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Deutsche Staatskunst in Sankt Petersburg

Die Kunstsammlung des Bundes ist immer noch eine wenig bekannt Einrichtung. Sie ist eine Art künstlerischer Goldreserve und Visitenkarte, keine Artothek, wo Ministerien dann Bilder ausleihen können. Immerhin umfasst die Sammlung rund tausend Werke. Erstmalig werden Teile daraus im Rahmen der deutsch-russischen Kulturbegegnungen in Sankt Petersburg gezeigt.

Von Sigrid Nebelung |
    Nur Peter Ludwig war noch früher da. Schon 1995 rief der Sammler aus Aachen das Ludwig Museum in St. Petersburg ins Leben und schenkte dem Russischen Museum 100 Bilder nicht nur der Pop Art - ausgestellt im Marmorpalast, den Katharina die Große ihrem Geliebten Orlow erbauen ließ. Seit 1991 gehört der Marmorpalast zum altehrwürdigen Russischen Museum, dessen Spektrum von der Ikonenmalerei bis zu Malewitsch reicht.

    Hier also, ein Stockwerk über dem Museum Ludwig, wird nun die Kunstsammlung des Bundes gezeigt, und zwar der aktuellste Teil mit den Neuerwerbungen der letzten drei Jahre, die der Museumsdirektor Veit Loers im Alleingang gesammelt hatte. Loers war die Ausnahme von der Regel.

    Begonnen hat alles 1970, als der Maler Georg Meistermann den damaligen Bundeskanzler Willy Brandt dazu überreden konnte, Gegenwartskunst zu sammeln. Als Vorsitzender des Deutschen Künstlerbundes schlug Meistermann konkret vor, eine Ankaufskommission zu berufen, die, mit einem festen Jahresetat ausgestattet, "zeitgenössische Werke der bildenden Kunst zur kulturellen Repräsentation des Bundes" sammeln sollte. Kunst zur Repräsentation, das schreckte den Maler Meistermann nicht ab, im Gegenteil, er war überzeugt, dass Kunst gesellschaftlich nur dann wirksam sein könne, wenn sie öffentlich ist.

    Die Sammlung ist inzwischen auf über 1000 Bilder und Objekte angewachsen. In ihrer Gesamtheit aber wird sie niemand mehr zu Gesicht bekommen, denn Kanzleramt, Minister oder Botschafter halten Kontakt zu ihr und fordern Kunstwerke für ihre Büro- und Repräsentationsräume an.

    1995 hatte die Bundeskunsthalle in Bonn eine Auswahl von Werken aus der Sammlung gezeigt, im vorigen Jahr führte sie, gemeinsam mit dem Hamburger Bahnhof in Berlin, die Neuerwerbungen der letzten drei Jahre vor, kuratiert von Veit Loers. "Aktionbutton" hieß die Schau nach einem Bildtiteldes früh verstorbenen Malers Michel Majerus. Action auf der der Leinwand tobte sich jetzt auch in Sankt Petersburg aus, wo die Schau mit einem über sechs Meter langen Gemälde des Selbstdarstellers Jonathan Meese als "Kotbart" provoziert. Anti- Bilder aus der deutschen Mythenkiste in einer benachbarten Installation Meeses mit Siegfried und Hagen von Tronje: der feminine Siegfried, in Mieder mit Peitsche hinterlässt nichts als Leere.

    Wer also glaubt, in Sankt Petersburg gefällige Staatskunst in Augenschein zu nehmen, ist auf dem Holzweg. Was aber soll die Ausstellung in Russland bewegen? Die Kuratorin Eva Bracke:

    Wir hoffen, die hier ansässigen Künstler in erster Linie zu bewegen, sich die Ausstellung anzusehen und die Anregungen, die die deutschen Künstler, -und gerade die jungen Künstler, die in den großen Metropolen Deutschlands leben und an den Akademien studiert haben und noch studieren, -aufgreifen und sich ein Bild machen, was im Moment in einem anderen Teil Europas stattfindet.

    Zur Pressekonferenz in Marmorpalast fanden sich vier Fernsehteams und viele Kritiker ein. Auf dem Rundgang stellten sie viele Fragen. Ein Kritiker polemisierte: In Russland sei der ideelle Gehalt wichtiger als die Form. Ob man sich daran nicht orientiert habe?

    Hatte der St. Petersburger Kunstprofessor Ivan Czeczot einst auf einem Kongress der Bundeskunsthalle seine Heimatstadt nicht als ein "sterbendes Museum" bezeichnet? Im Gegensatz zu Moskau interessiere man sich hier nicht sonderlich für Gegenwartskunst. Wenzel Jakob, Intendant der Bundeskunsthalle, hält dagegen:

    Es gibt hier eine sehr lebendige Akademie, die allerdings erst in den letzten Jahren lebendig geworden ist. Czeczot konnte noch nicht wissen, wie sich die Grenzen öffnen werden. Natürlich ist Moskau sehr sehr strahlend und auch wichtig. Aber St. Petersburg, glaube ich, hat mehr zu bieten als Moskau, oder etwas anderes. Unter diesem Aspekt glaube ich, dass wir einen guten Dialog begonnen haben hier, den jungen Akademien mit einer solchen Ausstellung aufzuwarten.

    Die Schau im Marmorpalast ist frech und bunt, politisch und grotesk, kompliziert und roh, rebellisch und poetisch. Der Bundes- Allein- Sammler Veit Löers hat gute Arbeit geleistet, doch Christina Weiss als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien ist zum alten System zurückgekehrt. Die neue Ankaufskommission, die sich gerade auf dem Berliner ART FORUM umsieht und kauft, besteht wieder aus fünf Köpfen, in der Mehrzahl Museumsdirektoren und erstmals einer Sammlerin, Ingvild Goetz aus München.
    Eine Neuerung aber bleibt in den Regularien, die Einbeziehung ausländischer Künstler, die in Deutschland leben, wie Rirkrit Tiravanija, der Indonesier aus New York in Berlin." Deutsche Kunst kann heute nur Kunst in Deutschland bedeuten", sagt Veit Loers. Daran will sich Christina Weiss auch künftig halten.