Sonntag, 28. April 2024

Präsidentschafts-Stichwahl
Deutsche Abgeordnete befürchten schlechtere Türkei-Beziehungen bei Erdogan-Sieg

Bundestagsabgeordnete von SPD und CDU befürchten eine Verschlechterung der Beziehungen zur Türkei im Fall einer Wiederwahl von Präsident Erdogan. Die Türken stimmen heute in einer Stichwahl über ihren zukünftigen Präsidenten ab. Amtsinhaber Erdogan gilt als Favorit. Sein Herausforderer ist Oppositionsführer Kilicdaroglu.

28.05.2023
    Wahlplakate des Herausforderers Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) und des amtierenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul, Anfang Mai 2023
    Wahlplakate des Herausforderers Kemal Kılıçdaroğlu (CHP) und des amtierenden türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Istanbul, Anfang Mai 2023 (Imago | Tolga Ildun)
    Im Falle eines Wahlsiegs Erdogans sei zu befürchten, dass der Präsident "noch radikaler und autokratischer in seinem Handeln wird", sagte der SPD-Politiker und Präsident der Deutsch-Türkischen Gesellschaft, Karaahmetoglu, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Das würde die türkisch-deutschen und türkisch-europäischen Beziehungen weiter belasten. Auch die CDU-Abgeordnete Güler glaubt, dass die "Beziehung zwischen Berlin und Ankara im Fall einer Wiederwahl Erdogans sicherlich nicht einfacher" werde.

    "Wir müssen uns arrangieren - so schwierig es auch ist"

    Andererseits dürfe Deutschland die Türkei nicht verprellen, sagte Güler dem RND. "Was wir brauchen, ist eine Strategie, wie wir die Türkei wieder stärker an den Westen rücken." Dem schließt sich Karaahmetoglu an: "Deutschland wird sich weiter mit der Führung des Landes - so schwierig diese auch in ihrem Handeln sein mag - arrangieren müssen." Die geostrategische Bedeutung der Türkei und der gesamten Region könne nicht ignoriert werden.

    "Nationalismus ist der steigende Trend"

    Hürcan Asli Aksoy vom Centrum für Türkeistudien CATS sieht dagegen keine großen Unterschiede zwischen Erdogan und Kilicdaroglu. Sie hält den Nationalismus für den eigentlichen Gewinner der Wahl. Der Nationalismus sei der steigende Trend in der Türkei. Oppositionsführer Kilicdaroglu sah im Wahlkampf seine Politik der gesellschaftlichen Versöhnung gescheitert. Auch er schlägt nun scharfe Töne an, vor allem gegen Flüchtlinge. Identitätspolitik sei im Endeffekt für beide Seiten – Opposition und Regierung – wichtiger als alles andere, sagte Aksoy der Nachrichtenagentur DPA. Das Land sei zutiefst polarisiert.
    Erdogan hatte bei der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 14. Mai die für eine direkte Wiederwahl nötige absolute Mehrheit knapp verpasst. Kilicdaroglu lag rund fünf Prozentpunkte hinter dem Amtsinhaber. Der Drittplatzierte Rechtsaußenkandidat Ogan hat sich inzwischen hinter Erdogan gestellt. Internationale Beobachter bewerten die Abstimmung als grundsätzlich frei, bemängelten aber einen unfairen Wahlkampf.
    Diese Nachricht wurde am 28.05.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.