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Deutsch-polnische Kooperation im Umweltschutz an der Oder

Die deutsche Ostgrenze ist nach wie vor eine Außengrenze der Europäischen Union - es gibt also noch Grenzkontrollen statt freiem Warenverkehr, die Zusammenarbeit der Nachbarn diesseits und jenseits der Oder ist noch lange nicht so einfach wie etwa an der deutsch-französischen Grenze entlang des Rheins. Doch Polen und Tschechien sollen ja in einigen Jahren Mitglied der Europäischen Union werden und während in den Hauptstädten noch an Terminen und Gesetzesänderungen gefeilt wird, entdecken auch die Menschen in den Grenzregionen ihre gemeinsamen Interessen und Probleme. Im unteren Odertal koordinieren gemeinsame Kommissionen von Regierungen und Regionalvertretern Projekte beispielsweise im Umweltschutz und in der Energieversorgung.

Von Hermann Schmidtendorf |
    Dolna Odra, Untere Oder, heißt das Kraftwerk , auf dessen Dach wir gerade stehen. Auf der einen Seite sehen wir riesige Kohlehalden und einen Zug, der gerade entladen wird. Etwa 3 Millionen Tonnen Steinkohle verstromt das Kraftwerk jährlich. Da kommen die Filteranlagen gerade recht, mit denen die acht Blöcke zur Abgasreinigung nach und nach ausgerüstet werden. Auf der anderen Seite des Daches gleitet der Blick über Asche-Lagerbecken hinweg zur nahen Oder und nach Deutschland, zeigt Brigadeleiter Jan Pralat.

    Jan Pralat: "Schwedt liegt da vorne, das ist etwa 20 Kilometer Luftlinie. Bei klarem Himmel sieht man jeden Schornstein der Erdölraffinerie. Ja, jetzt ist nicht nur unsere Luft rein, sondern durch unser Wasserbindeverfahren gibt es auch keine Flugasche mehr. Früher, da haben wir die Asche von der Kohleverbrennung hier vorne trocken gelagert. Und wenn der Wind von Südwest blies, kriegten wir Stadtbewohner das überallhin geweht: auf die Wäsche, die Fenstersimse... Wie lange kann unser Kraftwerk noch arbeiten? 50 Jahre? Solange reichen die Lagerflächen hier vorne für die Asche sicher aus."

    Bereits 1992 begann die Kraftwerksleitung mit Modernisierungen. Filter wurden eingebaut, der Stickstoffausstoß wurde verringert. Der staatliche Betreiber des Kraftwerks setzt auf moderne umweltschonende Technik. In seinem Kraftwerk in Stettin fand sogar eine japanische Erfindung Anwendung - als Abfallprodukt fällt kein Gips mehr an, sondern hochwertiger Stickstoffdünger. Das Kraftwerk "Untere Oder" sorgt sich auf andere Weise um die Umwelt. So weit wie möglich sollen Schlacke und Asche als Rohstoff für Bauwesen und Betonproduktion verwandt werden. Denn die Oderniederung ist auf beiden Seiten der Grenze Naturschutzgebiet. Doch nicht das ist der Grund, warum der geplante Ausbau des Kraftwerks auf die doppelte Kapazität gestoppt wurde. Polen exportiert derzeit nur 400 Megawattstunden Strom, führt aber aus dem Westen 2000 Megawattstunden ein. Tschechien hingegen exportiert 4900 und Frankreich gar 13700 Megawattstunden. Offenbar ist die polnische Stromproduktion aus Kohle gegenüber billigem Atomstrom aus unsicheren oder alten, abgeschriebenen Kernkraftwerken zu teuer, beklagt Jan Pralat. Die geplante Privatisierung des polnischen Stromnetzes berge da noch mehr Unsicherheiten.

    Jan Pralat: "Wir sind an das landesweite System für Elektroenergetik angeschlossen. Ich weiß, dass wir schon Strom nach Deutschland verkauft haben. In diesem Jahr wurde auch das Kabel nach Schweden angeschlossen, auch dort ist die Lieferung in 2 Richtungen möglich. In den achtziger Jahren arbeiteten alle 8 Blöcke, und insgesamt fehlten in Polen 2000 Megawatt. Heute sind drei Blöcke ausgeschaltet. Es gibt Überkapazitäten, und Strom kann man nicht speichern."

    Im nahegelegenen Naturschutzpark "Unteres Odertal" betonen die deutsche und die polnische Leitung unisono: Das Kraftwerk ist zwar kein Schmuckstück in der Landschaft, aber man kann miteinander leben. Die Umweltbelastungen sind deutlich zurückgegangen. Romuald Buryn ist Pole und Leiter des brandenburgischen Oder-Naturparks. Über die grenzüberschreitende Zusammenarbeit spricht er enthusiastisch.

    Romuald Buryn: "Ich vertrete immer die These, dass der grenzüberschreitende Naturschutz vielleicht der am besten funktionierende Bereich der deutsch-polnischen Zusammenarbeit überhaupt ist. Ein paar Beispiele: Die Jagd, wo es eine Zeitlang so ausgeschaut hat, als ob Polen oder der Wojewode die Jagd auf Wasservögel auf polnischer Seite zulassen würde. Da haben wir uns vehement zusammen mit polnischen Kollegen dagegen gewehrt. Auf der anderen Seite zum Beispiel Pläne für eine Soleeinleitung aus deutscher Seite in die Oder. Da wurde gemeinsam mit Deutschen und Polen von Naturschutzseite dagegen gekämpft und da haben wir auch Erfolge gehabt."

    Doch Gefahrenabwehr ist das eine, gemeinsame Planung über die Grenzen das andere. Und hier scheinen die polnischen Mechanismen noch weit entfernt zu sein von echter Kooperation. Die Wojewodschaft Westpommern mit Stettin als Zentrum und Mecklemburg-Vorpommern unterhalten seit vier Jahren schon gemeinsame Planungskommissionen. Doch nur für die deutsche Seite ersannen die deutschen Planer integrierte Regionalkonzepte, zu denen die Ausweisung von Agrar- und Tourismus-Leitfunktionen ebenso gehört wie die Planung eines neuen Grenzübergangs mit Fahrradweg. Bei den polnischen Planern ist bislang praktisch nichts Vergleichbares geschehen, bedauert Regionalplaner Albert Große-Hohkamp.

    Albert Große-Hohkamp: "Sie sind nicht unbedingt politisch gefärbt, sie sind zumindest erst mal nicht in irgendeiner Weise nach vorne gerichtet, sprich sie beinhalten meistens nicht die Möglichkeit, dass man Gesetzmäßigkeiten ändern kann. Bei der grenzüberschreitenden Planung im kleinen Rahmen klappt es, solange man sich mehr oder minder privat unterhielt oder privat in kleinem Raum das diskutierte, aber, wenn es dazu kam, dass es in einer größeren Runde besprochen wurde und auch staatliche Organe mit beteiligt waren, ist Schluss."