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Deutsche und Polen entdecken ihr gemeinsames Kulturerbe

Andrzej Tomaszewski. ist Inhaber des Lehrstuhls für Denkmalpflege der Universität Warschau und hatte sich als Generalkonservator Polens um das gemeinsame Kulturerbe der Deutschen und Polen verdient gemacht. Er erhält den Georg Dehio-Kulturpreis des Deutschen Kulturforums östliches Europa.

Irmela Spelsberg |
    Ein Arbeitskreis deutscher und polnischer Historiker hat vergangene Woche in Warschau getagt und sein zehnjähriges Bestehen gefeiert. Vorgestellt wurde aber auch ein Digitalisierungs-Projekt zum Fotobestand Ostpreußens. Deutsch-polnische Annäherung über alte multikulturelle Zeiten.

    Das unselige Mediengetöse um ein Zentrum für oder gegen Vertreibung – es lässt völlig in Vergessenheit geraten, wie weit Polen und Deutsche einander bereits nahe gekommen sind. Gemeinsam entdecken sie das über Jahrhunderte hin enge Miteinander; auch in Polen besinnt man sich zunehmend regionaler Besonderheiten, spürt schlesischer, pommerscher, ostpreußischer Geschichte nach und über Staatsgrenzen hinweg entspinnt sich da ein fruchtbarer Dialog der Generationen. Das beobachtet zum Beispiel Professor Klaus Ziemer, Direktor des Deutschen Historischen Instituts Warschau:

    Insbesondere die junge Generation in den Oder-Neiße-Gebieten ist sehr interessiert daran, ihre Heimat authentisch kennen zu lernen – nicht das, was ihnen in den ersten Jahrzehnten nach dem Krieg gesagt wurde, wo die deutsche Vergangenheit völlig ausgeblendet war – sondern die in vielen Fällen multikulturelle Vergangenheit mit all ihren Wurzeln aufzunehmen und sich anzueignen...Und hier bilden zum Teil die Vertriebenen wirklich eine Brücke: Die ältere Generation stellt oft fest, dass ihre Kinder in Deutschland mit den aus der Heimat mitgebrachten Stücken wenig anfangen kann und bringen die nach Polen, wo jetzt Heimatmuseen errichtet werden, wo diese Stücke wirklich gewürdigt werden.

    Diese zaghaft beginnende Bewusstseinsveränderung, wie sie Professor Ziemer diagnostiziert, versucht auch der vor zehn Jahren in Krakau gegründete Arbeitskreis deutscher und polnischer Kunsthistoriker zu fördern. Auf seiner soeben zu Ende gegangenen Jubiläumstagung in Warschau zeigte er zum Beispiel neueste Forschungsergebnisse zum Berliner Schlossbaumeister Andreas Schlüter und seinen so wichtigen Lehrjahren im künstlerischen Milieu des Warschauer Hofes von König Johann III. Sobieski, und machte deutlich, dass künstlerische Einflüsse zwischen Deutschland und Polen durchaus nicht nur auf einer westöstlichen Einbahnstraße unterwegs waren.

    Ein seit 2001 betriebenes Projekt aber, das kurz vor seinem Abschluss steht, verdeutlicht auf geradezu beispielhafte Weise, welcher Beitrag von polnischer Seite für die Erschließung des gemeinsamen Kulturerbes geleistet wird. Unter der Ägide des Deutschen Historischen Instituts und finanziert von der ZEIT-Stiftung haben Wissenschaftler des Kunstinstituts der Polnischen Akademie der Wissenschaften fast 8000 Glasnegative und Abzüge von ostpreußischen Baudenkmälern aus dem Bestand des früheren Provinzialkonservators Königsberg in mühevoller Kleinarbeit digitalisiert und werden sie Ende des Jahres auf einer CD-ROM der internationalen Forschung und Öffentlichkeit zugänglich machen – in einer deutschpolnischen aber auch einer litauisch-russischen Sprachversion.

    Bauernhäuser, Mühlen, Kirchen, Brücken, Gewerbe-, Verkehrs- und Industrieanlagen sind da zwischen 1893 und 1944 fotografiert worden und stellen heute das visuelle Gedächtnis einer im polnischen Ostpreußen gerade wieder entdeckten, auf russischer Seite aber bereits verschwundenen Kulturlandschaft dar. Die kennt der junge Magister Jan Przypkowski nach seiner dreijährigen Arbeit an der Datenbank nun recht genau:

    Das war das Gebiet, wo die Einflüsse aus verschiedenen Kulturen und Ländern zusammengetroffen sind und zwar die deutsche Kultur aber auch niederländische Einflüsse waren sehr stark, auch die aus Polen und Danzig....Diese Fotos sind für den Konservator, für die Kunsthistoriker von unschätzbarem Wert. Dank ihrer kann man den ehemaligen Zustand der zerstörten Kunstwerke zurückbringen. Ich hoffe, dass nach dem Erscheinen unserer CD der Bestand besser bekannt wird und auch den Kunstkonservatoren dienen wird.

    Aber auch die polnischen Stadtflüchtlinge, die derzeit in Ermland und Masuren immer häufiger alte Häuser wiederherrichten und für "neues Leben unter alten Dächern" sorgen, werden aus diesem Material sicher wertvolle Anregungen beziehen.