Im ersten Saal hängen auch die frühesten Schenkungen. Gleich im ersten Jahr nach dem Fall der Mauer gaben Sammler und Künstler aus Ost- und Westdeutschland Bilder an die neugegründete Galerie für zeitgenössische Kunst. Marcel Odenbach ist hier mit einem kollagierten Triptychon zu sehen, das sich ironisch mit dem ruinösen Wettbewerb der Kalten-Kriegs-Ideologien auseinandersetzt. Daneben ein Gemälde von Rosemarie Trockel, die damals als die führende westdeutsche Künstlerin galt, und eine abstrakt-düstere Leinwand von Michael Morgener, der in der DDR nur im Untergrund arbeiten konnte. Es folgen: Ein riesiger einzelner Nagel als Raumskulptur von Günther Uecker, der früh aus der DDR emigrierte, Arbeiten auf Papier von Penck, ebenfalls ein Kunstflüchtling, ein Gemälde von Emil Schumacher, dem in der Nazizeit verfolgten Vorreiter des Informel in Westdeutschland, und schließlich eine große, wandfüllende Assemblage von Hartwig Ebersbach, dem Urgestein der Anti-Kunstszene der DDR.
Man erkennt an dieser Reihe an Namen und Bildern sofort die Intention dieser Sammlungspräsentation, die in ihrer Vielschichtigkeit und Selbstreflexion sicher einzigartig ist in Deutschland. Sie speist sich aus einer ganzen Reihe von Schenkungen, die nun mit der Überlassung einer Großsammlung von Werken nach 1945 durch den Kulturkreis des BDI einen vorläufigen Höhe- und Endpunkt erreicht hat. Und die Anfänge dieser neu entstehenden Sammlung tragen gewissermaßen noch die Schmauchspuren der Wendegeschichte in sich, einer ersten Konfrontation von Ost- und Westkunst, die freilich damals als Austausch verstanden wurde. Gezielt wurden westliche Kunstwerke ins vormalige DDR-Kunstzentrum Leipzig gegeben, sozusagen um der ästhetischen Fortbildung Willen.
Das war auch das Anliegen von Klaus Werner, des damaligen Gründungsdirektors der Galerie für zeitgenössische Kunst, kurz GfzK, der selbst als Galerist Berufsverbot in der DDR gehabt hatte. Er war es auch, der nach der Wende die ersten Kontakte zum Kulturkreis des BDI und seinem umtriebigen Kunstförderer Arendt Oetker initiierte, woraus der Plan entstand, hier langfristig eine bedeutende Sammlung von Ost- und Westkunst aufzubauen, ein Wiedervereinigungs-Gesamtkunstwerk. Der heutige Titel der Präsentation "Deutsche Geschichten" dafür ist pures Understatement. Man könnte genauso von deutschen Abgründen sprechen, aber soviel Pathos wäre nicht mehr zeitgemäß und wäre auch nicht die Art von Barbara Steiner, der heutigen Leiterin der GfzK.
Als Nachfolgerin Klaus Werners wirft Steiner einen distanzierten Blick auf das Erbe dieses multiplen Sammlungsbestandes und entdeckt in ihm vor allem - notwendigerweise, möchte man sagen - die durchgehende politische Dimension, nicht zuletzt dann, wenn die Entstehungsgeschichte der Sammlung selbst und die Mechanismen des westlichen Kunstmarktes dabei in den Blick kommen. Diese nämlich weisen, was das kollektive "Vergessen" künstlerischer Einzelpositionen angeht, durchaus gewisse Parallelen zum Kunstbetrieb der DDR auf, wenn natürlich auch anders organisiert, worauf zum Beispiel Johanna Kandls Gemälde "It's the Economy, Stupid" verweist, das den über Nacht in die postkommunistischen Staaten einfallenden Kapitalismus sarkastisch kommentiert. Auch die Sammlungen des BDI sind ja Teil eines Auswahlverfahrens, das sich seine politisch-wirtschaftlichen Ikonen zu schaffen trachtet und das Künstler heute feiert und morgen vergißt, wie etwa einen Hans Brosch, der mit seinen malträtierten Leinwänden im Paris der siebziger Jahre von Kunstmarktgrößen wie Werner Spies in den siebten Himmel gelobt wurde, dann nach Westdeutschland zurückkehrte und nahezu postwendend in der Versenkung verschwand. Man fragt sich schon, wie ist so etwas möglich? An der Qualität der Bilder kann es nicht liegen, und der vielberufene "Zeitgeschmack" ist mittlerweile durchaus vielfältig genug.
Sie möchte offensiv mit den Marktmechanismen umgehen, sagt Barbara Steiner, und das soll bedeuten: Nicht die Augen vor ihnen verschließen, sie mit ausstellen, auch als öffentliche Kunstinstitution. So ist diese Sammlungspräsentation Ost-West mit vielen vertrauten und weniger vertrauten Werken vor allem auch eine Ausstellung über das Vergessen in der Kunst wie in gleichermaßen der Politik, und ein Stück weit auch dagegen. Das mag die Kernaufgabe von Museen schlechthin sein als Korrektive des kollektiven Gedächtnisses. Nicht immer aber wirkt es so aktuell wie derzeit in Leipzig.
Man erkennt an dieser Reihe an Namen und Bildern sofort die Intention dieser Sammlungspräsentation, die in ihrer Vielschichtigkeit und Selbstreflexion sicher einzigartig ist in Deutschland. Sie speist sich aus einer ganzen Reihe von Schenkungen, die nun mit der Überlassung einer Großsammlung von Werken nach 1945 durch den Kulturkreis des BDI einen vorläufigen Höhe- und Endpunkt erreicht hat. Und die Anfänge dieser neu entstehenden Sammlung tragen gewissermaßen noch die Schmauchspuren der Wendegeschichte in sich, einer ersten Konfrontation von Ost- und Westkunst, die freilich damals als Austausch verstanden wurde. Gezielt wurden westliche Kunstwerke ins vormalige DDR-Kunstzentrum Leipzig gegeben, sozusagen um der ästhetischen Fortbildung Willen.
Das war auch das Anliegen von Klaus Werner, des damaligen Gründungsdirektors der Galerie für zeitgenössische Kunst, kurz GfzK, der selbst als Galerist Berufsverbot in der DDR gehabt hatte. Er war es auch, der nach der Wende die ersten Kontakte zum Kulturkreis des BDI und seinem umtriebigen Kunstförderer Arendt Oetker initiierte, woraus der Plan entstand, hier langfristig eine bedeutende Sammlung von Ost- und Westkunst aufzubauen, ein Wiedervereinigungs-Gesamtkunstwerk. Der heutige Titel der Präsentation "Deutsche Geschichten" dafür ist pures Understatement. Man könnte genauso von deutschen Abgründen sprechen, aber soviel Pathos wäre nicht mehr zeitgemäß und wäre auch nicht die Art von Barbara Steiner, der heutigen Leiterin der GfzK.
Als Nachfolgerin Klaus Werners wirft Steiner einen distanzierten Blick auf das Erbe dieses multiplen Sammlungsbestandes und entdeckt in ihm vor allem - notwendigerweise, möchte man sagen - die durchgehende politische Dimension, nicht zuletzt dann, wenn die Entstehungsgeschichte der Sammlung selbst und die Mechanismen des westlichen Kunstmarktes dabei in den Blick kommen. Diese nämlich weisen, was das kollektive "Vergessen" künstlerischer Einzelpositionen angeht, durchaus gewisse Parallelen zum Kunstbetrieb der DDR auf, wenn natürlich auch anders organisiert, worauf zum Beispiel Johanna Kandls Gemälde "It's the Economy, Stupid" verweist, das den über Nacht in die postkommunistischen Staaten einfallenden Kapitalismus sarkastisch kommentiert. Auch die Sammlungen des BDI sind ja Teil eines Auswahlverfahrens, das sich seine politisch-wirtschaftlichen Ikonen zu schaffen trachtet und das Künstler heute feiert und morgen vergißt, wie etwa einen Hans Brosch, der mit seinen malträtierten Leinwänden im Paris der siebziger Jahre von Kunstmarktgrößen wie Werner Spies in den siebten Himmel gelobt wurde, dann nach Westdeutschland zurückkehrte und nahezu postwendend in der Versenkung verschwand. Man fragt sich schon, wie ist so etwas möglich? An der Qualität der Bilder kann es nicht liegen, und der vielberufene "Zeitgeschmack" ist mittlerweile durchaus vielfältig genug.
Sie möchte offensiv mit den Marktmechanismen umgehen, sagt Barbara Steiner, und das soll bedeuten: Nicht die Augen vor ihnen verschließen, sie mit ausstellen, auch als öffentliche Kunstinstitution. So ist diese Sammlungspräsentation Ost-West mit vielen vertrauten und weniger vertrauten Werken vor allem auch eine Ausstellung über das Vergessen in der Kunst wie in gleichermaßen der Politik, und ein Stück weit auch dagegen. Das mag die Kernaufgabe von Museen schlechthin sein als Korrektive des kollektiven Gedächtnisses. Nicht immer aber wirkt es so aktuell wie derzeit in Leipzig.