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Deutsch ist "ubercool"

Seit den 60er-Jahren ist das Interesse an Fremdsprachen in Großbritannien drastisch gesunken. Vor allem Deutsch ist ins Abseits geraten. Mit der Kampagne "Think German!" will das Goethe-Institut neues Interesse wecken.

Von Ruth Rach |
    Hinterland, Zeitgeist, Leitmotiv, Wunderkind - diese Begriffe haben im englischen Vokabular einen festen Platz. Besonders 'in' ist derzeit der Superlativ "über", oder wie die Briten sagen: "uber". Uber-cool, uber-hot, ein Uber Hotel. Leider ist damit der deutsche Wortschatz der meisten Briten gründlich erschöpft. Auch Französisch und Spanisch werden auf der Insel kaum mehr gelernt, sagt Professor John Röhl. Er blickt wehmutig auf die 60er-Jahre zurück.

    "Damals unterrichtete er European Studies an der Universität Sussex. Jeder Student musste eine Fremdsprache beherrschen und ein Jahr im Ausland studieren. Das seien goldene Zeiten gewesen. Anfang der 80er-Jahre ging das Interesse an Fremdsprachen deutlich zurück. Und in der Folgezeit wurde eine Sprachabteilung nach der anderen geschlossen, die School of European Studies gibt es längst nicht mehr, Germanistik auch nicht, und deutsche Literatur nur noch in englischer Übersetzung."

    Die Universität Sussex ist kein Einzelfall. An vielen Universitäten sind nur noch Sprachzentren zu finden, und die wenigen die Germanistik anbieten, schrauben ihre linguistischen Anforderungen immer weiter zurück. Die Gründe? Rosemarie von Berg, Deutschlehrerin im britischen Sekundärbereich.

    "Das größte Problem sehe ich in der Tatsache, dass man nur drei A-Level überhaupt machen kann, und deswegen fallen Sprachen - es sei denn, man hat sie zuhause gelernt - von vorneherein weg."

    Tatsächlich können britische Schüler zwischen einem bunten Gemisch an Fächern wählen, zudem hatte die Labour Regierung die Fremdsprachenpflicht für Kinder ab 14 abgeschafft. Wer will sich schon mit deutscher Grammatik abquälen, wenn er sich mit Medien, Design, Religion, Gesundheit, Tanz oder Kochen vergnügen kann und dazu noch einen besseren Notenschnitt erreicht. Und weil Schulen ohnehin unter Druck stehen, im landesweiten Notenranking möglichst gut dazustehen, sind auch so manche Direktoren versucht, ihren Schülern eher weiche Fächer nahezulegen.

    Aber: Nun geht das Rad in die andere Richtung, betont Karl Pfeiffer vom Goethe-Institut in London. Die britische Industrie klagt schon lange über den Mangel an fremdsprachenkundigen Schul- und Universitätsabgängern, und die neue konservative Regierung verspricht, Fremdsprachen - auch Deutsch - aus dem Abseits zu holen und wieder zu einem festen Bestandteil des Curriculums zu machen.

    "Deutsch ist natürlich kinderleicht, weil es natürlich jedes Kind lernen kann. Mittlerweile sind schon trotz allem in 90 Prozent aller britischen Primarschulen werden Fremdsprachen auf die eine oder andere Weise angeboten, zehn Prozent der Primarschulen, das sind über tausend, tun das für Deutsch. Deutschland ist der zweitwichtigste Handelspartner weltweit für Großbritannien, aber der wichtigste in Europa. Und außerdem sagen uns die Lehrer immer insbesondere bei Primarkindern, die finden Deutsch deshalb so schön weil das sie doch sehr stark an Englisch erinnert, was die Aussprache anbetrifft, die ist einfacher für sie in dem Alter, und es gibt halt so viele Wörter, die man wiedererkennt."

    "Think German!", heißt die Dachkampagne, mit der das Goethe-Institut, die deutsch- britische Handelskammer, der DAAD, die deutsche Botschaft und andere Organisationen an die britische Öffentlichkeit gehen. Der Veranstaltungskalender ist breit angelegt: neue deutsche Kunst, Bratwurstpokal, Karrieremesse. Und Take Ten, ein raffiniertes Multimedienprogramm, um Kindern spielerisch mit viel Musik und Bewegung Deutsch zu vermittlen.

    Claudia Mellentin, Deutschlehrerin an einer Grundschule in Ostlondon ist begeistert. Und optimistisch.

    "Die Motivation fängt eigentlich schon von der ersten Stunde an. Viele sagen, ah Deutschland ist ja schön und die fragen mich dann, warum bist du hier, warum bist du nicht in Deutschland ist alles so sauber und Deutschland ist toll und ich war mal da und so."
    Vorsprung durch Deutsch, lautet eine Parole von "Think German!". Jetzt im Herbst rollt die Kampagne wieder richtig an: mit Übersetzungswettbewerb, Mausprojekt und einem uber-gruseligen Krimiabend.