehrling auch mal weiß, wie sieht's in anderen Ländern aus. Die Technik ist meist nicht so weit, wie in BRD. Hier wird schneller produziert und mehr produziert, deswegen ist es schön, wenn der Lehrling auch mal sieht, wie gut habe ich es eigentlich zuhause."

    Der 18-jährige Christoph Gerwing reiste mit dem Lehrlingsaustauschprogramm im vergangenen Herbst in die Bretagne und lernte dort auf französisch zu tischlern.

    "In Frankreich ist das Arbeiten viel ruhiger. Die fangen morgens später an und haben halt nicht son Stress, wie wir hier. Wenn es fertig ist, wird das eingebaut. Das ist bei uns anders. Es muss dann eingebaut werden, wenn der Termin steht."

    Es funktioniert wie beim Schüleraustausch. Christoph Greiwing lebte für drei Wochen in der Familie von Guillaume Josselin.
    Die französische Lebensart gefiel dem deutschen Lehrling - aber auch so gut, dass er sich vorstellen könnte, später dort zu arbeiten?

    "Das glaub ich nicht. So lange von zu Hause weg zu sein, dass könnte ich nicht."

    Organisiert und zum größten Teil finanziert, wird der dreiwöchige Lehrlingsaustausch von der Handwerkskammer Münster und den jeweiligen ausländischen Partnern. Seit vier Jahren bemüht sich Anita Urfell junge Menschen zu motivieren, ins Ausland zu gehen.

    "Mitunter ist es schwierig Lehrlinge zu finden. Je nach Handwerk ist es immer noch so, dass wir manchmal Plätze nicht besetzen können. Es gibt vielfach noch Hemmungen seitens der jungen Leute, dass sie denken, mein Gott, ich komme in einen Betrieb den ich nicht kenne, ich soll mich in einer fremden Sprache verständigen, von der ich keine Vorkenntnisse habe, ich werde da in einer Familie wohnen , die ich nicht kenne und da ist es oft so, dass die Lehrlinge sich nicht trauen, da brauchen die noch Ermunterung und das ist zum Teil unsere Arbeit, die wir leisten."

    Christoph Greiwing und Guillaume Josselin haben diesen Schritt gewagt.

    " Die Lehrlinge profitieren in vielfältiger Weise von diesem Austausch. Die machen die Erfahrung, dass sie als Handwerker schon was darstellen. Sie werden in Frankreich gefragt, wie macht ihr das in Deutschland? Das trägt ganz enorm zum Selbstbewusstsein bei, zur Selbständigkeit, zur Identifikation mit dem Beruf."

    Um diese Erfahrungen auszubauen, arbeitet die Handwerkskammer Münster an einer neuen internationalen Ausbildung für deutsche Lehrlinge. Der "grenzüberschreitenden Verbundausbildung." Für drei mal drei Monate sollen Handwerker ins Ausland gehen und dort ihre Ausbildung weiter machen. Zur Zeit werden noch Fragen geklärt wie etwa: Wie wird diese Zeit bezahlt? Welche Prüfungen werden anerkannt? Ab nächstes Jahr soll das Programm starten.

    Weitere Informationen bei
    Anita Urfell
    Handwerkskammer Münster
    Kontaktstelle Ausland
    Tel. 0251-705-1460
    Anita.Urfell@hwk-muenster.de