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Deutsch für Mütter

Sprachkenntnisse gelten als wichtigste Voraussetzung für erfolgreiche Integration und sind in der Schweiz auch ein wichtiges Kriterium, wenn die Einheimischen in den Gemeinden über Einbürgerungsanträge abstimmen. Frauen werden als Zielgruppe in den Sprachkursen oft vernachlässigt. Die Initiative AIDA betreibt deshalb in St. Gallen eine Frauensprachschule und unterstützt die Gemeinden im Umland beim Aufbau von Deutschkursen für Migrantinnen.

Von Markus Wiegand |
    Wenn Yenneys, Hatiee, Jenny und Mayra in die hohen hellen Räume der Frauensprachschule AIDA in der St. Galler Innenstadt kommen, sind sie eigentlich immer gut gelaunt. Sie freuen sich auf das wöchentliche Wiedersehen, das gemeinsame Lernen scheint ihnen sichtbar Spaß zu machen. Die vier jungen Frauen besuchen einen Fortgeschrittenenkurs und erinnern sich alle noch gut an die aller ersten Brocken, die sie auf Deutsch konnten.

    "Ich spreche kein Deutsch - das war der erste Satz."
    "Ich habe gerne dieses Grützi gesagt."
    "Bitte schön, bitte schön."

    Das Problem: Oft ist es auch nach einiger Zeit im Land nicht viel mehr, was junge Ausländerinnen können, wenn sie zum ersten Mal in die Frauensprachschule kommen. Bei Yenneys, einer schwarzhaarigen Kubanerin, war das nicht anders. Aus Liebe zu einem Schweizer kam die hübsche junge Frau vor zwei Jahren ins Land. Die 22-jährige machte zwar gleich einen Sprachkurs, aber viel geholfen hat der ihr damals nicht.

    "In dem anderen Kurs war ich alleine mit einer Lehrerin und einer alten Frau. Ich konnte nicht gut verstehen oder mit anderen Leuten sprechen und reden. Hier habe ich Freundinnen und das ist besser für mich."

    Mittlerweile haben sich die Sprachkurse für Yenneys jedoch bezahlt gemacht: Sie hat dadurch einen Job als Babysitterin gefunden. Vor kurzem ist sie nach Zürich umgezogen. Seitdem fährt sie einmal in der Woche fast eine Stunde mit dem Zug nach St. Gallen, um in der Frauensprachschule weiterzulernen und ein Schwätzchen mit ihren Kameradinnen zu halten. Zum Beispiel mit Hatiee. Die 30-Jährige kam vor sechs Jahren aus der Türkei in die Schweiz. Lange Zeit sprach sich nur sehr gebrochen Deutsch, ein Hindernis für Sie im Alltagsleben, das Sie ändern wollte.

    "Als ich meine Kinder bekommen habe, habe ich gedacht: Ich muss für meine Kinder unbedingt besser noch deutsch lernen. Das ist wichtig für mich. Aber vor allem für die Kinder. Und dann habe ich mit voller Kraft gelernt."

    Frauen sind eine wichtige und bisher sträflich vernachlässigte Zielgruppe in den Sprachkursen, weil sie als Mütter in den Familien wichtige Multiplikatoren sind, weiß Bernadette Bachmann vom Verein AIDA. Denn im Gegensatz zu Männer sind Frauen oft nicht berufstätig und haben daher weniger Kontakt zu Schweizern. Die Initiative AIDA betreibt die Frauensprachschule und unterstützt im Auftrag des Kantons die Gemeinden im Umland beim Aufbau von Deutschkursen für Migrantinnen.

    "Es gibt Kulturen, wo die Frauen es gewohnt sind ruhig zu ein, wenn der Mann spricht oder, dass sie sich nicht getrauen zu sprechen, wenn ein Mann dabei ist. Und ich habe die Erfahrung gemacht, dass das die Frauen schätzen, dass sie in einem Rahmen ungezwungen über ihre Probleme und Fragen reden können. Oder auch mal lachen können über etwas, dass man mit Männern vielleicht gar nicht ansprechen würde. Ich denke, das ist schon ein Vorteil dieser Kurse."

    In den vergangenen drei Jahren haben sich die Teilnehmerzahlen mehr als verdoppelt. Dennoch: Für Bernadette Bachmann braucht eine geglückte Integration auch die Toleranz der Schweizer. Vor allem, wenn die Einheimischen in den Gemeinden vor Ort in Volksversammlungen oder Kommissionen über Einbürgerungsanträge entscheiden.

    "Ich hoffe, dass diese Kurse, die im Kanton jetzt entstehen, weiterlaufen, und dass vor allem auch, wenn es um Einbürgerungen geht nicht nur nach grammatikalisch richtigem Sprechen geschaut wird, sondern, dass man auch den Willen der Leute anschaut und dass das Verstehen gewertet wird."

    Die jungen Frauen in der Sprachschule lassen sich nicht entmutigen. Was ihnen hilft, ist das Verständnis in ihrem Frauensprachkurs und hin und wieder ein herzhaftes Lachen über die eigenen Fehler.