Einer der Befragten sagte, wenn Sie uns hier befragen wollen, müssen sie schnell sein, denn vielleicht liegen wir nächste Woche schon im Tal mit unseren Häusern. Es gibt übrigens für Erosion einen Ausdruck in der Landessprache, der sinngemäß heißt, es wachsen die Steine aus dem Boden. Also überall da wo die Erosion so stark ist, dass der komplette Oberboden abgetragen wird, dort wird sie selbstverständlich auch wahrgenommen von den Bauern, ansonsten gerade dieser schleichende flächenhafte Erosionsprozess, der das ganze Land überzieht und der zu einem Abtrag von 100 Tonnen pro Hektar und Jahr weitgehend unbemerkt führen kann, der wird kaum gesehen von den Bauern. Was aber gesehen wird, ist die kontinuierliche Abnahme der Flächenerträge. Das heißt, man weiß sehr genau, dass der Vater oder Großvater auf diesem Feld noch wesentlich höhere Erträge erzielt hat als man selbst.
Die radikal abnehmende Bodenfruchtbarkeit ist nämlich das zweite große Problem.
Mit Hilfe der 1985 aufgebauten Forschungsstation samt Versuchsfeldern am Hang und bodenkundlichem Labor versuchen die Wissenschaftler aus Rheinland-Pfalz, das Problembewusstsein zumindest der Multiplikatoren zu stärken. Ruandische Landwirtschaftstudenten der Nationaluniversität Butare nutzen die Einrichtungen für Praktika und Abschlussarbeiten. Seit 1999 bieten die Deutschen auch Vorlesungen und Seminare zu Bodennutzung und -erhaltung an. Die ruandische Regierung hat seit den 80er Jahren in großen Programmen Erosionsschutzgräben anlegen lassen, was die Böden allerdings nicht fruchtbarer gemacht hat, erzählt Dieter König, genauso wenig wie das Terrassieren der erosionsanfälligen Hanglagen. Auf den Versuchsfeldern der Forschungsstation erprobt man dagegen ein Agroforstsystem mit Bäumen und Hecken:
Durch den Blattfall kommt es zu einer kontinuierlichen Nährstoffrückfuhr in den Oberboden, durch die Hecken wird der Oberflächenabfluss gebremst und zur Infiltration gebracht. Nun ist dieses Wasser nicht verloren wie in einem Erosionsschutzgraben, sondern es kommt über Biomasseproduktion zurück. Zugleich, wenn wir Leguminosenhecken anpflanzen, tragen die dazu bei, eine kostenlose Stickstoff-Zufuhr hineinzubringen. Das heißt, es ist ein integriertes System, das Oberflächenabfluss begrenzt, Bodenabtrag fast vollständig verhindert, aber gleichzeitig Nährstoff aus der Luft fixiert, organische Substanz produziert, die die Fruchtbarkeit dieses Systems erhöhen kann.
Trotz der Erfolge dieser Methode auf den Versuchsfeldern hat das Agroforstsystem bislang kaum Verbreitung gefunden. Wo Bevölkerungsexplosion und Armut herrschen, zählt nur der Ertrag hier und jetzt. Die Bauern sind nicht bereit, Flächen für Bäume und Hecken zu opfern, um den Boden langfristig zu verbessern. Doch nun soll auch Überzeugungsarbeit an der Basis geleistet werden, sagt Projektleiter Jörg Grunert, Geografie-Professor an der Uni Mainz:
Es werden in der Zukunft Pilot-Dörfer ausgesucht, die unter tatkräftiger Mithilfe des jeweiligen Dorf-Chefs und vor allem von landwirtschaftlichen Beratern die Ergebnisse und Erfolge, die wir erzielt haben, in die Praxis umsetzen kann.
Doch damit im hügeligen Ruanda eine nachhaltige Agroforstwirtschaft einziehen kann, wird man Subventionen brauchen - darüber sind sich die Experten aus Mainz und Koblenz einig:
... und zwar kein Geld, sondern Betriebsmittel-Subventionen. Das heißt Bereitstellung von Saatgut für Hecken und Bäume , vor allem aber Bereitstellung von nachhaltig wirkenden Düngemitteln wie Gesteinsmehle und Rohphosphat, das man dem Kompost zusetzen kann. Das heißt, man muss durch Betriebsmittelsubventionen die Produktivität auf den verbleibenden 75 Prozent der Fläche so stark erhöhen, dass der Ertragsverlust auf der verloren gegangenen Fläche kompensiert oder sogar überkompensiert wird.
Die akademischen Versuchsfelder in Butare wurden mit Hilfe des Innenministeriums aufgebaut, für die breite Umsetzung in die Praxis sucht man noch nach Sponsoren.