
In dem Papier, das der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt, wird vor erheblichen finanziellen Problemen gewarnt. Weil weniger Bürger arbeiteten, nehme der Staat weniger Steuern ein. Gleiches gelte für die Beiträge der Sozialversicherungen. Die demografieabhängigen Ausgaben zum Beispiel für Rente, Gesundheit, Pflege und Familie könnten laut Bericht im besten Szenario von aktuell 27,3 Prozent der Wirtschaftsleistung auf 30,8 Prozent steigen - unter ungünstigen Bedingungen sogar auf 36,1 Prozent.
Die für das Jahr 2070 ermittelte "Tragfähigkeitslücke" beträgt unter günstigen Annahmen 1,6 Prozent der Wirtschaftsleistung - bei einem pessimistischen Szenario 4,7 Prozent. Gemessen am aktuellen Bruttoinlandsprodukt müsste der Staat demnach zwischen 66 und gut 194 Milliarden Euro weniger ausgeben oder mehr einnehmen. Dabei setzen die Experten voraus, dass Deutschland beim Schuldenstand die Maastricht-Quote von 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) anpeilt.
Würde die Schuldenbremse nicht eingehalten, könnte die Schuldenquote bis zum Jahr 2070 der Projektion zufolge im ungünstigsten Szenario bis auf 345 Prozent des BIP steigen, im günstigen Szenario auf 140 Prozent. "Die Einhaltung der Schuldenregel würde über die Reduzierung der Schuldenstandsquote zur langfristigen Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen beitragen", heißt es im Bericht. Per Grundgesetzänderung war die jährliche Neuverschuldung des Bundes 2009 mit der Schuldenbremse auf 0,35 Prozent des BIP begrenzt worden. Es gibt allerdings Ausnahmen für Notsituationen.
Lindners Haus fühlt sich bestärkt
Im FDP-geführten Finanzministerium sieht man die Projektion als Bestätigung: Eine nachhaltige Entwicklung der Staatsfinanzen sei nur mit strukturellen Veränderungen möglich. Die Finanzierung der gesetzlichen Rente - wie von der Ampel-Koalition geplant - auf ein drittes Standbein, den Kapitalmarkt, zu stellen, sei dabei nur ein erster Schritt. Ressortchef Lindner hatte zuletzt auch dafür geworben, über eine längere Lebensarbeitszeit nachzudenken. Außerdem soll das Demografie-Problem durch die Zuwanderung von Fachkräften gemildert werden.
Bei Erscheinen des vorigen Tragfähigkeitsberichts von 2020 war der damalige Finanzminister und heutige Bundeskanzler Scholz (SPD) noch zu deutlich optimistischeren Schlüssen gelangt: "Der Bericht wartet mit erfreulichen Ergebnissen auf", schrieb er seinerzeit im Vorwort. "Die Staatsfinanzen und die sozialen Sicherungssysteme sind für die Zukunft gerüstet."
Der Tragfähigkeitsbericht erscheint einmal je Legislaturperiode. Er gilt als Frühwarnsystem für die Staatsfinanzen. Im Mittelpunkt steht die Frage, welche Folgen die Alterung der Gesellschaft für die Staatsfinanzen hat - weitere Belastungen wie der Klimawandel und mögliche künftige Krisen werden weitgehend außen vor gelassen. Das Finanzministerium erstellt den Bericht auf Grundlage eines Gutachtens externer Wissenschaftler. Die Modellrechnungen sind rein hypothetisch; dabei wird unterstellt, dass es weder auf der Einnahmen- noch auf der Ausgabenseite zu politischen Anpassungen kommt.
Diese Nachricht wurde am 14.03.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.