Donnerstag, 18. April 2024

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Deutsche Industrie
"Unternehmen sind eher zurückhaltend"

Über die verschiedenen Industriebranchen hinweg sei der Blick in die Zukunft gemischt, sagte Michael Hüther vom Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, im DLF. Man sehe das "Flackern einer Ungewissheit". Die politische Unsicherheit spiegele sich auch in einer geringen Investitionsdynamik.

Michael Hüther im Gespräch mit Ursula Mense | 28.12.2016
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft.
    Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft. (imago / Jürgen Heinrich)
    Michael Hüther: Es war schon eine Wahrnehmung, dass das eine Wahl, eine Art implizites Votum auch gegen diese Kultur und die Ökonomie der San-Francisco-Bay-Area ist in einer gewissen Art und Weise. Aber, wenn man dann so spricht, merkt man auch, na ja, so eine gewisse Nachdenklichkeit entsteht dann schon, wenn man sagt, vielleicht können manche Geschäftsmodelle, die hier entstehen, nicht mehr so unbedacht formuliert werden. Sie haben ja gesellschaftliche Konsequenzen.
    Mense: Haben Sie denn auch Kontakt jetzt zu anderen Unternehmen, auch vielleicht zum Mittelstand? Mich würde einfach interessieren, wie jetzt die Wirtschaft auf das reagiert, was im Moment da passiert, also die Zusammenstellung dieses Kabinetts beispielsweise, das, was er auch an Wirtschaftspolitik vorhat – wird das positiv bei einem Großteil aufgenommen, oder sehen das alle so skeptisch wie jetzt gerade die Technologiefirmen?
    USA: "Es wird ein Protektionsregime sein"
    Hüther: Ich glaube, es ist einfach erst mal Abwarten. Das kann man schon sehen, weil man ja erst mal fragt, was sind das eigentlich alles für Personen, die da jetzt aufgerufen werden. Aber ich glaube, es ist einfach generell zu erwarten, dass das auch eingelöst wird, was Trump als America First immer überschrieben hat. Also das ist die Frage, wie kann man in irgendwelcher kleinen, interventionistischen Art Arbeitsplätze halten – dass das auch tatsächlich so versucht wird. Und er hat es ja auch schon jetzt die letzten Wochen versucht. Das ist ja nichts, was strategisch nach vorne führt, aber was im Grunde bedeutet, Amerika wird, soweit die das nicht anders sehen und erkennen, kein Interesse in vergleichbarer Form an globalen Sicherheitsstrukturen und an Freihandelsregimen haben. Sondern man wird nur schauen, was hilft, und vordergründig, kurzfristig mag so eine Abschottungsaktion ja irgendeinem Einzelnen helfen, den man dann nach vorne stellen kann.
    Mense: Auch amerikanische Wirtschaftsunternehmen kann es doch eigentlich nicht gefallen, wenn sie in Zukunft tatsächlich nur noch im Inland produzieren dürfen. Erwarten Sie da auch Widerstand?
    Hüther: Man darf die Industrie vielleicht nicht so gleich sehen wie bei uns. Die Industrie hat bei Weitem nicht mehr diese Bedeutung, noch knapp zehn Prozent. Das ist eine völlig anders strukturierte Industrie, die nicht diese Wettbewerbsfähigkeit hat wie die deutsche. Das sind alles eher Stand-alone-Firmen, die sind nicht eingebettet in Netzwerke, in Vorlieferbezüge, die sind auch bei Weitem nicht so flexibel. Denen mag das im Einzelfall vielleicht sogar noch kurzfristig helfen. Auf der anderen Seite ist es ganz nüchtern so: Bestimmte Dinge werden gar nicht mehr produziert, also er wird auch nicht mit Abschottung sehr weit kommen. Maschinen und Anlagen, die sozusagen eine stärkere eigene Industrie benötigt, findet er gar nicht in den USA, die muss er aus Deutschland importieren. Aber man wird halt versuchen, Local-Content-Vorschriften, dass man vor Ort produzieren muss, intensiver einzusetzen und Ähnliches. Also es wird ein Protektionsregime sein.
    Mense: Das heißt auch, in Ihrer Verbandsumfrage jetzt für die Aussichten 2017 hat sich diese Befürchtung niedergeschlagen?
    "Trump als dickes Fragezeichen"
    Hüther: Ja. Wir haben ein etwas gemischtes Bild, was sagen wir mal die Industriebranchen angeht. Zum Teil im Maschinen- und Anlagenbau stabil und positiv, auch in der Elektrotechnik. Im Automobilbau eher ein bisschen zurückhaltender. In der Chemie argumentiert man, na ja, Brexit, Trump führt zu Unsicherheiten, also da sieht man das schon deutlicher. Aber es ist im Grunde ein Stochern im Nebel. Auf der einen Seite bewegt sich die deutsche Wirtschaft wie so ein Tanker, da kommt nicht viel an Geschwindigkeit hinzu, sie verliert aber auch keine. Der fährt irgendwie kräftig stabil geradeaus, aber wie gesagt nicht mit Dynamikgewinn. Und drum herum passiert ja unheimlich viel, und trotzdem fährt dieser Tanker. Das ist ja eigentlich die Erfahrung der letzten beiden Jahre. Das zeigt sich auch generell in diesem Bild. Aber man sieht natürlich sozusagen das Flackern dieser Ungewissheiten. Und da kommt Trump als dickes Fragezeichen oben drauf, mit dem man ja nicht wirklich jetzt irgendwie eine Erwartung abbilden kann. Da muss man einfach wirklich zusehen, was passiert nach dem 20. Januar.
    Mense: Vielleicht können wir mal auf einige Branchen gucken, was die Produktion zum Beispiel angeht. Da gibt es ja durchaus welche, die auch sich vorstellen können, dass sie in 2017 mehr investieren.
    Hüther: Wir haben einige, die da deutlich mehr sehen, beispielsweise die Eisen- und Stahlindustrie, die ja in den letzten zwei Jahren arg gebeutelt war durch die günstigen Importe aus China, die dortigen Überkapazitäten, die gewirkt haben. In der Keramikindustrie. Dort die Zuwächse, in der Versicherungswirtschaft. In dem Bereich, wo wir in der Binnenwirtschaft stark sind, die Branchen sind auch weiterhin robust. Gastgewerbe, auch der Tourismus, all das, was sozusagen vom privaten Konsum mitgetragen wird, Informationswirtschaft. Schwach eindeutig Banken, Sparkassen, Volksbanken. Das zieht sich jetzt auch schon über einige Jahre durch. Das ist auch für jeden Zuhörer, glaube ich, gut einzusortieren, die Niedrigzinsen belasten die Regulierungen, die geleistet werden müssen. Ja, und dann haben auf der anderen Seite – also sozusagen ein Bild, wo auch die Energiewirtschaft zwar getrieben zu Investitionen, aber doch nicht wirklich glücklich, denn sie muss die Energiewende verkraften. Also, da passiert ein bisschen was, aber auch nicht wirklich überschäumend.
    Mense: Und wenn Sie noch ein Wort sagen zur Bauwirtschaft? Wir haben ja einen sehr großen Wohnungsbedarf, nicht zuletzt auch wegen der Flüchtlinge. Sind da die Auftragsbücher voll?
    "Investitionszurückhaltung aufgrund politischer Unsicherheiten"
    Hüther: Bauindustrie und Baugewerbe sagen beide, nächstes Jahr wird mehr investiert als schon 2016, und 2016 war ja schon ein kräftiges Jahr. Das hat zwei Gründe. Es ist, wie angesprochen, die Bewegung in die Städte, und dann auch natürlich die Flüchtlinge, die ins Land kommen. Es ist einfach Wohnraumbedarf da, da wird kräftig weiterhin investiert. Zum anderen ist es aber auch so, die Gemeinden haben wieder mehr Geld, und diese Ausstattung der Gemeinden führt auch dazu, dass der öffentliche Bau in Gang gekommen ist. Der Gewerbebau bleibt eher schwach, weil die Investitionen in der Summe auch eher sehr moderat sind.
    Mense: Kommen wir mal zu den Investitionen. Eigentlich ist es ja so, dass man von der Industrie jetzt zumindest im Blick auf Europa erwartet, dass sie viel mehr investieren sollte angesichts dieser günstigen Kredite, die die Wirtschaft ja bekommen kann. Wie sieht das denn in Deutschland aus für 2017?
    Hüther: Es ist eigentlich so ein Bild, das sehr stabil anknüpft an das der letzten drei Jahre. Wir haben das Gros der Branchen, die sagen, 27 von den 48, wir investieren so viel wie im abgelaufenen Jahr 2016. Drei sagen, ein bisschen weniger, 18 sagen, mehr. Aber es ist kein durchgängiges Motiv. Es sind Einzelargumente, die hier tragen. Wir haben über die Bauwirtschaft gesprochen. Es muss dann – beispielsweise interessant bei den Banken, obwohl sie Beschäftigung abbauen, investiert werden, weil sie in die EDV, in die Abwicklungssysteme einfach und die Digitalisierung nach vorne treiben müssen. Es ist aber nicht wirklich eine Investitionsdynamik, die zufriedenstellen könnte. Mir macht die seit geraumer Zeit Sorge. Die Unternehmen sind da doch eigentlich eher zurückhaltend. Und man muss schon fragen, wie man mittelfristig die Wettbewerbsfähigkeit erhalten kann. Das reflektiert, diese Investitionszurückhaltung, will ich es mal nennen, im Wesentlichen die politische Unsicherheit.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.