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Deutsche und Franzosen finden bei Suchtechnologien nicht zusammen

Auf dem Potsdamer IT-Gipfel hat die Bundesregierung Subventionen in Milliardenhöhe versprochen, auch wenn die IT-Industrie nicht gerade in Nöten ist. Statt Gießkannenförderung sollen in den kommenden vier Jahren Leuchtturmprojekte mit 1,2 Milliarde Euro finanziert werden. Projekte wie Theseus, eine eigene Suchmaschine fürs Land. Der Alleingang war ursprünglich allerdings als deutsch-französisches Gemeinschaftswerk namens Quaero geplant.

Von Pia Grund-Ludwig |
    Seit dieser Woche ist klar, dass Deutsche und Franzosen bei der Entwicklung neuer Suchverfahren doch getrennte Wege gehen. Beide Seiten konnten sich nicht auf ein gemeinsames Konsortium für das als Verbundprojekt angedachte Quaero einigen. Statt eines Konsortiums gibt es zwei: In Frankreich Quaero, in Deutschland Theseus. Kooperation und Abstimmung finden jetzt lediglich während jährlicher Symposien statt. Bereits während der über ein Jahr dauernden Vorbereitungsphase war die Resonanz auf das deutsch-französische Vorhaben nicht besonders gut. Ein Scheitern war vorprogrammiert, meint Alexander Linden, Chef des Dortmunder Startup-Unternehmens Humangrid. Er hat sich viele Jahre als Spezialist für neue Technologien bei der Gartner Group mit der internationalen Forschungslandschaft für Suchtechnologien befasst. Linden war einer der acht Experten, die die eingereichten Projekte der deutschen Forscher beurteilt haben: Sein Eindruck vom Gesamtprojekt:

    " Die Ziele waren sehr unklar formuliert. Den grundsätzlichen Projektansatz den traditionellen Großkonzernen und staatlichen Forschungseinrichtungen so viel Gewicht einzuräumen, halte ich im Web 2.0-Bereich für nicht Erfolg versprechend und nicht zuletzt gab es auch viele Unstimmigkeiten zwischen den beiden Verbundpartnern... so dass die Entscheidung aus Quaero auszusteigen sehr gut nachvollziehbar ist. "

    Für das Bundeswirtschaftsministerium ist einer der Gründe für den Ausstieg, dass auf französischer Seite der Staat bei der Festlegung der Ziele eine große Rolle gespielt habe. In Deutschland gehe die Initiative stärker von Unternehmen aus. Ein entscheidender Grund sind aber auch Unterschiede bei Schwerpunkten und favorisierten Technologien, meint Francois Bourdoncle:

    " Bei Quaero in Frankreich geht es um Multimediasuche. Dazu gehören Technologien, mit denen sich Videos verschlagworten lassen, die automatische Beschreibung von Bildern, Sprach-Text-Umwandlung, maschinelle Übersetzung oder die Beschreibung von Musik. Mit der Beschreibung von Musik könnte man Titel automatisch Musikstilen zuordnen. "

    Bourdoncle sitzt im französischen Quaero-Konsortium. Sein Unternehmen Exalead ist vor einigen Wochen mit der deutschen Version einer Suchmaschine ans Netz gegangen. Sein Ziel: Mit einer semantischen fundierten Präsentation von Internet-Inhalten Google Paroli bieten. Die im französischen Teilprojekt entwickelten Technologien zur Multimediasuche könnten dies ergänzen. Die deutschen Partner, die ihre Kräfte künftig unter dem Projektnamen Theseus bündeln, haben einen breiteren Ansatz als reine Multimediasuche. Man wolle innovative Technologien wie Suche, semantische Verfahren und Mustererkennung weiterentwickeln. Entstehen sollen Anwendungen für jedermann wie interaktive personalisierte Unterhaltungsangebote, aber auch Lösungen für Unternehmen zur Patentrecherche oder Bildverarbeitung in der Medizin. Im kulturellen Bereich geht es um die Aufbereitung von Inhalten aus Bibliotheken, Museen und Film- und Rundfunkarchiven. Dafür stellt der Staat verteilt über fünf Jahre zwischen 90 und 100 Millionen Euro bereit. Noch einmal so viel soll von Unternehmen investiert werden. Zu den Technologien, die die deutschen Partner favorisieren, gehören Verfahren des Semantic Web. Es sei aber noch zu viel Arbeit zu leisten bevor die wirklich nutzbar seien, meint Bourdoncle. Auch Wolfgang Sander-Beuermann, Leiter des Suchmaschinenlabors der Universität Hannover hält einen Fokus auf Semantic-Web-Technologien als alleinigen Ansatz nicht für sinnvoll. Das sei ein Weg, den man in Nischen verfolgen könne, aber für eine Allzwecksuchmaschine könne das nur ein Weg unter vielen sein. Es gehe gar nicht darum, eine alternative Suchmaschine aufzubauen, betont das Wirtschaftsministerium. Sander-Beuermann ist das zu defensiv. Es könne nicht angehen, dass die deutsche Wissensindustrie von einigen wenigen amerikanischen Konzernen abhängig sei. Klar sei zwar, dass man mit den zur Verfügung stehenden Mitteln Google nicht aus dem Stegreif Paroli bieten könne. Es sei aber wichtig, dass eine Wissensindustrie aufgebaut und Know-how im Bereich Suchmaschinen geschaffen werde. Das sei nicht nur für die Informationstechnologie, sondern auch für andere Wirtschaftszweige relevant, mahnt auch Linden:

    " Es entstehen um den Bereich Suche viele neue verwandte Dienste, die uns erlauben, ganz andere Sachen zu machen wie zum Beispiel Produkte suchen, Medien konsumieren, mit Menschen kommunizieren. Diese Dienste werden in Zukunft von einigen wenigen internationalen Organisationen angeboten und hier sind europäische Organisationen nicht besonders gut aufgestellt. Ich denke schon, wenn Europa so weitermacht wie bisher verpasst es die Entwicklung eines ganzen Industriezweiges und damit stehen auch viele Arbeitsplätze und viel Wertschöpfung auf dem Spiel. "