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Deutsche Kurzfilmpreise 2016
Nicht nur kurz

Am Donnerstag werden an der Hochschule für Fernsehen und Film München die "Lolas" vergeben, Deutschlands höchst dotierte Kurzfilmpreise mit Prämien von insgesamt 230.000 Euro. Die Favoriten aus den 280 eingereichten Filmen sind nicht immer kurz, aber vor allem experimentell, komisch oder dokumentarisch.

Von Bernd Sobolla | 16.11.2016
    Simon Ostermann, der Regisseur von "Teheran Derby"
    Simon Ostermann, der Regisseur von "Teheran Derby" (Simon Ostermann)
    "Homework"
    "Dekliniere folgenden Satz: I love life. You love life. He, she, it love life. Oh. He, she, it, das S kommt mit. Also? He, she, it loves life."

    In dem Film "Homework" üben eine zwölfjährige Tochter und ihr Vater zusammen für die Schule. Wobei der Vater parallel dazu Fitnessübungen macht, seinen Körper in Hochform bringt. Denn schon bald muss er in einem Nachtclub auf die Bühne, um dort die Gäste erotisch aufzuladen. Auch wenn er seine Tochter zuvor ins Bett schickt, weiß sie, was unten geschieht, behält es aber für sich. "Homework" ist ein überzeugendes Werk von Regisseurin Annika Pinske über Unwahrheiten und sensibles Schweigen.
    "Das Thema der Lüge beschäftigt mich tatsächlich sehr. Auch weil sie etwas Tragisches hat. Vielleicht noch mehr als das Thema der Lüge interessiert mich eigentlich das, was dahinter steckt, hinter der Motivation zu lügen oder hinter der Motivation, Sachen nicht zu sagen. Und meistens sind ja eigentlich auch ganz nachvollziehbare oder tragische oder traumatische Dinge, die da nicht zutage kommen."
    "Aussetzer"
    Familie und Gesellschaft, das sind Aspekte, die viele nominierte Filme thematisieren: So beschreibt Benjamin Vornehms in "Aussetzer" wie die Entrümplerin Klara eine Wohnung ausräumen soll. Dort stößt sie auf einen alten Mann, der sich vehement dagegen wehrt, ins Altenheim abgeschoben zu werden. Die Filmemacher bieten aber auch Komisches, zum Beispiel Steffen Heidenreich, der in "Und ich so: Äh" die Absurditäten zeigt, die ein Taxifahrer erlebt.
    "Wissen Sie, ich bin wirklich keine Nazi oder so was. Aber Clowns sind nicht schwarz, Clowns sind weiß. - Bitte! Ah. Ja. Okay. Krass."
    "Teheran Derby"

    Ein Werk über Straßenphilosophie und Alltagswahnsinn, durch die sich der Taxifahrer Klaus kämpfen muss: Es geht um kleine Machtkämpfe, Fragen des Anstands, Kleingeld und eine letzte Tour. Beim Dokumentarfilm sollte Simon Ostermanns Film "Teheran Derby" gute Chancen haben. Er taucht in den Iran ein, wo beim Fußballderby in Teheran 100.000 Fans zusammenströmen, und im ganzen Nahen Osten rund 70 Millionen vor den Fernsehgeräten sitzen, wenn die blauen Spieler von Esteghal und die roten von Perspolis gegeneinander spielen.
    Wobei die Fans von Esteghal eher die Oberschicht repräsentieren, die einst den Schah unterstützte, während Perspolis der Arbeiterschicht und dem islamischen Regime nahe steht. Doch ob blau oder rot, es gibt noch eine andere Grenze: Frauen dürfen nicht ins Stadion. Deshalb freute sich Simon Ostermann besonders, als "Teheran Derby" neulich in einem Teheraner Kino gezeigt wurde.
    "Und nach dem Screening stand eine Frau auf, griff sich das Mikrophon mit zitternden Händen und sagte: Sie dankt für diesen Film, und sie hofft, dass dieser Film einen Beitrag leisten kann, dass sie eines Tages auch ins Stadion dürfe. Das war natürlich so ein Moment, an dem ist jede Nominierung und jeder Preis irgendwie egal. Weil, wenn Film das kann, dann bin ich demütig und gehe nach Hause und freue mich. "
    "Teheran Derby" von Simon Ostermann läuft in folgenden Kinos:
    Mittwoch, 16.11. 18.30 Thalia Potsdam
    Donnerstag, 17.11. 21.45 Eiszeitkino, Berlin (INTERFILM Festival)
    Samtag 19.11. 17.00 BaylonBerlin- Mitte, Kino 2 (INTERFILM Festival)