Freitag, 19. April 2024

Archiv


Deutsch-türkischer Kulturaustausch

Am Rand der türkischen Hauptstadt Istanbul wird die deutsch-türkische Künstlerakademie Tarabya eröffnet. In der früheren Sommerresidenz des deutschen Botschafters sollen dort deutsche Künstler für ein halbes Jahr mit einem Stipendium arbeiten können.

Thomas Bormann im Gespräch mit Burkhard Müller-Ullrich | 13.10.2011
    Burkhard Müller-Ullrich: Die deutsch-türkische Künstlerakademie Tarabya hat eine etwas holprige Vorgeschichte. Vor zwei Jahren hatte der Deutsche Bundestag Mittel für deren Einrichtung bereitgestellt, als Vorbild diente die Villa Massimo in Rom, wohin Künstler in den Sparten bildende Kunst, Literatur, Musik und Architektur zu kostenlosen Studienaufenthalten eingeladen werden und noch ein Taschengeld von 2500 Euro monatlich bekommen. Im vergangenen Jahr jedoch nahm das Auswärtige Amt unter Guido Westerwelle Abstand von dem Plan, in Istanbul etwas Ähnliches aufzuziehen, und die Eröffnung des Hauses in Tarabya stand auf der Kippe. Erst durch eine parteiübergreifende Intervention der Kulturpolitiker im Deutschen Bundestag konnte das Vorhaben gerettet werden, und gerade jetzt in diesen Minuten läuft die Eröffnungsfeier, natürlich mit Guido Westerwelle. – Thomas Bormann, Sie sind als ARD-Korrespondent an Ort und Stelle. Hat sich unser Außenminister denn irgendein Unbehagen anmerken lassen?

    Thomas Bormann: Das kann ich Ihnen jetzt leider noch nicht sagen, weil nämlich in diesen Minuten erst die Wagenkolonne des Ministers hier in den weitläufigen Park der Sommerresidenz, der künftigen Künstlerakademie Tarabya einfährt. Der Festakt sollte eigentlich vor gut einer Stunde beginnen, aber das Warten für die rund 200 Ehrengäste, Journalisten und Künstler war überhaupt nicht schlimm. Hier bei einem lauen Herbstabend standen sie in diesem weitläufigen Park mit dem wunderschönen weiß angemalten zauberhaften Schlösschen, dem Palast, der ehemaligen Sommerresidenz des deutschen Botschafters, und so ein halbes Dutzend weiße Holzvillen darum herum. Dort hat man jetzt also gewartet auf Außenminister Guido Westerwelle und seinen türkischen Amtskollegen Ahmet Davutoglu, die werden jetzt in diesem Moment die Eröffnungsveranstaltung beginnen und dann wird tatsächlich nach langem Hin und Her, nach langem Tauziehen endlich diese Künstlerakademie Tarabya wirklich eröffnet.

    Müller-Ullrich: Okay. Dann schauen wir uns den Ort virtuell mal ein bisschen näher an. Tarabya, wo kommt der Name eigentlich her, was bedeutet er? Das ist ein Stadtviertel, nicht wahr?

    Bormann: Ja, es ist ein Stadtviertel im Norden Istanbuls, direkt am Bosporus-Ufer gelegen, und der Name leitet sich letztlich aus dem griechischen Wort Therapia ab, Therapie, weil man hier einfach so schön in der Sommerfrische gesund werden konnte. Dieses Gelände hier, wo die ehemalige Sommerresidenz des Botschafters ist, die hat der Sultan Abdülhamid im Jahr 1880 an Kaiser Wilhelm I. geschenkt, damit er eben hier diese Sommerresidenz errichtet. Das weitläufige Gelände wird jetzt vom Generalkonsulat in Istanbul hier und da mal für künstlerische Veranstaltungen genutzt, aber man kann dieses wunderschöne Gelände, direkt am Bosporus gelegen, natürlich besser nutzen, und deshalb ist jetzt in einer der Villen das Wohnhaus für die Künstler eingerichtet worden. Wir konnten eben mal dort durchgehen, dort sind also fünf sehr geschmackvoll modern eingerichtete Drei-Zimmer-Wohnungen. Da können zukünftig, so ab Frühjahr 2012 soll das sein, fünf Künstler leben. Einige haben Glück, die haben Wohnungen direkt mit Blick auf den Bosporus, sie können dort also sehen, wie die Ozean-Riesen dort vorbeischippern auf dem Weg vom schwarzen Meer ins Marmarameer. Und diese Künstler sollen sechs Monate lang hier in Istanbul wohnen, hier in dieser Künstlerresidenz leben, und mit der U-Bahn sind sie aber in einer halben Stunde im Getümmel der Stadt Istanbul. Und wer hier herkommt als Künstler, der soll auch schon ein Konzept haben, was ihm vorschwebt, ob im Bereich Fotographie, im Bereich Musik, im Bereich bildende Kunst oder Plastik. Also diese Künstler sollen hier leben und sich intensiv mit der Kunstszene Istanbul austauschen.

    Müller-Ullrich: Also ich denke mir, wenn man als Künstler nach Istanbul geht, dann eben nicht unbedingt, um Therapie zu machen und Wellness zu suchen, sondern um dieses Getümmel, wie Sie gerade sagten, zu treffen. Wie ist es eigentlich in der Türkei selbst? Wird das wahrgenommen, was die Deutschen da machen in ihrem Haus, in der früheren Botschafterresidenz?

    Bormann: Ja das wird schon wahrgenommen und das wird jetzt wahrgenommen als Teil der sehr lebhaften, sehr expandierenden, teilweise sehr experimentellen Kultur in dieser Supermetropole Istanbul, und da passt das auch gut rein. Für die Künstler aus Deutschland, die dann hier herkommen sollen für jeweils sechs Monate, für die ist das natürlich hier auch ein prima Rückzugsraum, wenn das Getümmel mal arg zu laut wird in der Innenstadt Istanbuls. Es sind auch viele aus der Kunstszene Istanbuls heute hier dabei und die freuen sich. Die denken, da gibt es neue Impulse, dass die deutsche und die türkische Kultur zusammenkommen. Die Chefin des Goethe-Instituts hier, Claudia Hahn-Raabe, sagte, das ist ein wunderbarer Ort, Istanbul, wo die Kulturen zusammentreffen, und für sie ist das heute, sagte sie, wie die Geburt eines Kindes, dass das jetzt endlich klappt mit der Künstlerakademie.

    Müller-Ullrich: Dann schauen wir mal, wie sich das anlässt. Vielen Dank, Thomas Bormann, für diesen Bericht aus dem therapeutischen Außenbezirk von Istanbul. Heute wird dort die deutsch-türkische Künstlerakademie eröffnet.