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Deutsche Gastarbeiter in Polen

Rund 35 Millionen Euro kostet der Bau von Polens größtem Spaßbad. Zwei Jahre lang wurde in Breslau gebaut, dieses Frühjahr soll das Bad eröffnet werden. Die Umgangssprache auf der Baustelle war die meiste Zeit deutsch. Denn 80 Prozent der Aufträge sicherten sich kleine deutsche Handwerksfirmen. Wojtek Mroz und Ernst-Ludwig v. Aster über einen bayerischen Schreinemeister und seine Arbeit in Polen.

    Der Berufsverkehr schiebt sich über die Breslauer Borowskastraße. Michael Hecker streckt sich auf dem Fahrersitz seines Kleintransporters. Greift zu einer Tafel Nuss-Schokolade. Lehnt sich zurück. Nervennahrung. Auf dem Parkplatz vor dem "Aquapark Woclaw".

    "Sieben Stunden Fahrzeit vernünftig, normale Zeit, kann man nicht meckern. Malgersdorf in Bayern liegt genau in der Mitte zwischen Landshut und Passau."

    Sieben Stunden von Bayern nach Breslau. Von Heckers Drei-Mann-Schreinerei zur polnischen Großbaustelle. Für den 39-jährigen Tischlermeister ein Routine-Einsatz. Seit zwei Jahren rollt er zur Arbeit nach Polen.

    "Ich denke so, 60,70-mal könnte man sagen, haben leider den Kilometerstand nicht notiert bei Beginn der Baustelle, aber müsste so 60,70-mal gewesen sein."
    Hecker nimmt einen Schluck Koffein-Brause aus der Flasche, wischt sich mit dem Ärmel über den Schnäuzer, klettert aus dem Kleintransporter.

    "Ich habe jetzt eine Glasscheibe dabei als Ersatz, weil eine gebrochen ist, in einer Tür. Die Dichtungen für die Eingangstür, die Kabelkanalverkleidungen, die Lichtblenden, etwas Parkettkleber."
    Zwei Kollegen schleppen das Material über den neugepflasterten Parkplatz. Ein paar Stufen empor. Richtung Eingangshalle. In der riesigen Glasfassade spiegelt sich der graue Breslauer Morgenhimmel.

    Im Südseebereich läuft die Wellenmaschine. Drückt eine Test-Woge nach der anderen durchs Becken. Die Wellen brechen sich an hölzernen Kunstpalmen, umspielen die Poolbar. Schreinermeister Hecker steht am Rand. Im graubraunen Arbeitsoverall. Kneift die Augen hinter der Brille zusammen. Mustert die riesige von Holzbalken durchzogene Glasfassade.

    "Das sind ungefähr 2500 Quadratmeter Glas hier in allen Hallen, das ist eine ansehnliche Fläche. Ich denke, wenn man das auf einen Quadratmeter rumlegt, große und kleine gemischt, wird man im Schnitt auf ungefähr ja 300 Euro pro Quadratmeter kommen, also sind wir irgendwo mit allen Nebenarbeiten, was dazu kommt, bei einer knappen Million."
    Bayerisches Handwerk für Breslau. Der Tischlermeister eilt am Südseebecken entlang. Die blauen Gesundheitslatschen schlappen über die Kacheln.

    "95 Prozent der Materialien haben wir mitgemacht. Ersten sind die Materialien günstiger in Deutschland, zum anderen muss ich es ja bearbeiten Und das dritte ist, alle Materialien, die ich hier in Polen kaufe, da habe ich 22 Prozent Mehrwertsteuer drauf, die ich erst wieder zurückkriegen muss."

    "Ich wollte ja das Material in Polen kaufen", sagt Hecker. Doch dann hat er gerechnet. Und noch mal gerechnet. Es rechnet sich nicht:

    "Jetzt nehmen wir einen einfachen Punkt, die Aluminiumaußentüren haben ungefähr einen Nettowert von 40.000 Euro, 22 Prozent drauf sind wir bei über 50.000. Und die zehn oder zwölftausend Euro kann ich ein Jahr und noch länger hinterherlaufen, bis ich die vom Finanzamt wieder habe. Und die Türen an sich sind in Polen auch noch teurer."


    Also kommen die Alutüren aus Deutschland. Ebenso wie die Holzteile. Alles eine Preis-Frage.

    Hecker macht weiter seine Runde. Durch die große Eingangshalle. Mit dem Zollstock in der Hand. "Solch große Objekt findet man bei uns gar nicht", schwärmt der Schreinermeister. Die Arbeiten am Spaßbad wurden europaweit ausgeschrieben, Gesamtvolumen: 35 Millionen Euro. Gut 80 Prozent der Aufträge zogen deutsche Handwerker an Land
    "Wir sind hier mit unseren Preisen konkurrenzfähig, sehr konkurrenzfähig. Ich kann es nicht anders sagen, es funktioniert und man kann damit leben, also auch so gut oder mindestens so gut wie von Aufträgen in München. "
    Handwerker sind in Polen knapp geworden, das hört Hecker immer wieder. Arbeitet doch ein Großteil der polnischen Fachleute mittlerweile im Ausland, in Großbritannien etwa. Der Schreinermeister lächelt. Mittlerweile haben sich auch seine Frau und die vier Kinder daran gewöhnt, dass er im fernen Osten eher Geld verdient, als im nahe liegenden München. Im Zweiwochentakt packt Hecker seine Taschen. Fährt entweder nach Breslau. Oder fliegt ins Baltikum.

    " In Riga geht es um Einfamilienhäuser, Reihenhäuser. Und da machen wir die Fenster. Riga ist eigentlich nicht schlimmer als hier Polen, von der Entfernung her. Wir sind einmal hochgefahren mit dem Transporter und jetzt wird immer hin und her geflogen, wir sind also wesentlich schneller."