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Deutsch-schweizerischer Studienaustausch

Vier Kilometer hat Martina Eggenberger von ihrer Wohnung zur Uni. Dabei überwindet sie aber immerhin schon mal die EU-Außengrenze. Denn: Martin Eggenberger wohnt in der Schweizer Bodensee-Stadt Kreuzlingen und studiert an der benachbarten Uni Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften.

Von Thomas Wagner |
    Ich bin einfach hier aufgewachsen. Die Grenze habe ich nie wahrgenommen. Für mich gehört Konstanz so dazu wie Kreuzlingen auch. Ich habe die nächste Variante einfach gewählt. Und auch, weil die Uni Konstanz einen guten Ruf hat im bereich der Sozialwissenschaften.

    Damit ist Martina Eggenberger eine von nur 80 Studentinnen und Studenten aus der Schweiz, die an der Uni Konstanz studieren – und das, obwohl die Uni gerade um die Ecke liegt. Dass nur wenige Schweizer in Konstanz eingeschrieben sind, hängt nach Ansicht von Martina Eggenberger häufig mit Vorurteilen zusammen:

    Das werde ich ja immer gefragt von meinen Schweizer Bekannten: Warum studierst Du in Konstanz ?Ich denke, da ist so eine gewisse Arroganz da von Schweizer Seite, dass die Schweizer das Gefühl haben, dass nur ihr Bildungssystem das Beste ist.

    Diese Einstellung kommt nicht von ungefähr: Viele Schweizer Hochschulen, wie beispielsweise die ETH Zürich oder die St. Galler Universität für Wirtschaftswissenschaften, genießen international einen hervorragenden Ruf. Wer ein Diplom dieser Hochschulen in der Tasche hat, braucht sich zumeist um einen guten Job keine Sorgen zu machen. Zudem gab es lange Zeit Schwierigkeiten bei der gegenseitigen Anerkennung der Hochschulabschlüsse. Doch das ist, weiß Professor Ernst Preisig, Rektor der Pädagogischen Hochschule Thurgau, längst Vergangenheit:

    Also die Uni Konstanz...Alle Schweizerinnen und Schweizer, die dort studieren, die haben einen Abschluß. Der ist anerkannt in der Schweiz. Es gibt ja auch einen Staatsvertrag zwischen Deutschland und der Schweiz, dass die Hochschul- und die Fachhochschul-Abschlüsse gegenseitig anerkannt werden.

    Deshalb hält es Professor Preisig für wichtig, den deutsch-schweizerischen Studienaustausch stärker zu fördern als bisher.

    Also ich denke, es ist interessant, hier in der Bodenseeregion oder in der Region Kreuzlingen-Konstanz grenzübschreitend Studienmöglichkeiten anzubieten. Da bin ich überzeugt, dass wir hier in der Grenzregion Grenzen durchlöchern müssen. Da ist natürlich auch die Überlegung, dass wir unsere eigenen Studierenden für gewisse Fachbereiche nach Konstanz schicken können. Also das ist auch eins Stück weit Interesse von uns, diese Grenzen hin. und her eben durchlässig zu machen.

    Dass Schweizer Studenten zukünftig häufiger als bisher nach Konstanz kommen, hat auch noch einen anderen Grund: Wer in der Schweiz studiert, wird grundsätzlich von der Hochschule zur Kasse gebeten.

    Das ist die Studiengebühr, die alle Schweizer zahlen. Das sind 370 Euro pro Semester.

    In Deutschland studieren dagegen auch Schweizer gebührenfrei. Gleichwohl sind auch Deutsche Studenten an Schweizer Hochschulen keine Seltenheit. Einer von ihnen ist Sven Nizulat aus Hamburg. Ganz bewusst möchte er in Kreuzlingen und nicht in Deutschland ein Lehramtsstudium beginnen.

    Also das ist hier viel praxisorientierter. Und das ist wichtig als Lehrer. Es sind sehr, sehr viele Praktika zu einem sehr, sehr frühen Zeitpunkt. In Deutschland ist es, soviel ich weiß, so, dass man erst nach dem sechsten Semester eine Schule von innen sieht. Und das kann nicht sein. Schule muß von Anfang an trainiert werden.

    Dass sein Lehramts-Studium in Deutschland nicht anerkannt wird, stört Sven Nizulat wenig. Als Deutscher ist er auch an Schweizer Schulen gefragt. Und mit den Studiengebühren hat er sich ebenfalls abgefunden.

    In der Schweiz ist alles ein bisschen teurer. Das macht nichts. Die bringt man schon auf. Dafür verdient man auch mehr.

    Sowohl an der Universität Konstanz als auch an der Pädagogischen Hochschule Thurgau hoffen die Verantwortlichen, dass die Beispiele von Martina Eggenberger und Sven Nizulat in Zukunft häufiger Schule machen werden. Ein wenig mehr Schweizerdeutsch in der Konstanzer Uni-Mensa kann, nur ein paar Kilometer vom Grenzzaun entfernt, nicht schaden, heißt es an der Uni Konstanz. Und ein wenig mehr Hochdeutsch wäre an der Pädagogischen Hochschule Thurgau ebenso willkommen, meint Rektor Ernst Preisig:

    Wir wollen, dass in den Schulen hochdeutsch oder Standardsprache gesprochen wird. Und wir wollen an der Pädagogischen Hochschule Standardsprache sprechen. Und es macht sich daher wunderbar, wenn die Deutschen hier Deutsch sprechen. So haben wir den Zwang, auch Deutsch zu sprechen.